Auf allen Kanälen wird in diesen Tagen über die Chancen und Lasten der Flüchtlingszuwanderung spekuliert. Vieles wird davon abhängen, ob wir ein offensives und schlüssiges Integrationskonzept entwickeln oder nur die verfehlte Integrationspolitik alter Zeiten wiederholen. Hierzu ein paar Fakten: Erstens brachte die erste Zuwanderungswelle der Nachkriegszeit in den 1950er Jahren rund 6 Mio. Menschen in die neu gegründete Bundesrepublik. Der damals flexible Arbeitsmarkt schaffte es, in derselben Zeit die Zahl der Arbeitslosen von rund 2 Mio. auf unter 100 Tsd. zu reduzieren. Zweitens führte die erste Zuwanderungswelle deutschstämmiger Osteuropäer praktisch zu einer vollständigen Integration. Spätestens deren Kinder sprachen akzentfrei Deutsch und fühlten sich als Teil unserer Gesellschaft. Drittens funktionierte dies in späteren Wellen immer weniger, und am wenigsten funktionierte es bei türkischstämmigen Zuwanderern. Hier hat ein Teil der Nachfolgegenerationen sogar einen stigmatisierenden eigenen Dialekt entwickelt, der zwar Comedy-Fans belustigt, aber tragisch für die Betroffenen ist, weil er einen fatalen Kreislauf von Ausgrenzung und eigener Abgrenzung in Gang setzt: Einerseits werden die Zuwanderer von der Gesellschaft nicht mehr unterschiedslos angenommen; und andererseits nutzen die Zuwanderer vermehrt die Möglichkeit, in den entstandenen Subkulturen im vertrauten Umfeld zu bleiben und so einen Teil des Drucks zu Anpassung und Spracherwerb und natürlich auch die Erfahrung der Zurückweisung zu lindern. So sehr man das verstehen kann, so behindert es aber die Integration, es verringert die Chancen der Nachkommen, es mindert die Akzeptanz der Zuwanderer in der Gesellschaft und es mindert umgekehrt die Akzeptanz der freien Gesellschaft in den Augen der Zuwanderer.
Generell gesehen ist die Akzeptanz einer Gesellschaft in erster Linie keine Frage des kulturellen Hintergrunds, sondern vor allem eine Frage der Chancen, die sich den jeweiligen Menschen in einer Gesellschaft bietet. Bestimmte Korrelationen lassen vermuten, dass Gesellschaften mit einem hohen Anteil junger Menschen konfliktanfälliger sind. Doch gilt dies nur, wenn dieser hohe Anteil mit einer allgemeinen Perspektivlosigkeit junger Menschen einhergeht. Wird ihnen nämlich der Zugang zu beruflichem und sozialem Aufstieg innerhalb offizieller Laufbahnen verwehrt, dann finden viele von ihnen den Weg in inoffizielle Laufbahnen innerhalb von Strukturen und Organisationen, die wir aufgrund ihrer religiösen und politischen Ausrichtung nicht wachsen sehen möchten. Ist der Zugang zu offiziellen Laufbahnen dagegen offen, so übersetzt sich ein hoher Jugendanteil nicht in Konfliktanfälligkeit, sondern umgekehrt in ein Potenzial steigender Produktivität und Prosperität zum Wohle aller.
Alles hängt also davon ab, inwieweit es uns gelingt, die Flüchtlinge und vor allem deren Nachkommen zu integrieren. Idealerweise sollten sich spätestens die Nachkommen als selbstverständlichen Teil unserer Gesellschaft verstehen und auch so wahrgenommen werden. Inwieweit uns das gelingt, entscheidet darüber, wie viele Lasten oder Chancen die Zuwanderung erzeugt. Niemand bestreitet, dass die Integration der heutigen Flüchtlinge aufgrund der kulturellen und sprachlichen Differenzen ungleich schwieriger ist als jene der Nachkriegs-Flüchtlinge. Aber eine offensive Integration in der irrigen Annahme zu verschleppen, die Flüchtlinge blieben nicht lange, erzeugt genau jene Probleme, vor denen sich viele fürchten.
In den ersten Monaten sollte für Zuwanderer daher wenig anderes geschehen als die intensive Vermittlung von Sprache, Gesellschaft und Kultur; kurz: der Konventionen unserer Gesellschaft. Das kostet gewiss viel Geld, aber die Hebelwirkung einer solchen Politik für die Integration könnte kaum größer sein. Außerdem müssen wir den Glaubensstreit um „multikulti“ auflösen. Fremde kulturelle Einflüsse können eine große Bereicherung sein, der wir uns gern öffnen sollten. Zugleich aber müssen alle in diesem Land gelebten Sitten und Gebräuche auf dem Boden (des Vorrangs) der verfassungsmäßigen Spielregeln der freiheitlichen und toleranten Gesellschaft stehen, und davon darf es keine Abstriche geben, auch und vor allem nicht bei den Kindern, wenn es zum Beispiel um Religionsunterricht, Sportunterricht, Evolutionstheorie oder Sexualkunde im Biologieunterricht oder was auch immer geht.
Drittens müssen wir uns darauf einstellen, dass rund zwei Drittel der Flüchtlinge über kaum eine Ausbildung verfügt. Weil aber Beschäftigung gerade für die Integration immer besser ist als Arbeitslosigkeit und weil sich Beschäftigung nicht erzwingen lässt, kommen wir nicht an der Einsicht vorbei, dass wir Öffnungsklauseln des Arbeitsmarktes brauchen, selbstverständlich verbunden mit ergänzender staatlicher Unterstützung. Das ist gewiss unpopulär, aber wenn wir diese Einsicht in den Wind schlagen, dann wird die Integration misslingen, mit allen Konsequenzen.
Hinweis: Den ganzen Kommentar können sie in Heft 12 (2015) der Zeitschrift „WiSt“ lesen.
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Bei dem vielen positiven Integrationsargumenten wird meines Erachtens leider eines vergessen: die Nachfrageseite. Nur entsprechende Angebote werden nichts nützen, wenn die Migranten nicht mitspielen. Die meisten betätigen sich aber als Trittbrettfahrer (Moral-Hazard) und wollen nur die leistungslosen Vorteile aus dem System ziehen. Außer milliardenhohen Kosten wird am Ende nichts von den Luftschlössern übeigbleiben. Die Einwanderer werden in ihren Parallelwelten bleiben. Das ist das Migrations-Paradoxon. Das Angebot geht ins Leere. Die Migration entfaltet zu Allermeist negative Externe Effekte. ( hohe Kosten in den Sozialkassen & Krankenkassen; vermüllte Wohngegenden, Bereicherung Einzelner durch bspw. überteuerte Vermietung von Wohnraum an die öffentliche Hand)