Gastbeitrag
Überschussliquidität der Banken in Corona-Notkredite umwandeln

Bild: Pixabay

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden dramatisch unterschätzt. Die Lage ist viel ernster als in der Finanzkrise 2009. Damals brachen nur ein paar Banken zusammen, und das hatte schon dramatische Folgen. Jetzt aber legt die Angst vor Ansteckung mit dem Virus fast die gesamte Wirtschaft lahm. Überall fehlen die Kunden, das gesamte öffentliche Leben ist stillgelegt. Damit fehlt den Unternehmen über kurz oder lang das Geld, Löhne und Ladenmieten weiterzuzahlen. Gleichzeitig zerbrechen globale Lieferketten, ein Land zieht das andere mit in den Strudel. Wenn nicht sofort gehandelt wird, droht nicht weniger als die schlimmste Wirtschaftskrise aller Zeiten. Die Zeit drängt, genau wie in der Medizin. Helfen kann nur eine sofortige Notbeatmung unserer Wirtschaft, vom Großkonzern bis hin zum kleinen Frisörladen.

Das Maßnahmenpaket der Regierung ist gut gemeint, aber es ist nicht gut genug: Zu bürokratisch, zu sehr am Bedarf von Großunternehmen konzentriert, und vermutlich auch zu langsam. Vielen Selbständigen und Kleinunternehmen steht das Wasser bis zum Hals. Zinssenkungen und Steuerstundungen helfen ihnen nicht viel. Sie brauchen Liquidität, und zwar sofort, sonst werden viele die nächsten Monate nicht überleben. Sie haben anderes zu tun, als umständliche KfW-Formulare auszufüllen. Es gibt bei der staatlichen Förderbank auch gar nicht genug Personal, um hunderttausende Anträge schnell genug zu bearbeiten.

Darum muss es anders laufen:

  • Die jeweilige Hausbank muss den Unternehmen sofort Corona-Notkredite in Höhe ihres Umsatzausfalls geben. So können sie erst einmal ihre Löhne und andere Kosten weiterzahlen.
  • Damit die Banken das auch machen, übernimmt der Staat eine Ausfallbürgschaft von 90% für jeden Notkredit und zahlt außerdem die Zinsen. Die Unternehmen müssen nur die Tilgung tragen, und zwar erst nachdem die Lage sich wieder entspannt hat.

Auf diese Weise werden die weitgehend brachliegenden Liquiditätsbestände bei den Banken in Unternehmenskredite umgewandelt. Anders als bei den Regierungsbeschlüssen muss sich der Staat für diese Kredite nicht zusätzlich in gleicher Höhe verschulden, sondern nur die Zinsen und Kreditausfälle finanzieren.

Das Ganze kann schon morgen starten, so dass der Wirtschaftskreislauf erst einmal stabilisiert wird. Die Unternehmen bekommen wieder Luft zum Atmen. Sie haben es nur mit ihrer normalen Hausbank zu tun, nicht mit staatlichen Behörden. Die Banken können wieder Geld verdienen, bleiben aber am Ausfallrisiko beteiligt, was sie zur Sorgfalt zwingt. Auch die Unternehmen werden versuchen, keine unnötigen Kredite in Anspruch zu nehmen, denn irgendwann müssen sie diese ja zurückzahlen. Wann und wie genau, das sollte man flexibel je nach der aktuellen Lage handhaben. Hauptsache ist, dass erst einmal geholfen wird und jetzt nicht auch noch unsere Wirtschaft kollabiert. Denn Pandemie und gleichzeitig globale Wirtschaftskrise, das wäre ein Szenario wie in einem schlechten Katastrophenfilm.

Keine Frage, wir haben es mit der wahrscheinlich schärfsten Wirtschaftskrise aller Zeiten zu tun. Aber ich teile nicht die Diagnose eines Angebotsschocks, und Vergleiche mit der unmittelbaren Nachkriegszeit halte ich für abwegig. Zwar können viele Leute derzeit nicht zur Arbeit gehen, und die Produktion wird stark sinken, das ist wahr. Aber die gleichen Leute geben auch viel weniger Geld aus, einfach weil die Läden, Reisebüros, Restaurants etc. geschlossen sind. Es sinken also Angebot und Nachfrage, und zwar vor allem bei den nicht-lebensnotwendigen Gütern. Die Produktion und Distribution von Basisgütern wie Lebensmitteln etc. scheint dagegen gesichert bzw. kann auf jeden Fall mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen gesichert werden. So hat Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner gerade vorgeschlagen, Kellner als Erntehelfer einzusetzen. Die Supermärkte stellen derzeit ebenfalls fachfremde Leute ein, um die Regale einzuräumen etc. Ein Teil der in anderen Sektoren freigesetzten Arbeitskräfte kann und sollte daher dort eingesetzt werden, wo sie dringend benötigt werden.

Eine scharfe Rezession wird sich dennoch nicht vermeiden lassen. Aber selbst wenn das BIP um 20% sinkt, sind wir rein rechnerisch etwa auf dem Stand von vor 10 oder 15 Jahren. Ging es uns da wirklich so schlecht? Das kann man sicher nicht behaupten. Natürlich gibt es zahlreiche Verteilungs- und andere Asymmetrien, aber insgesamt ist ein Rückfall im Konsumniveau selbst in dieser Größenordnung keine Katastrophe. Real wird unser materieller Wohlstand erst einmal stark sinken, aber danach wird es von niedrigerem Niveau auch wieder aufwärts gehen.

Was wir dagegen wirklich fürchten müssen sind Selbstverstärkungseffekte aufgrund von Liquiditätsproblemen. Dieses kann mit Maßnahmen wie den oben beschriebenen aber durchaus gelöst bzw. zumindest stark gemildert werden.

Blog-Beiträge zum Thema:

Dieter Smeets: Die Corona-Pandemie und ihre (ökonomischen) Folgen

Marco Wagner: Italien tief in der Corona-Krise

Norbert Berthold: Seuchen, Stagflation und Staatswirtschaft. Wirtschaftspolitik in Zeiten von Corona

Michael Grömling: Corona mutiert zum Globalisierungsschock

Tim Krieger: Hochschulen in Zeiten des Corona-Virus. Ein Entwicklungsmodell unter Druck

6 Antworten auf „Gastbeitrag
Überschussliquidität der Banken in Corona-Notkredite umwandeln“

  1. „Dramatisch unterschätzt“

    Der Beitrag von Prof. Dr. van Suntum warnte bereits am 18. März im obigen Beitrag: „Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise werden dramatisch unterschätzt.“ Noch fast zwei Wochen später war der Sachverständigenrat erstaunlicherweise erheblich optimistischer, was sich in der gemeinsamen Pressekonferenz von Professor Feld mit dem Bundeswirtschaftsminister vor der Veröffentlichung schon angedeutet hatte.
    Aber die Realität hat nun auch die bemerkenswerte Positionierung eines Teils der „Fünf Weisen“ in ihrem Sondergutachten von einem Minus von 2,8 Prozent bei der Wirtschaftsleistung eingeholt. Dies räumt nun auch der Ratsvorsitzende, Prof. Dr. Lars Feld, im Interview in „Die Zeit“ vom 23.4.2020, S. 10 („Was heißt das: Solidarität?“) ein, wenn es dort heißt: „Diese Einschätzung lässt sich nicht halten. Ich rechne eher mit einem Rückgang von 5,5 Prozent – und selbst das ist noch optimistisch.“

    Es ist zu befürchten, dass Professor Feld gerade auch mit den letzten Worten im Zitat richtig liegt. Dies resultiert wohl in erster Linie aus den immer noch hohen Unsicherheiten bei den ja nur zeitlich verzögert auftretenden Auswirkungen vom Virus, deren empirische Erfassung angesichts noch fehlender repräsentativer Studien zudem weiterhin wissenschaftlich hoch umstritten ist, und den sich daraus ergebenden möglichen Rückschlägen bei den aktuellen Öffnungsmaßnahmen. Auch hierbei ist Staatsversagen möglich, nicht nur bei einem Teil der bisher getroffenen staatlichen Maßnahmen, welche nicht wenige Wirtschaftsliberale – sicherlich teilweise auch zu Recht bei manchen willkürlich erscheinenden diskriminierenden Maßnahmen – derzeit besonders heftig kritisieren.

    Fazit: Es besteht ein Risiko, dass auch jetzt die Auswirkungen noch unterschätzt werden, Hoffentlich wird es am Ende beim Minuswachstums nicht doch noch so dramatisch werden, wie Professor van Suntum es im obigen Beitrag vermutet.

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