Ein Weg aus der Krise
Warum die Tarifpartner blockieren

So ernst war die wirtschaftliche Lage schon lange nicht mehr. Der ersten Wellen des finanziellen Tsunami erreichen überall die reale Wirtschaft. Banken misstrauen einander, der Interbanken-Handel ist quasi tot, eine Kreditklemme droht. Das Konsumklima verschlechtert sich von Tag zu Tag. Die Konsumenten verlieren das Vertrauen in eine positive künftige wirtschaftliche Entwicklung. Der Einbruch von Investitionen und Konsum auf breiter Front ist nur noch eine Frage der Zeit. Die ersten Ausläufer haben eine der wichtigsten Branchen hierzulande, die Automobilindustrie und ihre vielen Zulieferer, schon erreicht. Deren Absatz ist eingebrochen. Alle großen deutschen  Hersteller halten die Bänder an und stoppen die Produktion zumindest zeitweilig.

Gegenwärtiger Arbeitskampf

Den Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie droht neben der Absatzflaute weiteres wirtschaftliches Ungemach. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften sind mit 8 % alles andere als bescheiden. Eine moderate Lohnpolitik hat in den letzten Jahren dem weltwirtschaftlich getriebenen Aufschwung weiteren Schub verliehen. Die Gewinne der Unternehmen in der Metall- und Elektroindustrie sind kräftig gestiegen, wenn auch von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die Unternehmen haben massenhaft neue Arbeitsplätze geschaffen. Allerdings haben die „alten“ Arbeitsplatzbesitzer davon weniger profitiert. Ihre Einkommen sind nur mäßig gestiegen, auch deshalb weil die Belastung mit Steuern und Abgaben weiter zugenommen hat. Kein Wunder, dass sie nun ein kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen wollen.

Die Unternehmen werden von zwei Seiten in den Schwitzkasten genommen. Finanzkrise und weltweiter konjunktureller Abschwung setzen ihnen auf der Absatzseite stark zu. Eine aggressive Lohnpolitik bereitet ihnen neben einer Kreditklemme auf der Kostenseite zusätzliche erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Beides tut den Arbeitsplätzen in der Metall- und Elektroindustrie nicht gut, ein schmerzhafter Verlust ist vorprogrammiert. Das wissen auch die Gewerkschaften. Der Vorsitzende der IG Metall hat auch schon signalisiert, dass zumindest eine Vier vor dem Komma stehen müsse. Eine längere Laufzeit der Tarifverträge wird die effektive Lohnsteigerungen faktisch weiter nach unten korrigieren. Auch in diesem Fall gilt: Tarifforderungen sind noch keine Tarifabschlüsse. Es ist allerdings bizarr, dass Unternehmen ihre Arbeitnehmer massenhaft in Zwangsurlaub schicken und die IG Metall unbefristet streiken will.

Sinnvolle Gewinnbeteiligung

Die lohnpolitischen Blütenträume werden nicht reifen, lohnpolitische Enttäuschungen sind unvermeidlich. Halten die Gewerkschaften allerdings an den Lohnforderungen fest, müssen die Arbeitnehmer einen hohen Preis bezahlen, eine stark steigende Arbeitslosigkeit. Dagegen gibt es allerdings ein probates Mittel: eine stärkere Gewinnbeteiligung. Wären die Tarifpartner bereit, die Arbeitnehmer vermehrt an den Gewinnen der Unternehmen zu beteiligen, würden deren Einkommen mit der Konjunktur atmen. Die Angst der Gewerkschaften, von den Arbeitgeberverbänden über den Tisch gezogen zu werden, wäre unbegründet. Löhne würden flexibler, die beschäftigungspolitischen Risiken und Nebenwirkungen der gegenwärtigen Fixlohn-Politik gingen drastisch zurück. Da Arbeitnehmer, die am Gewinn beteiligt werden, produktiver sind, erzielen sie auch höhere reale Einkommen.

Werden Arbeitnehmer an den Gewinnen ihrer Unternehmen beteiligt, lässt sich auch noch ein anderes Problem lösen. Weltweit offenere Märkte differenzieren seit längerem nicht nur stärker nach Branchen, auch die Unternehmen in den einzelnen Branchen entwickeln sich weit unterschiedlicher als in früheren Zeiten. Werden sie wie bei Flächentarifen – trotz Pforzheim - lohn- und tarifpolitisch zu stark über einen Kamm geschoren, sind unerwünschte beschäftigungspolitische Nebenwirkungen unvermeidlich. Eine stärkere Gewinnbeteiligung orientiert sich demgegenüber mehr an der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der einzelnen Unternehmen. Damit wird der größer gewordenen Heterogenität der Unternehmen besser Rechnung getragen. Arbeitsplätze werden sicherer, allerdings unterscheiden sich die Löhne für gleiche Arbeit zwischen den einzelnen Unternehmen stärker.

Paradoxon der Gewinnbeteiligung

Ein Blick in die Realität zeigt nun aber, weit verbreitet sind Formen der Gewinnbeteiligung von Arbeitnehmern nicht. Überall dort, wo sie international stärker Fuß gefasst haben, hat der Staat mehr oder weniger stark nachgeholfen. In Großbritannien sind es etwa steuerliche Anreize, in Frankreich staatlicher Zwang für Großunternehmen. Es gibt offensichtlich Barrieren, die einer weiteren Verbreitung von Gewinnbeteiligungen der Arbeitnehmer entgegen stehen. Ein erster Grund besteht darin, dass die positiven Wirkungen auf die Beschäftigung nur eintreten, wenn in einer stationären Wirtschaft neben den Grenzkosten der Arbeit auch die erwartete Gesamtentlohnung pro Arbeitnehmer sinkt. Ist dies nicht der Fall, scheitern Gewinnbeteiligungen am Widerstand der Unternehmen.

Der Widerstand entzündet sich aber auch daran, dass Gewerkschaften risikoscheu sind. Sie wägen ab zwischen einem Anstieg der Beschäftigung und einer volatileren Entlohnung. Dabei gewichten sehr risikoscheue Gewerkschaften die negativ eingeschätzte Volatilität stärker als den positiv bewerteten Beschäftigungsanstieg. Sie ziehen eine fixe Entlohnung einer Gewinnbeteiligung vor. Und noch etwas bremst die Pläne der Gewinnbeteiligung. Die Gewerkschaften müssen bereit sein, Lohn gegen Beschäftigung zu tauschen. Sie müssen also ein Beschäftigungsziel verfolgen. Das ist zumindest für gut abgesicherte Arbeitsplatzbesitzer umstritten, zumindest in normalen wirtschaftlichen Zeiten. Diese Gruppe von Arbeitnehmern bestimmt aber den Kurs der Gewerkschaften.

Fazit

Der mangelnde Verbreitungsgrad von Gewinnbeteiligungen hat auch noch einen handfesten, verbandspolitischen Grund. In einer Privatrechtsgesellschaft liegen die Eigentumsrechte der Gewinnverwendung bei den einzelnen Unternehmen. Damit sind aber freiwillige Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene unabdingbar. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften wehren sich mit Händen und Füssen dagegen, Lohn- und Tarifverhandlungen von der sektoralen auf die betriebliche Ebene zu verlagern. Der konzertierte Widerstand gegen betriebliche Bündnisse für Arbeit ist legendär. Damit scheitern Pläne der Gewinnbeteiligung auch, weil den Tarifpartnern der Verlust an organisatorischer Macht droht. Es wird eine sehr seltene Chance vertan, dass sich alle Beteiligten besser stellen und realwirtschaftlichen Tsunamis erfolgreich trotzen können.

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