Sigmar Gabriel und Andrea Nahles halten die Hartz-Reformen für grundsätzlich richtig. Das sagt der Wirtschaftsminister in einem Interview in der BamS und das formulieren beide in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung. Der Erfolg sei deutlich sichtbar. Die Arbeitslosigkeit habe sich seit Mitte der 00er Jahre um über 2 Mio. verringert. Der SPD-Vorsitzende kritisiert aber den seiner Meinung nach viel zu großen Niedriglohnsektor: „Schon damals hätten wir den Mindestlohn einführen müssen, damit dieser unfaire Niedriglohnsektor sich nicht derart ausbreitet.“
Richtig ist: Der Niedriglohnsektor treibt, seit die Agenda 2010 gegen den erbitterten Widerstand von Andrea Nahles umgesetzt wurde, das Wachstum der Beschäftigung. Es ist unbestritten, viele Arbeitsplätze für einfache Arbeit haben seither zum deutschen Beschäftigungswunder beigetragen, um das uns Europa beneidet. Der Wirtschaftsminister hat zweifellos recht: Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn schrumpft den Niedriglohnsektor. Er muss nur hoch genug sein. Mit den seit 1. Januar 2015 geltenden 8,50 Euro hat er dieses kritische Niveau erreicht, leider.
Nur: Eine solche gefühlige Politik des „gerechten“ (Mindest-)Lohnes ist Gift für die Beschäftigung. Unternehmen bieten weniger Arbeitsplätze für einfache Arbeit an. Geringqualifizierte sind die Gelackmeierten. Mindestlöhne sind eine Massenvernichtungswaffe für die in Zeiten der Globalisierung raren einfachen Arbeitsplätze. Das wird sich spätestens in der nächsten Rezession vor allem in Ostdeutschland zeigen. Die Politik wird dann wohl den französischen Weg wählen: Wieder mehr staatliche Beschäftigung und Subventionen an Arbeitgeber, die einfache Arbeit beschäftigen.
Der Basta-Politiker Gerhard Schröder war ein Glück für die Arbeitsmärkte. Mit der Agenda 2010 setzte er das richtige Signal. Das ist auch der beste Weg bei der Reform des ALG II. Niedrigere Transferentzugsraten, geringere Regelsätze und mehr kommunalen Zuständigkeiten stärken die Arbeitsanreize. Das alles ist aber für die Katz, wenn flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne massenhaft Arbeitsplätze vernichten. Von einer Weiterentwicklung der Hartz-Reformen will die GroKo allerdings nichts wissen. Sie wickelt die Agenda 2010 ab. So hat der Widerstand von Andrea Nahles gegen die Hartz-Reformen doch noch Erfolg.
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Die Agenda 2010 wird abgewickelt“