„Der Makler fährt in einem bonzenhaften Geländewagen à la Moskau Inkasso vor, mustert gleichgültig Dutzende Interessenten, die sich im Treppenhaus stauen, weiß nichts über das Objekt zu sagen, außer dass der Vermieter ganz sicher nicht selber für allfällige Reparaturen aufkommen wird. Am Ende wählt er dann einen aus, der bereit ist, die geforderte Fantasiemiete für eine unsanierte Wohnung Marke Nachkriegsbau zu zahlen.“ So war es in einem Kommentar der Süddeutschen Zeitung vom 25. Februar 2015 zu lesen, der sich auf die damaligen Beschlüsse des Koalitionsausschusses von CDU und SPD bezog. Der Autor war fest davon überzeugt, dass solchen Missständen nur mit gesetzgeberischen Maßnahmen beizukommen sei, und er wusste auch wie: „Die Mietpreisbremse … ist die richtige Konsequenz.“ Am 5. März 2015 hat der deutsche Bundestag das Gesetz zur Mietpreisbremse beschlossen.
Die in dem zitierten Zeitungskommentar vertretene Position ist keine Einzelmeinung, sondern in der öffentlichen Diskussion weitverbreitet. Dabei bleibt regelmäßig unklar, wie denn eine gesetzlich festgelegte Preisobergrenze Warteschlangen kürzer machen kann. Zu einem niedrigen Preis wird die Zahl der Nachfrager doch aller Erfahrung nach steigen, und die Schlange wird länger werden. Darüber hinaus wird die Preisobergrenze die Investitionsanreize beeinträchtigen, wodurch auf längere Sicht die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage noch weiter vergrößert wird. All dies ist so offenkundig, dass darauf nicht näher eingegangen werden soll. Stattdessen möchte ich zur allgemeinen Erbauung einige Urlaubsfotos aus dem Januar 2015 zeigen.
Das erste Foto dient der Orientierung. Wer schon einmal dort war, wird den „Rossio“ mit seiner wunderbaren Pflasterung wiedererkennen und kann daraus schließen, dass die Reise nach Lissabon ging.
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Gleich hinter dem rechten Bildrand liegt der „Platz des Feigenbaums“, der in manchen Reiseführern als der schönste Platz der Stadt bezeichnet wird.
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Haben Sie das Grünzeug auf dem Dach bemerkt? Sicher kein gewolltes Gründach, sondern wohl eher ein Zeichen der Verwahrlosung.
Besonders gerühmt wird Lissabon wegen der wunderschön gekachelten Häuserfassaden. Wenn es so weitergeht, wohl nicht mehr lange.
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Wie konnte es so weit kommen: Im Jahr 1947 verfügte der damalige Diktator António de Oliveira Salazar einen Mietpreisstopp für die Städte Lissabon und Porto, der bis ins Jahr 1981 hinein galt. Infolge der Inflation sanken die realen Mietpreise derart drastisch, dass zu der Zeit für manche Wohnungen umgerechnet gerade einmal fünf Euro Miete pro Monat gezahlt werden mussten. Darüber hinaus liefen manche Mietverträge bis in alle Ewigkeit, selbst über den Tod des Mieters hinaus.
Ab dem Jahr 1981 durften die Mieten erhöht werden, allerdings nur nach Maßgabe der allgemeinen Inflationsrate. Zusätzlich wurde es Vermietern ab dem Jahr 1990 ermöglicht, bei Neuvermietungen zeitlich begrenzte Mietverträge abzuschließen. Aber natürlich war es nach wie vor nicht gestattet, Wohnungen räumen zu lassen, wenn Mieter ihre Mietzahlungen vollständig verweigerten. Im Jahr 2001 lag die durchschnittliche Monatsmiete für Wohnungen in Lissabon bei 118 Euro, in der zentral gelegenen Stadtgemeinde „Castelo“ sogar bei nur 54 Euro.
Ab dem Jahr 2006 wurde es Hausbesitzern ermöglicht, die Mieten schrittweise an das Marktniveau anzupassen – allerdings nur, wenn die Gebäude in gutem Zustand waren und die örtlichen Behörden zustimmten. Diese Zustimmung wurde äußerst restriktiv gehandhabt. Erst im Jahr 2011 wurden die Mietpreisregulierungen in Portugal unter dem Druck der „Troika“ weitgehend eliminiert.
Mittlerweile sieht man in Lissabon eine beachtliche Zahl von Baukränen, was darauf hindeutet, dass die Liberalisierungsmaßnahmen von 2011 allmählich Wirkung zeigen. Doch immer noch stehen in Lissabon schätzungsweise 30.000 Wohnungen leer, und etwa 20 Häuser stürzen jährlich ein. Und zwar nicht nur in den Außenbezirken, sondern auch und gerade im historischen Stadtzentrum wie in der Prachtstraße „Avenida da Liberdade.“
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Merke: Auch unsere Wohnungspolitiker sollten sich dann und wann eine Reise gönnen. Denn Reisen bildet.
Oder sie sollten einmal wieder etwas lesen. Zum Beispiel den Essay „Roofs or Ceilings?“ von Milton Friedman und George J. Stigler aus dem Jahr 1946. Dort (S. 21) heißt es: “Rent ceilings cause haphazard and arbitrary allocation of space, inefficient use of space, retardation of new construction and indefinite continuance of rent ceilings, or subsidization of new construction and a future depression in residential building.“
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Was zudem vollkommen außer Sicht gerät: Die sich dramatisch verschärfenden Anreize, mittels Barzahlung („Abstandszahlung“) finanziell Minderbemittelte aus dem Rennen um die mietpreisgebremsten Immobilien zu schlagen. Der Vermieter freut sich über ein paar steuerfreie Tausender, die intendierten Adressaten der Preisbremse gehen leer aus. Der Gesetzgeber drängt die Akteure geradezu in rechtliche Grauzonen.