Strukturkrise, Investitionen und Gewinne
Wir brauchen einen Marshall-Plan für Unternehmer

Die Welt befindet sich im tiefsten wirtschaftlichen Schlamassel seit langem. Eine globale Rezession scheint nach Aussagen der Weltbank unvermeidlich. Noch ist der Boden nicht erreicht. Der freie Fall hält an. Immer mehr Branchen und Unternehmen sind betroffen. Das Virus ist längst vom Finanzsektor in die Realwirtschaft übergesprungen. Opel scheint überall. Weltweit ist die Politik ratlos. Die Geldpolitik ist impotent. Selbst Null-Zinsen zünden nicht mehr. Haushalte und Banken horten Liquidität, private Unternehmen scheuen das Risiko, sie investieren immer weniger. Für die Fiskalpolitik steht der Lackmustest noch aus. Ein Konjunkturprogramm jagt das andere. Die Politik gibt das Geld der Steuerzahler mit vollen Händen aus, die staatliche Verschuldung erklimmt astronomische Höhen. Trotzdem ist der Abwärtstrend weltweit noch ungebrochen.


Struktur statt Konjunktur

Die Politik irrt, wenn sie glaubt, die Krise sei mit konjunkturpolitischen Instrumenten in den Griff zu bekommen. Tatsächlich handelt es sich weniger um eine Konjunktur- als vielmehr um eine handfeste Strukturkrise. Eine lange viel zu expansive Geldpolitik und ein weltweites Überangebot an Ersparnissen haben falsche Anreize gesetzt. Niedrige Zinsen haben Ressourcen in falsche Verwendungen gelockt. So bauten sich etwa im Finanzbereich, in der Autobranche, im Bausektor, möglicherweise auch beim Handel und bei Print-Medien  teilweise erhebliche Überkapazitäten auf. Die Krise ist erst ausgestanden, wenn die sektoralen Übertreibungen beseitigt sind. Der Staat kann helfen, diesen Prozess der Re-Allokation der Ressourcen zu beschleunigen. Viel wäre allerdings schon gewonnen, wenn er ihn wenigstens nicht behindern würde.

Die Realität sieht anders aus. Mit gigantischen Ausgabenprogrammen versucht die Politik, gebeutelten Sektoren zu helfen. Dabei gerät sie zwangsläufig in das Dilemma eines barmherzigen Samariters. Viele der Programme lindern zwar kurzfristig die wirtschaftlichen Leiden, verschärfen aber mittelfristig die Krankheit. Die Abwrackprämie ist ein gutes Beispiel. Mit dieser Aktion werden nicht nur volkswirtschaftliche Werte vernichtet, sondern zu allem Überfluss auch noch überkommene sektorale Strukturen zementiert. Knappe Ressourcen bleiben in weniger produktiven Verwendungen gefangen. Das wirtschaftliche Fieber sinkt temporär, der eigentliche Herd der Krankheit wird aber nicht beseitigt. Der Status-quo-Bias solcher staatlichen Ausgabenprogramme verlängert die wirtschaftliche Rezession künstlich.

Ein zügiger Prozess der sektoralen Umschichtung der Ressourcen ist der bessere Weg aus der Krise. Arbeit und Kapital aus Branchen, die ihre Zukunft schon hinter sich haben, müssen sich schleunigst attraktivere Wirtschaftszweige suchen. Das macht zweierlei notwendig. Zum einen muss der Finanzsektor soweit repariert werden, dass Banken wieder eher bereit sind, den sektoralen Ressourcentransfer zu finanzieren. Tatsächlich hat es die Politik aber noch immer nicht geschafft, die faulen Äpfel auszusortieren. Zum anderen muss die Bereitschaft von Arbeitnehmern und Unternehmen gestärkt werden, niedergehende Bereiche zu verlassen. Das macht es erforderlich, mehr Mittel in marktfähiges Human- und Realkapital zu investieren. Der Staat kann helfen, dafür notwendige Investitionen rentabler zu gestalten.

Bürokratie und Regulierung

Die Banken sind gegenwärtig keine große Hilfe, den sektoralen Wandel zu finanzieren. Sie haben mehr als genug damit zu tun, ihre maroden Bilanzen zu sanieren, um die eigene Pleite und damit Schlimmeres für gesamte Volkswirtschaften zu verhindern. Unternehmen, die Scouts im Strukturwandel, müssen deshalb Investitionen vor allem aus eigenen Mitteln finanzieren. Das ist aber nur möglich, wenn die Gewinne nachhaltig steigen. Ein relativ kostengünstiger Weg ist der Abbau bürokratischer Hürden. Das erfordert keine kostspieligen staatlichen Ausgabenprogramme. Notwendig ist nur der Mut der Politik, den Widerstand staatlicher Bürokratien zu brechen. Das ist in Zeiten, in denen Staat und Regulierungen eine Renaissance erleben, alles andere als einfach. Nur: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Der aktuelle Report „Doing Business 2008“ der Weltbank zeigt, Deutschland hat erheblichen Nachholbedarf. Das gilt für alle Phasen des unternehmerischen Lebenszyklus, von der Gründung bis zur Liquidation. Die gegenwärtige Situation hierzulande lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Verwaltungsakte dauern länger, Hilfeleistungen für die öffentliche Hand sind höher, die Zusammenarbeit mit der öffentlichen Verwaltung ist komplizierter als bei vielen der wichtigsten Konkurrenten auf den weltweiten Märkten. Bürokratiekosten schmälern die Gewinne der Unternehmen, der Spielraum für Investitionen sinkt. Das gilt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, den Motoren für Wachstum und Beschäftigung. Sie leiden seit langem besonders unter unnötigen bürokratischen Vorgaben.

Wer die Kosten der Bürokratie verringern will, muss auch ineffiziente Regulierungen beseitigen. Die Ansatzpunkte eines Bürokratieabbaus haben sich nicht geändert. Nach wie vor gilt es, das Prinzip der Subsidiarität konsequent umzusetzen. Bürgern und privaten Unternehmen muss wieder mehr Freiheit und Eigenverantwortung eingeräumt werden. Weniger staatliche Regulierung und bürokratische Verwaltung ist oft mehr. Der Katalog bürokratischer Vorschriften muss radikal durchforstet und entrümpelt, Verfahren müssen vereinfacht werden. Bei heterogenen regionalen Präferenzen ist ein stärkerer Wettbewerb auf der Ebene der Bundesländer der beste Weg, die wuchernde Bürokratie in die Schranken zu weisen. Experimentier- und Öffnungsklauseln auf dezentraler Ebene sind ein Gebot der Stunde.

Löhne und Steuern

Eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung ist nur möglich, wenn Unternehmen wieder mehr investieren. Investitionen erzielen eine doppelte Dividende, sie helfen der Konjunktur und dem Wachstum. Mit höheren erwarteten Gewinnen steigen die Anreize der Unternehmen zu investieren. Arbeitnehmer können einen positiven Beitrag leisten, wenn sie zustimmen, einen Teil ihres Einkommens stärker an die Gewinne ihres Unternehmens zu koppeln. Die Grenzkosten der Arbeit sinken, die Gewinne steigen, Arbeitsplätze werden sicherer, Unternehmen investieren mehr, die Arbeitseinkommen steigen. Mehr Gewinnbeteiligung hilft Arbeitnehmern und Unternehmen. Organisationspolitische Motive der Tarifpartner haben bisher mit dazu beigetragen, mehr „Boni für alle“ zu verhindern. Vielleicht bringt die Krise endlich den Durchbruch des Beteiligungskapitalismus.

Die Politik gibt gegenwärtig weltweit horrende Summen aus. Private Investitionen werden allerdings eher stiefmütterlich behandelt. Die vielen Konjunkturprogramme enthalten zwar auch investive Komponenten, allerdings zumeist staatliche. Der Staat selbst gibt mehr für Infrastruktur, Bildung, Forschung und Entwicklung aus. Diese Ausgaben fördern zwar auch privaten Investitionen, aber nur indirekt und mit beträchtlicher zeitlicher Verzögerung. Anreize, die private Investitionen direkt stärken, sind überall Mangelware. Die Politik ist darauf fixiert, die Konsumnachfrage zu stärken. Der keynesianische Tunnelblick verhindert, dass direkte Anreize für private Investitionen gesetzt werden. Nur, woher soll der künftige Konsum kommen, wenn private Unternehmen nicht vorher kräftig investiert haben?

Es spricht vieles dafür, steuerliche Anreize zu setzen und Fehlanreize zu beseitigen, um sofort mehr private Investitionen anzuregen. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass der sektorale Strukturwandel nicht behindert wird. Niedrigere marginale Steuersätze bei der persönlichen Einkommensteuer und den Unternehmenssteuern sind geeignete Instrumente. Auch eine geringere Bemessungsgrundlage durch dauerhaft degressive Abschreibungen, zeitlich unbegrenzte Möglichkeiten der Verlustverrechnung, keine Substanzbesteuerung, Abbau der Zinsschranke und eine steuerliche Forschungsförderung kommen in Frage. Die steuerlichen Anreize sollten allerdings nur dann über staatliche Verschuldung finanziert werden, wenn sich die Politik glaubwürdig bindet, in wirtschaftlich besseren Zeiten die staatlichen Haushalte zu konsolidieren und staatliche Ausgaben zu kürzen.

Fazit

Die Weltwirtschaft ist im freien Fall. Ein gewaltiger weltweiter struktureller Wandel ist im Gange. Die Politik versucht gegenzusteuern, bislang mit mäßigem Erfolg. Sie setzt zu stark auf Hilfen für einzelne Sektoren und konsumnahe Ausgaben und zu wenig auf die Förderung privater Investitionen. Damit verzerrt und hemmt sie den Strukturwandel und verlängert die Rezession. Eine kapitalfördernde Steuerpolitik jetzt mit bindenden Regeln der Haushaltskonsolidierung in besseren Zeiten ist sinnvoller. Die wichtigste Aufgabe des Staates in diesen Zeiten ist ordnungspolitischer Natur. Er muss für funktionierende Märkte sorgen. Essentiell für die wirtschaftliche Genesung sind weltweit offene Güter- und Faktormärkte, keinesfalls aber Protektionismus. Offene Märkte erleichtern den Strukturwandel, bringen knappe Ressourcen in produktivere Verwendungen und verhindern eine zweite Weltwirtschaftskrise.

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