In die Eurozone will Normalität einfach nicht einkehren.
- Zwar ist die Wirtschaft auf einen moderaten Wachstumspfad eingeschwenkt, und die von Rezession geplagten Euroländer Südeuropas befinden sich ebenfalls auf Erholungskurs. Die Konjunkturaussichten für das laufende Jahr sind günstig und dort, wo die Arbeitslosigkeit und insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit sehr hoch ist (Griechenland, Spanien) mehren sich die Anzeichen einer leichten Besserung.
- Aber: Es ist beklemmend, dass ein einziges Euroland – Griechenland -, zumal eines mit einer vergleichsweise geringen Wirtschaftsleistung (anteilig zwei Prozent) seit nun schon fünf Jahren am Rande der Staatsinsolvenz verharrt und die europäischen Entscheidungsträger (Euro-Gruppe, Ecofin-Rat, Europäischer Rat der Staats- und Regierungschefs, EZB-Rat) in einen permanenten Krisenmodus versetzt. Die neue, aus den Parlamentswahlen im Januar hervorgegangene Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras, Chef der linksradikalen Syriza-Partei, setzt jetzt noch einen drauf, indem er die Vereinbarungen der Vorgängerregierungen mit ausländischen Kreditgebern (EFSF, IWF, EZB) in Sachen Haushaltskonsolidierung und Strukturreformen für obsolet erklärt.
Obwohl gegenwärtig Griechenland alle Aufmerksamkeit der europäischen Entscheidungsträger und der Medien auf sich zieht, sollten in diesem Zusammenhang die jüngsten innenpolitischen Entwicklungen in Spanien nicht aus dem Auge verloren gehen. Dort greift eine der Syriza-Partei ideologisch verbundene Bewegung – genannt Podemos („Wir schaffen das“) um sich und hofft auf Rückenwind aus Tsipras-Griechenland. Auf die Eurozone könnten neue, unerwünschte Konflikte zukommen.
Das Syriza-Motto: Konfrontation statt Kooperation
Welches ist das Grundproblem mit Griechenland? In breiten Kreisen der griechischen Politik und Gesellschaft wollte man in der Vergangenheit und will man heute nicht verstehen, dass ein Club von souveränen Staaten, wie ihn die Europäische Währungsunion darstellt, nur funktionieren kann, wenn alle Mitgliedsländer die Spielregeln befolgen, so wie diese im Maastricht-Vertrag und – eine juristische Ebene darunter - in verschiedenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen festgelegt worden sind. Die jeweiligen griechischen Regierungen haben stets zugestimmt.
- Zu den ordnungspolitischen Grundregeln in der Währungsunion zählen das Gebot der Haushaltsdisziplin bei der öffentlichen Hand und die Verpflichtung zu einer nationalen Wirtschaftspolitik, die marktwirtschaftlich fundiert ist und im Einklang mit den Zielen der Gemeinschaft steht. Will heißen: Jede Regierung ist frei, ihre wirtschaftspolitischen Anliegen selbst zu bestimmen und umzusetzen. Für etwaige Fehlentwicklungen muss sie selber geradestehen, eine Externalisierung von selbstverursachten Kosten darf sie nicht ins Kalkül nehmen (Prinzip der Eigenverantwortung).
- Mit Griechenland ist das alles in Unordnung geraten. Das Land erhält seit 2010 milliardenschwere finanzielle Haushaltshilfen von den Partnerstaaten, trotz des im Maastricht-Vertrag verankerten Beistandsverbots (No bail-out clause); und die Europäische Zentralbank versorgt die griechischen Banken großzügig mit Liquidität im Rahmen des Notkreditprogramms (Emergency Liquidity Assistance), obwohl dies eigentlich nur bei gesicherter Zahlungsfähigkeit des Staates zulässig ist, was im Falle Griechenlands ja gerade nicht zutrifft. Von politischer Seite, die Bundesregierung eingeschlossen, wurden die europarechtlichen Verstöße damit begründet, dass „Zeit gekauft werden solle“, um die für die Sanierung des Landes notwendigen Reformmaßnahmen umzusetzen und im erwarteten Sinne wirksam werden zu lassen. Die Erfahrung lehrt indes, dass in Griechenland die Zeit eben nicht entschlossen genutzt wurde. Wichtige Strukturreformen wurden gar nicht erst konzipiert, zahlreiche versprochene Reformvorhaben wurden nur halbherzig angepackt.
Die neue Regierung beklagt, die Rettungsprogramme hätten das Land ins Elend getrieben und die Würde des Volkes verletzt. Deshalb soll damit Schluss sein, wie auch mit den Kontrollen durch die auswärtigen Kreditgeber (Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF). Außerdem fordern Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis einen erneuten Schuldenschnitt (es wäre der dritte seit 2012), obwohl die aktuelle Schuldenlast gar nicht so drückend ist wie sie behaupten, weil die Rückzahlungsfristen für die erhaltene Darlehen inzwischen großzügig bemessen sind und der Zinssatz sehr niedrig ist. Andere Euroländer, die sich am Kapitalmarkt finanzieren (können), haben einen höheren Schuldendienst zu leisten.
Die neuen griechischen Amtsinhaber erklären nicht, wieso andere Krisenländer des Euroraums (Irland, Portugal, Spanien) und außerhalb (Island) ordentliche Ergebnisse gerade dank jener Konsolidierungs- und Reformpolitik erzielt haben, die sie lauthals verdammen. Sie bleiben auch die Antwort auf die so wichtige Frage schuldig, wie das Wachstumspotential der griechischen Wirtschaft gehoben und die Schaffung neuer, rentabler Arbeitsplätze verstärkt werden können, wenn ihnen nur danach ist, (i) soziale Wohltaten zu verteilen und mit einem Geld zu finanzieren, das sie nicht haben, (ii) entlassene öffentliche Bedienstete wieder einzustellen, auch wenn sie nicht wirklich gebraucht werden, sowie (iii) weitere Strukturreformen sein zu lassen und mit Privatisierungen aufzuhören, obwohl alle Fachleute (auch griechische mit Ausnahme der Syriza-Anhänger) dies für unerlässlich halten, um das Land endgültig aus der Krise herauszuführen. Unklar ist zudem, wie das Land das Vertrauen der internationalen Investoren (Anleger, Unternehmen) zurückgewinnen soll, wenn es sich politisch als ein unzuverlässiger Schuldner gebärdet.
Die Tsipras-Regierung wird für ihr weiteres Auftreten gegenüber der Eurogruppe vermutlich zwischen drei Optionen abwägen:
- Erstens, einlenken! Damit würde allerdings ein zentrales Wahlversprechen – keine Auslandshilfe unter Auflagen – gebrochen. Ob das in der in Griechenland emotional aufgeheizten Stimmung, die Tsipras selbst erzeugt hat, überhaupt möglich ist, weiß niemand. Die Wahrscheinlichkeit liegt nach meinem Dafürhalten bei höchstens 10 Prozent.
- Zweitens, erpressen! Die Regierung kann den Europartnern am stärksten damit drohen, dass das Land den Euroraum verlässt. Noch tut sie es nicht, sondern begnügt sich mit einer aggressiven Rhetorik gegenüber der Bundesregierung (und der Regierungen von Spanien und Portugal, die auf Vertragstreue pochen). Vertrauensbildung sieht anders aus. Noch will in Europa kein maßgeblicher Politiker davon reden hören, nicht nur weil die Mitgliedschaft von Rechts wegen unwiderruflich ist (das wäre zu heilen nach dem Motto „Wo kein Kläger, kein Richter“), sondern weil bei einem „Grexit“ die bislang gewährten Bürgschaften, anders als der Bevölkerung vorgegaukelt, doch haushaltswirksam werden, also sich als echte Schulden und Belastungen für die Steuerzahler erweisen. Die Bundestagsabgeordneten, die bislang die Griechenlandhilfen auf Druck des Bundesfinanzministers mehrheitlich durchgewinkt haben – eine ernsthafte Sachdebatte wurde im Deutschen Bundestag nie geführt die Warnung durch sachkundige Ökonomen stets ignoriert -, wären in ihren Wahlkreisen dem Zorn der Bürger ausgeliefert und müssten um die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur bei künftigen Wahlen bangen. Wer will das schon? Aus Eigeninteresse ist es attraktiver, einen sanften Kurs gegenüber Tsipras und Varoufakis zu fahren und deren Reformversprechen für bare Münze zu nehmen, wohlwissend, wie wenig davon rüberkommen wird. Sprachregelungen, die das Ganze gegenüber der heimischen Öffentlichkeit kaschieren, werden sich finden lassen (wie bisher). Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker ist bereits eingeknickt, der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz steht allem Anschein nach kurz davor, nachdem er sich anfangs noch unnachgiebig gegeben hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Erpressungsversuch erfolgreich ist, schätze ich auf mindestens 70 Prozent.
- Drittens, einen Offenbarungseid leisten! Die Regierung könnte einseitig die Zahlungsunfähigkeit des Landes erklären und den Schuldendienst verweigern, ganz nach dem Beispiel einiger südamerikanischer Staaten, zuletzt Argentiniens. Den hohen Preis, dass dem Land auf unbestimmte Zeit der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten versperrt bliebe, würde in Kauf genommen. Hilfen durch andere Staaten (Russland, China) ließen sich womöglich mobilisieren. Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario: 20 Prozent.
Wenn Griechenland meint, die Spielregeln des Euroraums seien zu streng, wäre die sauberste Lösung die des Ausstiegs.
- Dies stand bereits beim Ausbruch der Schuldenkrise in Griechenland um die Jahreswende 2009/10 zur Debatte. Aber die Politik (Merkel, Sarkozy, Barroso) beharrte darauf, Griechenland in der Eurozone zu halten (nach der Devise: „Wir lassen kein Land fallen, koste es, was es wolle“) und nahm die von angesehenen Ökonomen präsentierten Ausstiegsmodellierungen einfach nicht zur Kenntnis. Die Erwartung war (und ist?), dass die jeweilige Bevölkerung nicht merken würde, dass sie von der Politik hinters Licht geführt wird, wenn es regierungsamtlich heißt, es würden doch nur Bürgschaften für die Kredite an Griechenland gegeben und das sei nicht haushaltswirksam und würde somit auch nicht den Steuerzahler belasten. Ein Politikversagen, wie es im Lehrbuch steht!
- Ein Ausstieg heute hätte für Griechenland spürbare Kosten: die gesamtwirtschaftliche Produktion würde wohl erneut einbrechen, die Arbeitslosigkeit wieder kräftig steigen und die Inflation spürbar anziehen. Aber auf mittlere Sicht gäbe es die begründete Perspektive für eine Sanierung, weil der Weg dorthin durch eine autonome Geld- und Währungspolitik geebnet werden könnte.
- Für die Eurozone dürfte ein „Grexit“ verkraftbar sein, zumal deutsche, französische und anderer Euroländer Banken kaum noch nennenswerte Außenstände in dem Land haben (anders als 2010). Die Eurozone könnte sogar gestärkt werden. Denn andere Mitgliedsländer hätten nun einen stärkeren Anreiz, ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik eurokonform zu gestalten und sich damit die Zugehörigkeit zum gemeinsamen Währungsraum zu sichern.
Von Syriza zu Podemos in Spanien
Griechenland sollte nicht als ein Sonderfall gesehen werden. Was heute dort abläuft, könnte lange Schatten auf Spanien werfen. In Spanien gerät gerade das etablierte Parteiengefüge durcheinander. Mit Podemos greift eine dem populistischen Linksextremismus Syrizas in nichts nachstehende Bewegung nach der Macht. Der charismatische Führer, Pablo Iglesias, ein junger Professor der Politischen Wissenschaften an der größten Universität von Madrid (Complutense) hat dort mehrere Gleichgesinnte um sich geschart , die Jahre lang diskutiert haben, wie das Land wirtschaftlich, institutionell und gesellschaftlich umgekrempelt und mit einer neuen Verfassung und Staatsordnung versehen werden kann. In der Öffentlichkeit blieb dieses akademische Treiben unbeachtet – bis ein wichtiger privater Fernsehsender (La Sexta) den Anführer entdeckte und zu einem Medienstar aufbaute. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im vergangenen Jahr erlangt diese Partei auf Anhieb sieben Sitze – ohne ein Wahlprogramm gehabt und einen Wahlkampf geführt zu haben (die Gewählten haben sich in die kommunistische Fraktion eingebracht). In den aktuellen Umfragen für die allgemeinen Parlamentswahlen in Spanien Ende dieses oder Anfang nächstens Jahres steht Podemos bereits als zweitstärkste Kraft da (nur knapp hinter der regierenden konservativen Volkspartei PP, die deutlich unter die absolute Mehrheit, die sie im Parlament noch hat, abgerutscht ist). In den bevorstehenden Regionalwahlen und den landesweiten Kommunalwahlen werden dieser Partei gute Chancen eingeräumt, erstmals in die Parlamente einzuziehen und gegebenenfalls in Koalitionsregierungen (mit der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE und der Vereinigten Linkspartei IU) einzutreten. Das Gleiche könnte auf nationaler Ebene passieren.
Was sich in Spanien zusammenbraut ist gefährlicher als das, was wir derzeit mit Griechenland erleben.
- Iglesias ist bekennender Marxist (dagegen ist Tsipras harmlos) und ein Bewunderer des verstorbenen venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez, dessen sozialistische (bolivarianische) Revolution er nach Spanien übertragen und von dort ins übrige Europa transportieren will (woran Tsipras überhaupt nicht denkt). Es ficht Iglesias überhaupt nicht an, dass Venezuela trotz seines Ölreichtums unter Chávez und dessen Nachfolger Nicolás Maduro im Chaos versinkt: galoppierende Inflation, hohe Arbeitslosigkeit, enorme Engpässe bei der Lebensmittelversorgung. Dass die Ursachen hierfür in der ungebremsten Expansion der öffentlichen Ausgaben, dem überbordenden staatlichen Interventionismus auf den Märkten, den öffentlichen Anfeindungen des privaten Unternehmertums und in der fortschreitenden Einschränkung der privaten Eigentumsrechte, auch die ausländischer Investoren, liegen, lässt Iglesias und die Seinen kalt. Sie halten von freier Marktwirtschaft nichts, von staatlicher Planwirtschaft um so mehr. Ein großer staatlicher Sektor samt verstaatlichter Schlüsselindustrien und Banken ist für diese Politiker ein Muss.
- In der Podemos-Partei fühlen sich zum einen die vielen Wutbürger wohl, die sich als Opfer des harten Krisenmanagements der Rajoy-Regierung mit zahlreichen Einschnitten in liebgewonnene Besitzstände fühlen (was häufig gar nicht zutrifft) und es der neuen Partei abnehmen, dass mit ihr alles wieder besser wird. Dazu schürt Podemos geschickt den Sozialneid: versprochen wird u.a. nicht nur eine Reichensteuer und die staatliche Beschlagnahme leer stehender Privatwohnungen zwecks Unterbringungen von bedürftigen Wohnungssuchenden, sondern auch ein garantiertes Mindesteinkommen für jedermann und die gesetzliche Festlegung eines Höchsteinkommens. Podemos wirbt überdies damit, im Falle einer Regierungsbeteiligung die Haushaltskonsolidierung zu beenden und die Abschaffung der europäischen Rettungsprogramme betreiben zu wollen. Zum anderen erhält diese Partei Unterstützung von vielen normalen Bürgern aller Altersklassen, die des langjährigen Klientelismus der beiden großen Parteien und der zahllosen Korruptions- und Steuerhinterziehungsskandale im Lande überdrüssig sind. Diese Bürger lassen sich gerne von den Podemos-Parolen einer reinigenden Systemveränderung verführen, ohne das angestrebte Neue genau erklärt zu bekommen. Niemand stört sich daran, dass das Wirtschaftsprogramm von Podemos schwammig ist, viele Widersprüche enthält und keine seriösen Finanzierungen von Ausgabenprogrammen enthält. Der repressive Charakter der politischen Agenda, ganz nach dem Vorbild der autoritären Regierungsform in Venezuela, bereitet den Anhängern von Podemos keine Sorgen, was schon erstaunlich ist; offenbar ist bei diesen Menschen das Grundverständnis für die demokratischen Grundfreiheiten und den Rechtsstaat nicht besonders ausgeprägt und die Sicherung der Menschenrechte nicht ein Herzensanliegen.
Käme die Podemos-Partei an die Macht, würde sich sofort eine große Unsicherheit unter den Marktteilnehmern ausbreiten, was wie eine Steuer auf die wirtschaftliche Aktivität wirkt. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die unternehmerischen Investitionen würden sich bestimmt nachhaltig verschlechtern. Eine große Kapitalflucht wäre programmiert. Die Finanzlage des Staates würde erneut untragbar werden, weil mit einem deutlichen Anstieg der Neuverschuldung zu rechnen wäre und damit umfangreich unproduktive Ausgaben finanziert würden. Spaniens Wirtschaft würde abstürzen.
Die Eurozone wäre großen Spannungen ausgesetzt. Denn bei Spanien handelt es sich um die derzeit viertgrößte Volkswirtschaft des Euroraums (anteilig fast 11 Prozent des euroweiten Bruttoinlandsprodukts), die intensive Handels-, Investitions- und Finanzverflechtungen mit den europäischen Partnerländern aufweist. Das verschafft einer eventuellen Podemos-Regierung ein großes Erpressungspotential: zum einen gegenüber den anderen Regierungen und der Europäischen Kommission, zwecks Aufweichung der Verschuldungsregeln des Europäischen Fiskalpaktes; zum anderen gegenüber der Europäischen Zentralbank, damit die ultra-expansive Geldpolitik auf unbestimmte Zeit und ohne Rücksicht auf die allgemeine Preisentwicklung im Euro-Raum fortgesetzt wird und das gerade in Gang gekommene Programm der Anleihekäufe als Schutzschild gegen steigende Risikoprämien am Kapitalmarkt voll zur Wirkung kommt. Über die Tilgung der 2012/13 im Zuge der Bankensanierung erhaltenen Kredite aus der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität EFSF (41 Milliarden Euro) will Podemos ohnehin neu verhandeln mit dem Ziel eines Schuldenschnitts. Wenn die europäischen Regierungen nachgäben, würden sie den euroskeptischen Parteien in anderen Euroländern (u.a. FN in Frankreich, AfD hierzulande) Auftrieb geben. Wenn sie hart blieben, müssten sie das Risiko eines „Hispaexit“ eingehen, was die Währungsunion vor eine Zerreißprobe brächte – mit unkalkulierbaren ökonomischen und politischen Folgen für alle Euroländer.
All dies macht die derzeitige Behandlung des Problemfalles Griechenland so wichtig. Wenn sich Tsipras mit seiner Erpressungsstrategie durchsetzt, würde das in Spaniern die Podemos-Partei beflügeln. Es wäre erwiesen, dass man in Europa mit Chuzpe viel erreichen kann. Wenn aber der griechische Ministerpräsident letztlich doch einlenkt und akzeptiert, dass ohne eine entschlossene Haushaltskonsolidierung und ernsthafte Strukturreformen keine stabilen Perspektiven für mehr Wachstum und Beschäftigung im Lande entstehen können, und wenn daraufhin die Syriza-Wähler ihre Enttäuschung öffentlich demonstrieren, wäre die Signalwirkung in Spanien eine andere, eine positive: dass nämlich auch ein noch so linker Radikalismus und Populismus an den Realitäten nicht vorbeikommt. Dies könnte spanischen Bürgern, die jetzt noch von Podemos illusioniert sind, die Augen öffnen und dazu bewegen, bei Wahlen ihre Stimme einer der verfassungstreuen politischen Parteien im Lande (es gibt derer mehrere) zu geben. Aus Spanien hätte die Eurozone dann, aber nur dann, keine Störungen zu befürchten.
Blog-Beiträge zum Griechenland-Poker:
Norbert Berthold: Briefe in die griechische Vergangenheit. Giannis Varoufakis: Abgezockt oder unfähig?
Wolf Schäfer: Mit „Gewissheit“ im Euro. Das strategische Spiel der Griechen
Norbert Berthold: Immer Ärger mit Griechenland. Ein Pyrrhus-Sieg der “Institutionen“?
Dieter Smeets: Nach der Rettung ist vor der Rettung. Griechenland und kein (Rettungs-)Ende!
Roland Vaubel: Schäubles Scherbenhaufen
Norbert Berthold: Trojanisches Pferd. Der Brief des Giannis Varoufakis
Uwe Vollmer: Scheidung auf griechisch. Wie realistisch ist der “Grexit“?
Norbert Berthold: Was erlauben Griechenland? Schwach wie Flasche leer
Dieter Smeets: Poker um Griechenland
Norbert Berthold: Sie kamen, sahen und verloren. Haben sich Alexis Tsipras und Giannis Varoufakis verzockt?
Thomas Apolte: Hexenmeister und Reformer. Was Varoufakis von Balcerowicz lernen kann.
- Das Brexit-Theater, wie lange noch? - 23. Januar 2019
- Ordnungspolitischer Kommentar
Europäische Bankenunion
Strikte Eigenverantwortung unabdingbar - 12. Juli 2018 - Zum geplanten Referendum in Katalonien
Verfassungswidrig, undemokratisch, populistisch - 26. September 2017
12 Antworten auf „Griechenland (12)
Griechische Manöver in der Eurozone
Droht aus Spanien ähnliches Ungemach?“