Braucht es einen Green New Deal?

Ursula von der Leyen schüttelte in ihrer Bewerbungsrede für das Amt der Kommissionspräsidentin vor dem Europäischen Parlament ein As aus dem Ärmel: Relativ überraschend kündigte sie an, im Amt jedes Jahr 100 Milliarden Euro für Investitionen gegen den Klimawandel mobilisieren zu wollen. Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Ralph Brinkhaus, erklärte kurz darauf in einem Interview, allein Deutschland müsse sehr hohe Summen im dreistelligen Milliardenbereich ausgeben, um den Klimawandel zu bekämpfen.

Dies sind zwei von vielen Wortmeldungen der letzten Wochen, die den Klimawandel als Anlass nutzen, um massive staatliche Investitionsoffensiven über die nächsten zehn bis zwanzig Jahre zu fordern. Im politischen Marketing hat sich dafür, ursprünglich von progressiven amerikanischen Demokraten lanciert, der Begriff des Green New Deal durchgesetzt.

Die Wortschöpfung knüpft klar am New Deal Franklin D. Roosevelts an, also an eine Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Sozialreformen, mit denen er nach seinem Amtsantritt und bis zum Kriegseintritt auf die Weltwirtschaftskrise reagierte. Dazu gehörten eine expansive Geld- und Finanzpolitik, die Stabilisierung des Bankensektors, aber auch die (für die USA damals erstmalige) Einführung einer nennenswerten Sozialversicherung, öffentlicher Wohnungsbau, staatliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Ausweitung von Arbeitnehmerrechten.

Der New Deal war zu Beginn angetrieben vom akuten Handlungsdruck der Wirtschaftskrise; insoweit mag man auch eine Parallele zur Klimapolitik konstruieren. In der späteren Phase dagegen ging es um Sozialreformen, die einen großen Teil der Bevölkerung wirtschaftlich erst einmal besserstellten. Entsprechend war der ursprüngliche New Deal trotz starker Gegenwehr aus dem Lager der Republikaner und von konservativen Mitgliedern des Supreme Court bei breiten Schichten der Bevölkerung sehr populär.

Heute dagegen haben wir es kurzfristig in der Klimapolitik eher mit einer Gratwanderung zwischen ökologischen und ökonomischen Risiken zu tun. Glaubt man der Demoskopie, so fühlen sich die Bürger vom Klimawandel bedroht, aber es gibt auch starke Befürchtungen, dass etwa ein sehr schneller, politisch eingeleiteter Strukturwandel in verschiedenen Industrien zu einer Wirtschaftskrise führen könnte. Dass eine sehr offensive Klimapolitik von den Bürgern mit ähnlich offenen Armen empfangen würde wie der damalige New Deal ist zweifelhaft — es geht hier im Gegensatz zu damals nicht eindeutig darum, die materiellen Lebensbedingungen der Bevölkerung kurzfristig zu verbessern.

Die Analogie von Green New Deal zu New Deal ist also wackelig. Es geht um seichtes Politmarketing, auf das gebildete Bürger nicht unkritisch hereinfallen sollten. Dennoch könnte es natürlich sein, dass das, was als Green New Deal bezeichnet wird, notwendig ist, als eine zunächst wirtschaftlich riskante, aber langfristig unausweichliche Anpassung an Umweltrisiken.

So einfach ist es allerdings nicht. Wenn es so etwas wie eine Mehrheitsmeinung von Ökonomen gibt, dann hat die CO2-Bepreisung nach dieser Mehrheitsmeinung klaren Vorrang. Es geht erst einmal darum, Verhaltensanreize für die Individuen zu setzen, um weniger CO2 zu emittieren. Dazu braucht es eine CO2-Steuer oder ein umfassendes Handelssystem für CO2-Zertifikate. Beides ist für die öffentlichen Haushalte nicht teuer. Im Gegenteil generiert es sogar Einnahmen, die allerdings idealerweise an die Bürger zurückverteilt werden, um negative Verteilungseffekte für Haushalte mit geringen Einkommen zu begrenzen.

Gleichzeitig setzt eine solche CO-Bepreisung natürlich auch Innovationsanreize, zumal wenn sie mit der Ankündigung kommt, im Zeitablauf anzusteigen. In dem Fall wissen die Unternehmen, dass die Erforschung CO2-sparender Technologie lohnend sein kann. Tatsächlich reicht bereits derzeit die relativ vage Erwartung einer aktiver werdenden Klimapolitik bereits, um die Unternehmen heute schon dazu zu bringen, in entsprechende Innovationen zu investieren. Ein klar ansteigender Preispfad für CO2 würde diese Anreize nochmal deutlich verstärken, mit den entsprechenden Effekten.

Woher kommt nun also trotzdem der plötzliche Drang, hunderte Milliarden im Rahmen eines Green New Deal auszugeben? Einerseits steckt dahinter wohl eine etwas schlichte Vorstellung des Innovationsprozesses. Dieser wird als eine Art Black Box verstanden, in die man nur genug Geld werfen muss, damit am anderen Ende klimafreundliche Technologien herauskommen. Das ist aber natürlich nicht so.

Auch Forschungsinvestitionen haben meist abnehmende Grenzerträge. Es gibt beispielsweise meist nur eine sehr begrenzte Zahl hoch spezialisierter Experten, die auch nicht beliebig schnell nachwachsen. Ebenso gibt es nur eine begrenzte Zahl konkreter Forschungsfragen, bei denen jeweils aktuell ein Fortschritt zu erreichen ist. Im ungünstigsten Fall erreicht man mit sehr hohen öffentlichen Fördermitteln vor allem, dass ökonomische Renten der Beteiligten vergrößert werden, aber weniger, dass die Erfolgswahrscheinlichkeiten einer bahnbrechenden Innovation deutlich größer werden.

Das soll nicht bedeuten, dass nicht in Einzelfällen eine Förderung von anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung von Unternehmen auch einmal sinnvoll sein kann. Aber diese gilt es mit der gebotenen Vorsicht zu identifizieren. Erhebliche Milliardensummen ins Schaufenster zu legen und auf Interessenten zu warten ist dagegen fahrlässig.

Ein zweites Argument ist, andererseits, dass mit dem Green New Deal viele weitere Investitionen finanziert werden sollen, etwa in Infrastruktur. Hier lockt allerdings wohl vor allem die Hoffnung, dass ein kreditfinanzierter Investitionsfonds bei der Umgehung der Schuldenbremse helfen könnte. Sofern die rechtliche Einschätzung zutrifft, könnte hier ein kreditfinanzierter Schattenhaushalt geschaffen werden, mit dem Bund und Länder sich zweckgebunden verschulden können, ohne damit gegen die grundgesetzliche Schuldenbremse zu verstoßen.

Auch hier hätten wir es dann wieder vor allem mit Politmarketing zu tun. Der Green New Deal wird als Vorwand herangezogen, um nur kurz nach Inkrafttreten der Schuldenbremse finanziell wieder aus dem Vollen schöpfen und der politischen Verschuldungsneigung ungehindert nachgeben zu können. Dafür spricht auch das politische Vorgehen. Es wird nicht etwa eine Reihe klimapolitisch dringend notwendiger Investitionen identifiziert und dann der Finanzierungsbedarf ermittelt. Vielmehr wird zuerst in einer Art politischer General-Selbstermächtigung ein riesiger Investitionsbedarf postuliert und anschließend nach politisch ertragreichen Einzelprojekten gesucht — im Zweifelsfall nach solchen, die man schon immer haben wollte, für die man aber auf öffentliche Konsumausgaben dann doch nicht verzichten möchte.

In der aktuellen Phase allgemeinen klimapolitischen Aufruhrs wäre es dringend angeraten, einmal inne zu halten, durchzuatmen und der kühlen Rationalität ihren angemessenen Raum zu geben. Dringend notwendig ist tatsächlich eine CO2-Bepreisung. Darüber herrscht weitgehend Konsens. Der sogenannte Green New Deal dagegen ist bisher nicht mehr als ein politischer Taschenspielertrick. Es geht darum, sich wieder politische Spielräume zu verschaffen, die mit der Schuldenbremse des Grundgesetzes aus gutem Grund eingeschränkt wurden. Politikberatende Ökonominnen und Ökonomen sollten sich mit solchen Kampagnen nicht leichtfertig gemein machen.

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