„No one spends someone else’s money as carefully as he spends his own.“ (Milton Friedman)
Was seit langem befürchtet wurde, wird nun leider wahr: Die Wirtschaftskrise kommt auf den Arbeitsmärkten an. Ein schrumpfendes BIP lässt die Arbeitslosenquoten in die Höhe schnellen. Noch wird das wahre Ausmaß der Krise auf den Arbeitsmärkten verdeckt. Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie etwa die Kurzarbeit, verhindern offiziell das Schlimmste. Der wahre Zustand auf den Arbeitsmärkten lässt sich aber nicht mehr lange verheimlichen. Kein Wunder, dass die Politik in Panik gerät. In den USA wird ein drittes Konjunkturprogramm gefordert. Explodierende Arbeitslosenzahlen werden auch hierzulande mit der Nähe zur Bundestagswahl ihre Wirkung auf die Politik entfalten. Der industriepolitische Deutschland-Plan der SPD gibt einen Vorgeschmack. Vielleicht verhindert die Angst der Bevölkerung vor den inflationären Folgen einer weiteren staatlichen Verschuldung noch Schlimmeres.
Hayek und Keynes
Schon die Diskussionen um die ersten beiden Konjunkturprogramme in Europa und den USA waren kontrovers. Die einen, wie etwa Robert Barro, Eugene Fama oder John Cochrane, bezweifeln grundsätzlich, dass solche Programme wirken. Es komme nur zu einer verlustträchtigen Umverteilung der Kaufkraft von den Privaten auf den Staat. Konjunkturprogramme glichen dem Versuch, Wasser aus dem Becken der Schwimmer in das der Nichtschwimmer zu schöpfen. An der Wasserhöhe im Schwimmbad ändere sich nichts. Die anderen, wie etwa Joseph Stiglitz, Paul Krugman oder Bradford DeLong, glauben, dass nur der Staat in Zeiten fundamentaler ökonomischer Unsicherheit die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft erhalten könne. Er müsse deshalb das Geld ausgeben, das die Privaten in Liquidität und Staatspapieren horten. Kurzfristig wirksam seien kreditfinanzierte Konjunkturprogramme deshalb nur, wenn der Staat die Ausgaben erhöhe, allerdings nicht wenn er die Steuern senke.
Die Meinungen der Ökonomen gehen auch deshalb auseinander, weil sie konjunkturelle und strukturelle Komponenten wirtschaftlicher Krise unterschiedlich gewichten. Keynes selbst hatte vor allem die fundamentale Unsicherheit der ökonomischen Entwicklung im Auge. „Animal spirit“ und Herdenverhalten der wirtschaftlichen Akteure erzeugen seiner Meinung nach erratische konjunkturelle Schwankungen. Spitze sich die wirtschaftliche Lage zu, nachdem Blasen geplatzt sind, helfe nur staatliches Gegensteuern. Hayek ging einen Schritt weiter, ihn interessierte, wie es überhaupt dazu kommt, dass sich Blasen bilden. Hauptverdächtige seien falsche relative Preise, vor allem zu niedrige Zinsen und falsche Währungsrelationen. Knappe Ressourcen würden deshalb in falsche Verwendungen gelockt. Fehlinvestitionen, ökonomische Blasen und strukturelle Verwerfungen seien unvermeidlich. Das Gegenmittel sei ein rascher struktureller Wandel, der hilft, die Exzesse der Blasen zu eliminieren.
Die Wirkung staatlicher Konjunkturprogramme ist damit sehr begrenzt. Sie machen theoretisch allenfalls Sinn, unmittelbar nachdem die Blase geplatzt ist. In dieser Phase können sie einen konjunkturellen Teufelskreis ins wirtschaftlich Bodenlose verhindern. Der Einsatz ist allerdings eine Gratwanderung. Er muss schnell, zielgerichtet und kurz sein. Auch die jüngsten Erfahrungen zeigen aufs Neue, keines der Kriterien wird erfüllt. Der Einsatz kommt zu spät, Programme werden von Interessengruppen gekapert, viele sind auf Dauer angelegt. Das gilt vor allem für Ausgabenprogramme. Damit kommt die geplante konjunkturelle Erholung der strukturellen Erneuerung in die Quere. Der Status quo wird stabilisiert, die Restrukturierung auf die lange Bank geschoben, die wirtschaftliche Entwicklung verzögert. Macht wird von dezentralem Versuch und Irrtum privater Märkte auf zentral geplante bürokratische Prozesse transferiert.
Hayek statt Keynes
Noch wirken die teilweise gigantischen Konjunkturprogramme weltweit kaum. Und doch ist die Phase der Krise schon vorbei, in der das keynesianische Moment dominierte. V-, U- und L-Varianten der wirtschaftlichen Erholung sind obsolet. Strukturelle Aspekte stehen im Vordergrund. Die X-Variante wirtschaftlicher Erholung (Robert Reich) dominiert. Notwendig ist ein Neustart. Wirtschaftlich auf die Beine kommen wir erst wieder, wenn die alten Strukturen – sektoral, regional und beruflich – überwunden sind. Dabei sind weitere konjunkturpolitische Aktivitäten keine Hilfe mehr, im Gegenteil: Sie zementieren den strukturellen Status quo und verhindern, dass die Exzesse ökonomischer Blasen möglichst schnell korrigiert werden. Das lindert zwar kurzfristig die wirtschaftlichen Schmerzen, verzögert aber die ökonomische Erholung auf lange Sicht.
Der schnellste Weg aus der Krise führt über einen zügigen strukturellen Wandel. Das ist eine Aufgabe für Spezialisten. Die Politik ist als Expeditionsleiter ungeeignet. Mit den Konjunkturprogrammen drängt sie nicht nur den dezentralen Markt zugunsten zentraler staatlicher Planung zurück. Sie betreibt auch sektorale Strukturpolitik. Dabei maßt sie sich ein Wissen über zukunftsträchtige Branchen an, das sie nicht hat. Diesem Irrtum unterliegt auch Keynes, wenn er vorschlägt, worauf Allan Meltzer hinweist, erhebliche Teile der Investitionen staatlich zu planen, um die wirtschaftliche Unsicherheit zu begrenzen. Die Erfahrung zeigt, private Unternehmer finden sich am ehesten im wirtschaftlichen „terra incognita“ zurecht. Sie sind die Trüffelschweine der Marktwirtschaft. Unternehmer spüren zukunftsträchtige Strukturen auf und gehen Risiken ein. Damit verringern sie die wirtschaftliche Unsicherheit aller Marktteilnehmer.
Ein zügiger struktureller Neustart gelingt allerdings nur, wenn man die unternehmerischen Spezialisten auch ihre Arbeit tun lässt. Privatisieren, deregulieren und entbürokratisieren würde ihnen die Aufgabe erheblich erleichtern. Eine schnellere Erholung wäre möglich. Die Rettungsmanie der Politik, die überall systemische Risiken wittert, die Absterbeordnung der Marktwirtschaft außer Kraft setzt („Steinkohle auf Rädern“), den Wettbewerb verzerrt und massenhafte Kurzarbeit einsetzt, die den sektoralen Status quo zementiert, erschwert dies. Fahrt nimmt der Strukturwandel allerdings erst auf, wenn Unternehmer für ihre Expedition in wirtschaftlich unbekanntes Gebiet auch über genügend Ressourcen verfügen. Dazu brauchen sie ausreichend qualifizierte Arbeit und genügend Kapital. Die gewachsene Eigenkapitallücke muss geschlossen, eine Kreditklemme verhindert und der Fachkräftemangel behoben werden.
Hayek und Schumpeter
Wie zügig der strukturelle Wandel, ein Prozess der schöpferischen Zerstörung, die Krise beendet, hängt auch davon ab, wie schnell Arbeit in neue, produktivere Verwendungen kommt. Die Erfahrung zeigt, dass dies um so eher der Fall ist, je offener Produkt- und Arbeitsmärkte sind. Länder, die ihre Produktmärkte weniger regulieren, haben auch offenere Arbeitsmärkte. Kein Wunder, dass die EZB in ihrem jüngsten Monatsbericht (Juli) flexiblere Produkt- und Arbeitsmärkte in Europa anmahnt. Die Ansatzpunkte haben sich trotz Krise nicht geändert, die Gesetze von Angebot und Nachfrage, gelten weiter. Der Prozess der strukturellen Reallokation erfordert flexiblere reale Löhne und anpassungsfähigere regionale, sektorale und qualifikatorische Lohnstrukturen. Das alles reicht allerdings nicht, wenn es nicht gelingt, Arbeit räumlich und beruflich mobiler zu machen.
Das „A und O“ am Arbeitsmarkt ist eine wettbewerblichere Tarifautonomie. Die immer heterogenere Struktur der Nachfrage nach Arbeit erfordert Lohnabschlüsse, die sich stärker an Betrieben und Qualifikationen orientieren. Das macht es notwendig, betriebliche Bündnisse für Arbeit zu legalisieren, notfalls auch ohne Zustimmung der kollektiven Tarifpartner. Die Löhne werden sich enger an den Verteilungsspielräumen der Betriebe orientieren. Das tut der Beschäftigung gut, lässt aber die Ungleichheit in den Betrieben und außerhalb steigen. Regionale, sektorale und qualifikatorische Lohnstrukturen werden sich stärker spreizen. Erfolgreiche Unternehmen werden mehr, Unternehmen, die ihre Zukunft schon hinter sich haben, weniger bezahlen. Das schafft Anreize für Arbeitnehmer in Bereiche und Berufe zu wandern, in denen mehr und besser bezahlt wird. Mindestlöhne sind kontraproduktiv, sie behindern den strukturellen Wandel und verlängern die wirtschaftliche Krise.
Wirklich Erfolg verspricht diese Reform der Lohn- und Tarifpolitik nur, wenn weitere institutionelle Veränderungen erfolgen. Der Kündigungsschutz, die heilige Kuh der Gewerkschaften, muss stärker auf die Ebene der Betriebe verlagert werden. Individuelle Kosten und Erträge müssen sich entsprechen. Auch in der staatlich organisierten Arbeitslosenversicherung, einem Substitut des Kündigungsschutzes, muss wieder mehr Äquivalenz einziehen. Die Versicherung muss vom operativen Geschäft getrennt, Wahltarife müssen möglich, die Finanzierung auf eine neue Basis gestellt und beide Tarifpartner zur Kasse gebeten werden. Schließlich muss die Arbeitsmarktpolitik stärker vor Ort in den Kommunen erfolgen, die Leistungen des Arbeitslosengeldes II müssen stärker den regionalen Gegebenheiten angepasst werden. Nur so bleiben die Anreize zum strukturellen Wandel erhalten.
Fazit
Der Weg aus der schweren Krise ist mühsam und beschwerlich. Die traditionelle fiskalische Medizin, die bisher eingesetzt wurde, war für den Notfall. Nun hilft sie allerdings nicht mehr, im Gegenteil. Sie verlängert wirtschaftliches Siechtum. Neue fiskalische Ausgabenprogramme sind kontraproduktiv, sie hemmen den notwendigen strukturellen Wandel. Von der Konjunktur- und Strukturpolitik des Staates ist keine Hilfe zu erwarten. Die sinnvollere Alternative, möglichst schnell aus dem Schlamassel zu kommen, sind private Märkte: „Markets fail. Use markets“ (Arnold Kling). Sie bringen den notwendigen strukturellen Wandel in Schwung, setzen brachliegende Ressourcen produktiver ein und schaffen wieder mehr Wohlstand. Das ist zwar zunächst ziemlich schmerzhaft, es ist aber der einzige sinnvolle Weg aus der Krise. Keynes war gestern, Hayek ist heute, Schumpeter wird morgen sein.
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Sie schreiben:
„war für den Notfall. Nun hilft sie allerdings nicht mehr, im Gegenteil. Sie verlängert wirtschaftliches Siechtum. “
Sie haben im Gegenteil diesen Notfall erst mit heraufbeschworen. Das Unheil fing doch mit „billigem“ Geld an und als Lösung soll „noch billigeres“ Geld helfen?
Es ging doch auch um „Häuser für solche die es sich nicht leisten können“. Sozusagen das Recht auf das eigenen Haus bezahlt mit dem Geld andere Leute….
Und das haut verblüffenderweise nicht hin?
@Friedrich
Ich spreche von traditioneller fiskalischer Medizin.
Nun stimme ich Ihnen vollends zu, außer in dem Punkt, dass dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung so schnell und effektiv geschehen wird, wie es bei Ihnen erscheint. Anschaulich wird das doch an dem langjährigen Steinkohlekumpel (SPD-Wähler, Gewerkschaftsmitglied, Verteiler staatlicher Subventionen usw.), der mit Sicherheit nur schwerlich einen anderen Beruf ergreifen kann oder gar will.
Wie also schaffen wir es also für diesen Strukturwandel auch die neuen Arbeiter zu finden, im Besonderen Ingenieure, Biowissenschaftler und andere Akademiker?
Notwendig, und allein auf lange Frist Erfolg versprechend, erscheint mir dabei nur eine massive Erhöhung der Bildungsausgaben, Bildungschancen unter Umständen gar eine „Bildungsverpflichtung“ zur Erhöhung des Humankapitals dieser und anderer Volkswirtschaften. Auslassen sollte man dabei aber auf keinen Fall diejenigen, die bereits schon eine Ausbildung hinter sich haben. Was spricht dagegen, dass ein verdienter Steinkohlekumpel nochmal studiert? Fördern und fordern ist sicher besser und menschenwürdiger als eine restlebenslange Versorgung mit HartzIV und Rethorikursen durch die Arbeitsagentur.
@Frank
Sie haben Recht, der Prozess der schöpferischen Zerstörung verläuft in der Realität alles andere als komplikationslos. Er braucht nicht nur Zeit, viele Arbeitnehmer erreichen das Ziel eines neuen Arbeitsplatzes mit anderen, oft höheren Qualifikationsanforderungen nicht. Empirische Untersuchungen zeigen, der strukturelle Wandel erfolgt zu großen Teilen über den Wandel der Generationen. Vor allem junge Arbeitnehmer, die neu in den Markt treten, verfügen über die Qualifikationen, die benötigt werden oder eigenen sie sich leichter an. Mit zunehmendem Alter sind Maßnahmen der Umschulung oft wenig wirksam. Die positiven Erfahrungen in skandinavischen Ländern zeigen allerdings, dass Erfolge durchaus möglich sind.
Der schnellere stukturelle Wandel und die höhere Nachfrage nach qualifizierter Arbeit macht es notwendig, schon relativ früh vermehrt in Humankapital zu investieren. Damit stehen Kindergärten, Schulen, Ausbildung im Beruf und die Hochschulen im Mittelpunkt. Investitionen in Humankapital sind grundsätzlich zuerst Sache der Individuen und erst in zweiter Linie des Staates. Da die Erträge dieser Investitionen hin zum Ende der Ausbildungskarriere stärker individualisierbar sind, sollte der Anteil der Eigenfinanzierung in frühen Phasen der Investionen in Humankapital eher gering, in späteren Phasen allerdings sehr viel höher sein.