Gastbeitrag
Wirtschaftliche Freiheit weltweit – Economic Freedom Report 2013

Bereits Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts verfolgte eine Gruppe liberaler Ökonomen um Rose und Milton Friedman und Michael Walker vom kanadischen Free-Market Thinktank Fraser Institute die Idee eines Index der wirtschaftlichen Freiheit. Ziel war es, für möglichst viele Länder und Regionen ein klar definiertes und methodisch konsistent konstruiertes Maß für die Gewährleistung wirtschaftlicher Freiheit in Politik und staatlichen Institutionen zu entwickeln. Seit 1996 erscheint der Economic Freedom of the World Report als Gemeinschaftsprojekt der im Economic Freedom Network organisierten Think Tanks aus 86 Ländern (www.freetheworld.com). Seither haben sich unzählige Studien auf die Daten des EFW-Projekts zur Untersuchung des Einflusses der wirtschaftlichen Freiheit auf Investitionen, wirtschaftliches Wachstum, Volkseinkommen und Armut gestützt. Nahezu ohne Ausnahme zeigen diese Untersuchungen, dass Länder, deren ordnungspolitische Rahmenbedingungen wirtschaftliche Freiheit gewährleisten, mehr investieren, ein zügigeres Wirtschaftswachstum aufweisen, eine wohlhabendere Bevölkerung beheimaten und Armutsprobleme schneller beseitigt haben. Zwar sind auch andere Faktoren, wie kulturelle Besonderheiten, Klima, und geographische Lage eines Landes als Erklärungsvariablen für die Wohlstandsentwicklung von Bedeutung, doch haben institutionelle Charakteristika eines Landes, also politische Faktoren, die den Bürgern wirtschaftliche Freiheit geben oder nehmen, einen deutlichen höheren Erklärungswert.

Wie wird die wirtschaftliche Freiheit gemessen?

In den Economic Freedom Index wird versucht Indikatoren für die vier wesentlichen Eckwerte wirtschaftlicher Freiheit zu erfassen: die individuelle Handlungsfreiheit der Bürger, die Gewährleistung freiwilliger Austauschbeziehungen auf Märkten, die Freiheit des Wettbewerbs und des Marktzutritts sowie der Schutz von Personen und ihrem privaten Eigentum vor dem gewaltsamen Zugriff durch andere. Als Datenbasis des Index finden vornehmlich Daten des Internationalen Währungsfonds (Internationale Monetary Fund), der Weltbank (World Bank) und des Internationalen Wirtschaftsforums (World Economic Forum) Verwendung. Um die Objektivität der Datenbasis zu gewährleisten werden von den Projektpartnern erhobene Sekundärdaten aus den einzelnen Ländern nur genutzt, wenn sich aus offiziellen Quellen internationaler Organisationen keine hinreichenden Informationen gewinnen lassen. Der aggregierte Economic-Freedom-Index (EF-Index) fasst in 24 Einzelkomponenten insgesamt 42 Maßzahlen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Freiheit in fünf übergeordneten Kategorien zusammen, wobei der Index auf einer Skala von 1 bis 10 abgebildet wird (Abbildung 1).

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Was den Umfang staatlicher Aktivitäten betrifft werden Aktivitäten des Staates bewerten, deren Folge eine Allokation von Ressourcen, Gütern und Dienstleistungen ist. Wird der Staat als Wirtschaftsakteur infolge seiner Ausgabenpolitik aktiv, werden individuelle Wahlmöglichkeiten beschränkt und wirtschaftliche Freiheit reduziert. Daher erfasst der Indikator den Anteil des Staatsverbrauchs sowie der staatlichen Einkommenstransfers und Subventionen am Bruttoinlandsprodukt. Aber auch die direkte Tätigkeit des Staates als Unternehmer wird hier erfasst. Staatsunternehmen sind den Regeln des Marktes zwar unterworfen, tragen aber häufig nur unvollständig die daraus resultierenden Konsequenzen. Sie genießen den Schutz des Staates, was den Wettbewerb um Produktionsfaktoren, aber auch um die Nachfrager ihrer Produkte und Dienstleistungen verzerrt. Spürbare Einschränkungen der wirtschaftlichen Freiheit gehen aber auch von der Belastung der Bürger durch Steuern und Abgaben aus. Hier werden die marginalen Steuer- und Abgabensätze ebenso erfasst wie die Bemessungsgrenzen des belasteten Einkommens. Hohe Grenzsteuersätze auf relativ niedrige Einkommen enthalten den Bürger die Früchte ihrer Arbeit vor und sind damit indikativ für ein geringes Niveau wirtschaftlicher Freiheit. Länder mit einem niedrigen Staatsausgabenanteil am BIP, geringerem Anteil staatlicher Unternehmen und niedrigen Abgabensätzen führen zu einem höheren Freiheitsindex.

Ein zentrales Element der wirtschaftlichen Freiheit ist der Schutz der Person und des privaten Eigentums. Aus liberaler Perspektive besteht hierin die zentrale Aufgabe des Staates. Daher wird der Staat im Teilindex Rechtssystem und Eigentumsrechte auch danach bewertet, ob er ein unabhängiges und faires Rechtssystem und den Schutz des Privateigentums gewährleistet. Daneben wird auch bewertet inwiefern das Rechtssystem Vertragsfreiheit und –durchsetzung garantiert und das Wirtschaftsleben vor illegalen Aktivitäten absichert. Nur so lässt sich das notwendige für ein reibungsloses Wirtschaftsgeschehen notwendige Vertrauen der Marktteilnehmer gewährleisten und besten individuelle Anreize produktiv tätig zu werden. Eine effiziente und an langfristiger Entwicklung ausgerichtete Allokation der Ressourcen ist ohne diese Voraussetzungen nicht denkbar, weshalb Defizite sich hier sehr schnell in Entwicklungsrückständen äußern.

Freihandel war und ist eine wesentliche Voraussetzung für die globale Wohlstandsentwicklung. Die Wahrnehmung komparativer Kostenvorteile, arbeitsteilige Spezialisierung und Ausnutzung von Größenvorteilen der Produktion trägt wesentlich zur Erhöhung der Produktivität der globalen Wirtschaft bei. Dennoch hat der Einfluss gewichtiger wirtschaftlicher Interessengruppen und politischer Bewegungen bis in die Gegenwart vermocht staatliche Handelshemmnisse aufrechtzuerhalten. Zollschranken und Einfuhrbeschränkungen sind sichtbare Hindernisse des freien Warenaustauschs. Aber auch Devisenverkehrsbeschränkungen beeinträchtigen den globalen Welthandel. Gleichermaßen schränken hoher bürokratischer Aufwand und Korruption beim Grenzübergang der Waren internationale Austauschbeziehungen ein. Länder mit geringen Zollsätzen, geringen Einfuhrbeschränkungen, unbürokratischen Zollbehörden und geringer Devisenbewirtschaftung gewährleisten hohe wirtschaftliche Freiheit und steigen im Ranking auf.

Staatliche Regulierung ist eine weitere wichtige Barriere für den wirtschaftlichen Austausch der Bürger. In dieser Bewertungskategorie des EFW werden gesetzliche Beschränkungen der Finanzmärkte, des Arbeitsmarktes sowie der Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfasst. Bezüglich der Freiheit der Finanzwirtschaft wird der Anteil privater Finanzinstitute, Refinanzierungsmöglichkeiten für private Unternehmen und der staatliche Einfluss auf die Kreditvergabe und –konditionen bewertet. Länder mit überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Banken, umfangreichen Refinanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und geringen Zinskontrollen erhalten hohe Indexwerte. Arbeitsmärkte sind häufig umfangreichen Restriktionen ausgesetzt. Hierzu zählen Mindestlöhne, Kündigungsschutzregeln, gesetzlich kontrollierte Lohnfestlegungen zwischen den Tarifparteien, die auch außerhalb der Tarifvereinbarungen Wirksamkeit besitzen, sowie die öffentliche Wehr- bzw. Dienstpflicht. Schließlich werden staatliche Regulierungen der Güter- und Dienstleistungsproduktion bewertet. Hier geht es vor allem darum das Ausmaß von Wettbewerbsbeschränkungen und Marktzutrittsschranken zu bestimmen. Länder mit geringer Unternehmensregulierung und freiem Marktzutritt steigen im Ranking auf.

Für Längsschnittvergleiche der wirtschaftlichen Freiheit wird auf einen Kettenindex mit dem Basisjahr 2000 zurückgegriffen. Da sich über die Jahre immer wieder Veränderungen der Anzahl und Zusammensetzung der Komponenten des Index ergeben haben, müssen die Veränderungen relativ zu einer gemeinsamen Basis normiert werden. Im Datenlängsschnitt erfolgt dadurch nur eine Veränderung des Index relativ zum Basisjahr, wenn sich bei den Komponenten zweier angrenzender Jahre eine Veränderung ergab. Lückenlos liegt dieser Kettenindex von 1980 bis 2011 für 101 Länder vor.

Rangliste der Wirtschaftlichen Freiheit 2013

Seit einigen Jahren belegt Hongkong den Spitzenplatz im globalen Ranking (8,97). Dahinter folgen die Länder Singapur (8,73) und Neuseeland (8,49). Alle drei Spitzenreiter konnten im Vergleich zum Vorjahr ihren Indexwert weiter erhöhen (Abbildung 2). Deutschland hat mit 7,68 Indexpunkten seine Position von Platz 31 im Vorjahr auf Platz 19 verbessern können und platziert sich damit vor Irland (7,66) und hinter Zypern (7,72). Noch immer sind die Länder mit den größten Defiziten an wirtschaftlicher Freiheit überwiegend auf dem afrikanischen Kontinent auszumachen. Eine Ausnahme bilden lediglich das tabellenletzte Land Venezuela (3,93) und das darüber platzierte Myanmar (4,08), die gegenüber dem Vorjahr noch weiter an wirtschaftlicher Freiheit einbüßten. Lateinamerika und Südostasien sind nach Subsahara-Afrika die Weltregionen mit der geringsten wirtschaftlichen Freiheit.

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Deutschland holt wieder auf

Den Rückschlag im Länderranking des Jahres 2010 konnte Deutschland innerhalb eines Jahres wieder wettmachen. Zu verdanken ist dies einer Verbesserung des Indexwertes von 7,52 auf 7,68, Ergebnis eines spürbaren Rückgangs der staatlichen Marktregulierung und geringfügiger Freiheitsgewinne im Bereich der Staatstätigkeit sowie des Rechtssystems und der Eigentumsordnung (Abbildung 3). Die um Deutschland im Vorjahr platzierten Länder Schweden und Luxemburg haben hier nicht mithalten können. Schweden hat nur 0,05 Indexpunkte gut machen können, Luxemburg nur 0,02. Damit gehört Deutschland wieder zu den wirtschaftlich freisten Ländern Europas. Noch haben jedoch die Schweiz (Rang 4), Finnland (Rang 7), Großbritannien (Rang 12), Dänemark (14), Estland (16) und Zypern (18) die Nase vorn.

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Im Vergleich zu seinen europäischen Partnerländern (EU28) schneidet Deutschland in Bezug auf den Umfang der Staatstätigkeit, das Rechtssystem und den Schutz der Eigentumsrechte sowie die Stabilität des Währungssystems überdurchschnittlich gut ab. Nur durchschnittliche Freiheit genießt die deutsche Wirtschaft, was den internationalen Handel und die Regulierungsintensität durch den Staat betrifft (Tabelle 1). In Relation zu den in der OECD organisierten Industriestaaten steht Deutschland zwar in den Bereichen Rechtssystem und Eigentumsschutz, Geldpolitik und Freihandel vergleichsweise gut da, bei der Regulierungsintensität wird der OECD-Mittelwert allerdings nicht erreicht. Was den Umfang der Staatstätigkeit betrifft ist Deutschland nur OECD-Mittelmaß. Zwar bietet das Land in den Bereichen Rechtssystem/Eigentumsschutz der Spitzengruppe Paroli und kann sogar mit einer stabileren Währungspolitik aufwarten, jedoch wird in allen anderen Bereichen das hohe Niveau der Top 10 nicht erreicht. Im Bereich Regulierungsintensität schafft Deutschland nicht einmal das Minimum der Top 10. Noch immer leidet Deutschland unter einem stark regulierten Arbeitsmarkt und einer restriktiven Finanzmarktregulierung. Bei allen Einzelindikatoren der Regulierungsintensität liegt Deutschland unter dem Durchschnitt der Spitzengruppe.

Tabelle 2 gibt einen genaueren Überblick über die Einzelbewertungen für den Bereich Regulierungsintensität. Nach wie vor bietet Deutschland im EU-Vergleich nur unterdurchschnittlich gute Bedingungen für Investoren und Sparer. Mit Rang 89 hat sich die Situation im Bereich der Regulierung der Kreditwirtschaft gegenüber dem Vorjahr (97) zwar verbessert, trotzdem zeichnet sich das Bankwesen noch immer durch ein hohes Maß an Regulierung aus. Erfreulicherweise hat sich die Situation inzwischen auf dem Arbeitsmarkt positiv entwickelt. Hier ist es Deutschland mit einem Anstieg des Index von 5,35 auf 6,34 gelungen von Rang 112 im Vorjahr auf 84 zu springen. Gegenüber dem EU-Durchschnitt ist die Unternehmensregulierung weniger stark ausgeprägt, internationale Spitzenwerte werden hier aber noch nicht erreicht.

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Langfristige Entwicklung 1980-2010

Lückenlos lässt sich der Index der wirtschaftlichen Freiheit für 101 Länder von 2011 bis in das Jahr 1980 zurückverfolgen. Der kontinuierliche Anstieg der wirtschaftlichen Freiheit bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrzehnts endete im Zuge der als Reaktion auf die globale Finanz- und Wirtschaftskrise unternommenen staatlichen Interventionen. Seither hat sich der Indexwert kaum verändert. Auch auf Deutschland trifft dieses Entwicklungsmuster zu (Abbildung 4).

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Im globalen Mittel hat sich die wirtschaftliche Freiheit in den letzten drei Jahrzehnten bis ins Jahr 2007 stetig erhöht und danach auf einem leicht niedrigeren Niveau stabilisiert. Im Boxplot-Diagramm (Abbildung 5) fällt auf, dass sich die Maximalwerte kaum verändert haben, die Minimalwerte dagegen heute ein höheres Niveau als in den achtziger Jahren aufweisen. Auch sind hier die Schwankungen stärker ausgeprägt als bei den Spitzenwerten. Erfreulich ist der Anstieg des Medians des EFW-Index. Während die Hälfte der 101 Länder 1980 einen EFW-Index von mehr als 5,33 erreichte, schaffen 2011 fünfzig Prozent einen Index von mehr als 6,97. Dreiviertel aller Länder kommen heute auf einen Index von mehr als 6,34. Dieser Wert lag 1980 noch bei 4,50. Die Länderbewertungen sind über die Jahre zusammengerückt. Nur das unterste Quartil weist 2011 noch eine ähnlich breite Streuung der Indexwerte auf wie 1980.

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Erhöht hat sich der Grad der wirtschaftlichen Freiheit in 96 Ländern. Ein Rückgang war nur in 5 Staaten zu verzeichnen. In Abbildung 6 sind die Veränderungen des Index der fünf Länder mit dem höchsten Freiheitsgewinn den langfristigen Veränderungen in Deutschland sowie den fünf Verliererländern gegenübergestellt.

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Erfreulicherweise hat die mit der Weltwirtschaftskrise einsetzende Talfahrt der wirtschaftlichen Freiheit ein Ende gefunden. In einigen Ländern wurden die im Zuge der politischen Reaktion auf die Wirtschaftskrise vorgenommen staatlichen Interventionen teilweise zurückgenommen und Restriktionen für die Wirtschaft wieder gelockert bzw. nicht weiter verschärft. Doch der im Jahr 2007 erreichte Höchstwert des globalen Durchschnitts der wirtschaftlichen Freiheit (6,92) ist noch nicht wieder erreicht worden. Besonders ausgeprägt war der Rückgang der wirtschaftlichen Freiheit in den USA (7,73). In allen fünf Bewertungskategorien hat das Land durch zunehmende staatliche Interventionen Verluste der wirtschaftlichen Freiheit erlitten, vor allem in den Bereichen Rechtssystem und Schutz privater Eigentumsrechte, Freiheit des internationalen Handels sowie Regulierung privater Unternehmen. Betrachtet man die langfristige Entwicklung des Kettenindex, hat die USA gegenüber ihrem höchsten Gesamtindexwert im Jahr 2000 Einbußen von 8,65 auf 7,74 erlitten.

Wirtschaftliche Freiheit und Indikatoren des gesellschaftlichen Fortschritts

Wirtschaftliche Freiheit steht in einem engen positiven Zusammenhang zu wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Aber auch andere Indikatoren der Wohlstandsentwicklung und der Lebensqualität weisen eine positive Korrelation mit dem Index der wirtschaftlichen Freiheit eines Landes auf.

Menschen in wirtschaftlich freien Ländern sind deutlich besser als in unfreien Wirtschaftssystemen in der Lage die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen produktiv für ihre persönlichen Ziele einzusetzen. Das nutzt nicht nur dem einzelnen Bürger, sondern bringt alle Mitglieder der Gesellschaft voran. Die klar positive Korrelation zwischen dem Index der wirtschaftlichen Freiheit und dem nationalen Pro-Kopf-Einkommen (Abbildung 7) illustriert diesen Zusammenhang. Wo Leistung sich lohnt, Investitionen Gewinne erwarten lassen und stabile Rahmenbedingungen die Handlungen der Marktteilnehmer rechtlich absichern, da blühen wirtschaftlicher Austausch, individuelle Kreativität und technischer Fortschritt. Rechtssicherheit und Vertragsfreiheit erhöhen die Attraktivität des marktwirtschaftlichen Austauschs, was wiederum eine produktive Spezialisierung der Marktteilnehmer und einen friedlichen Leistungswettbewerb fördert. Nach wie vor ist die Einkommensschere zwischen den wirtschaftlich freien und unfreien Ländern sehr groß. Das ist ein sicherer Hinweis auf die Bedeutung der wirtschaftlichen Freiheit für eine dynamische Entwicklung der globalen Wirtschaft. Noch immer bleiben aufgrund ungünstiger institutioneller Rahmenbedingungen in vielen Ländern enorme Produktivitäts- und Entwicklungspotentiale ungenutzt. Ein Zugewinn an wirtschaftlicher Freiheit würde sich in diesen Ländern sehr schnell in realen Wachstumseffekten niederschlagen.

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Mehr wirtschaftliche Freiheit ist mit höheren Wachstumsraten des Pro-Kopf-Einkommens assoziiert (Abbildung 8). Relativ zum Vorjahr hat sich der Abstand der Wachstumsraten zwischen wirtschaftlich unfreien und freien Ländern weiter erhöht. Während in unfreien Ländern das durchschnittliche Wirtschaftswachstum die Ein-Prozent-Marke nur noch knapp überschreitet, wuchs die Wirtschaft in freien Ländern mit rund 3,7 Prozent gut 0,1 Prozentpunkte schneller als im Jahr 2010.

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Kritiker der Marktwirtschaft beklagen häufig die Ungleichverteilung der Gewinne des Wirtschaftswachstums. Vor allem reiche Eliten würden von freien Märkten profitieren, wohingegen den Armen der verdiente Anteil am Produktivitätswachstum vorenthalten wird und sie sich den ökonomischen Zwängen des Marktes unterzuordnen haben. Der Zusammenhang von wirtschaftlicher Freiheit und Einkommensverteilung zeigt jedoch, dass Wirtschaftswachstum nicht zwangsläufig zu größerer Ungleichverteilung führt. Ganz im Gegenteil, entfällt auf Menschen mit relativ geringeren Einkommen in Ländern mit der höchsten wirtschaftlichen Freiheit auch ein größerer Anteil am Volkseinkommen (Abbildung 9). Marktkritiker konzentrieren sich bei ihrer Kritik oft auch auf die relative Ungleichheit der Einkommensverteilung, schenken aber den absoluten Einkommen der Armen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Auch wenn sich der relative Einkommensanteil zwischen wirtschaftlich freien und unfreien Ländern kaum unterscheidet, verfügt die als arm klassifizierte Bevölkerung in den freiesten Ländern über ein Vielfaches des realen Wohlstands der Armen aus unfreien Ländern. Inzwischen steht den als arm klassifizierten Menschen in wirtschaftlich freien Ländern mehr als das Elffache der realen Kaufkraft von Armen aus wirtschaftlich unfreien Ländern zur Verfügung (Abbildung 10). Armut lässt sich mit einer Erhöhung der wirtschaftlichen Freiheit sehr wirksam bekämpfen. Dem zweifelhaften Anspruch auf eine Angleichung der Einkommen wird ein freies Wirtschaftssystem allerdings nicht gerecht. Zu groß ist der Zielkonflikt zwischen einer dynamischen Wirtschaftsentwicklung, die ohne freie Entfaltungsmöglichkeiten ihrer marktwirtschaftlichen Akteure nicht denkbar ist, und einer Politik der Umverteilung, die den Bürger in aller Regel starken Beschränkungen unterwirft und damit das Anreizsystem des Marktes hemmt.

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Materieller Wohlstand gilt zwar als notwendige, jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für hohe Lebensqualität. Gesundheit und Wohlbefinden, ermöglicht durch materielle Absicherung und individuelle Selbstbestimmung, gehören ebenso zu einem zufriedenen Leben. Wirtschaftliche Prosperität entlastet die Bürger von harter und gefährlicher Arbeit, stellt die nötigen Ressourcen für eine zukunftsfähige Bildung der Bürger zur Verfügung und ermöglicht eine effektive medizinische Versorgung für ein langes und erfülltes Leben. Nicht zufällig besteht ein enger Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Freiheit eines Landes und der durchschnittlichen Lebenserwartung seiner Bevölkerung (Abbildung 11).

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Wirtschaftliche Freiheit, Bürgerrechte und politische Partizipation

Wirtschaftliche Freiheit ist ohne bürgerliche Grundrechte nicht denkbar. Ein prosperierendes Wirtschaftssystem kann ohne aktive Bürger, die sich ihrer persönlichen Freiheiten und individuelle Grundrechte sicher sind, auf Dauer nicht erhalten werden. Zu wichtig sind produktive Kreativität und gegenseitiges Vertrauen für die wirtschaftliche Entwicklung. Wirtschaftsfreiheit ist aber auch ein Türöffner für eine Politik der politischen Partizipation. In der Vergangenheit gingen der politischen Demokratisierung immer wieder wirtschaftliche Reformen voraus. In wirtschaftlich freien Ländern kann ein ökonomischer Interessenausgleich zwischen den Bürgern in der Privatwirtschaft stattfinden, so dass politische Verteilungskonflikte mit geringerer Härte ausgetragen und Bürgerrechte und politischer Einflussmöglichkeiten weniger stark beschnitten werden. Daraus resultiert ein positiver Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit, politischen Rechten und Bürgerrechten (Abbildung 12).

Nimmt in demokratischen Entscheidungsprozessen der Kampf um Privilegien allerdings überhand, steht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes auf dem Spiel. Trotz des positiven Wirkungszusammenhangs zwischen wirtschaftlicher Freiheit und demokratischen Grundrechten in Politik und Privatleben ist die Demokratie allein kein Garant für wirtschaftliche Freiheit. Umgekehrt ist allerdings die wirtschaftliche Freiheit für den Erhalt einer demokratischen Grundordnung von unschätzbarem Wert. In der Geschichte waren Marktrestriktionen immer wieder Vorboten einer schleichenden Erosion politischer Rechte und bürgerlicher Freiheiten.

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Der EFW-Index in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung

Der Weg zum Verständnis der Dynamik des gesellschaftlichen Fortschritts gleicht dem Zusammensetzen eines komplizierten Puzzles aus einer Vielzahl sozialer, politischer, kultureller und natürlicher Entwicklungsfaktoren. Doch nie zuvor gab es allerdings bessere Voraussetzungen für die Analyse des institutionellen Wandels und dessen Auswirkungen auf die globale Entwicklung. Der Economic Freedom Index ist ein Baustein für die Wissenschaft, den Einfluss der institutionellen und politischen Faktoren vom Effekt der Umwelt, der Kultur und der Geschichte auf die Entwicklung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegenwart zu trennen.

Eine umfangreiche Anzahl von Forschungsergebnissen belegt, dass wirtschaftlich freie Länder mehr investieren, ein zügigeres Wirtschaftswachstum sowie ein höheres Einkommensniveau und weniger Armut aufweisen als Länder, in denen restriktive Bedingungen für die Wirtschaft herrschen. Auch gibt es klare Indizien für einen kausalen Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Freiheit und gesellschaftlichem Wohlstand. Ein kürzlich veröffentlichter Literatursurvey von Joshua C. Hall und Robert H. Lawson, der die Resultate von 198 wissenschaftlichen Aufsätzen unter Verwendung des EFW-Index auswertet, bestätigt diese Einschätzung. Gut zwei Drittel der erfassten wissenschaftlichen Arbeiten ermittelte einen positiven Zusammenhang zwischen Wirtschaftsfreiheit und wünschenswerten Entwicklungsindikatoren, wie etwa Wirtschaftswachstum, Lebensstandard und Zufriedenheit. Sowohl positive als auch negative Wirkungen wirtschaftlicher Freiheit waren das Ergebnis von 28 Prozent der betrachteten Aufsätze, wohingegen nur in vier Prozent der Arbeiten ausschließlich gesellschaftlich negativ zu bewertende Effekte des EFW-Index beschrieben wurden. Wurde der gesamte EFW-Index als unabhängige Variable verwendet, waren positive Resultate häufiger als bei einer isolierten Verwendung einzelner Teilkomponenten des EFW-Index.

Trotzdem bleiben noch eine ganze Reihe Fragen offen. Verstärkt Demokratie die wirtschaftliche Freiheit oder führt sie vielmehr im Lauf der Zeit zur Verschuldung, Abhängigkeit und einer Politik der Partikularinteressen, die wirtschaftliche Freiheit untergräbt? Welche politischen Institutionen passen am besten zu wirtschaftlicher Freiheit, Wachstum und Wohlstand? Ist wirtschaftliche Freiheit gut oder schlecht für die Umwelt? Der Economic Freedom of the World Report dürfte auch für die zukünftige Beantwortung dieser Fragestellungen ein geeigneter Ausgangspunkt sein.

Literatur:

James Gwartney, Robert Lawson, Joshua Hall: Economic Freedom of the World – 2013 Annual Report, Fraser Institute, 2013.

Joshua Hall, Robert Lawson: Economic freedom of the World: An Accounting of the Literature, Contemporary Economic Policy, 2013.

World Bank, World Development Indicators 2012.

Die vollständige englischsprachige Ausgabe des Economic Freedom of the World Report 2013 steht auf der Homepage des Economic Freedom Network zum Download bereit. Dort finden Sie auch alle früheren Ausgaben und das dazugehörige Datenmaterial sowie einen Überblick über wichtige Veröffentlichungen, die unter Verwendung des EFW-Index entstanden sind.

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