Die Benzinpreise sind – trotz leichter Erholung in den letzten Wochen – so niedrig wie lange nicht mehr. Das freut den Autofahrer und bekümmert den Klimaschützer. Denn die Anreize, in spritsparende und damit CO2-arme Autos zu investieren, werden gebremst. Tatsächlich steigen die Verkaufszahlen von spritfressenden „Chelsea-Trucks“ rasant an. „Hauptsache SUV – Mercedes steigert Absatz zweistellig“, meldete das Manager-Magazin am 6. Juli des Jahres.
Wenn es nach jüngsten Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums geht, sollen sich künftig nicht nur Autofahrer und SUV-Hersteller über niedrige Benzinpreise freuen, sondern auch der Fiskus (hier). Fällt der Benzinpreis, steigt die auf den Benzinabsatz erhobene Energiesteuer. Und umgekehrt. Für den Fiskus ergeben sich daraus – zumindest beim aktuellen Preistrend – höhere Steuereinnahmen; für den Autokäufer und die Autohersteller erhöht sich die Planungssicherheit in Bezug auf die Amortisation spritsparender Technologien. Und dem Planeten insgesamt fällt es leichter, einen kühlen Kopf zu bewahren, weil weniger Treibhausgase emittiert werden.
Diese Idee, die so logisch daherzukommen scheint, ist eine Schnapsidee. Der Schnaps beginnt schon mit der Frage, wo denn das angemessene Ausgangsniveau dieser Steuer liegen soll. Würde man das Jahr 2015, in dem der durchschnittliche Preis für Superbenzin in Deutschland bei 139,4 Cent/Liter lag, als Referenzpunkt nehmen, dann könnte man bei einem aktuellen Durchschnittspreis von 127,6 Cent/Liter einen Gabriel-Zuschlag auf die Benzinsteuer in Höhe von 11,8 Cent/Liter erheben. Mit dem Jahr 2012 als Referenzjahr stiege der Zuschlag sogar auf 36,9 Cent/Liter, denn damals kostete Benzin durchschnittlich 164,5 Cent/Liter. Mit dem Jahr 2000 als Referenzjahr müsste allerdings kein Zuschlag erhoben, sondern ein Abschlag gezahlt werden, denn damals lag der Benzinpreis um 25,80 Cent/Liter unter dem heutigen Niveau. Und mit dem Jahr 1988 als Referenzjahr wären die gesamten Einnahmen aus der Energiesteuer auf Benzin negativ, denn der Preisunterschied zu heute betrug 75,7 Cent/Liter, während der aktuelle Steuersatz bei 65,45 Cent/Liter liegt.
Einen weiteren Schnaps gibt es für die Frage, ob der Gabriel-Zuschlag bundeseinheitlich erhoben werden sollte. Eigentlich wäre es nur gerecht, wenn die Hamburger einen höheren Zuschlag zahlen müssten als die Bayern, denn im Norden ist Benzin in der Regel billiger als im Süden. Auch die Orientierung an Jahresdurchschnitten erscheint nicht wirklich gerecht. Vor nicht allzu langer Zeit war Benzin regelmäßig am Dienstag billiger als an den anderen Wochentagen. Derzeit ist Benzin morgens teuer, nachmittags und abends billig und spätabends extrem teuer. Wer diese Preisschwankungen ausnutzt und immer nur zum Abendbrot tankt, dem sollte ein höherer Gabriel-Zuschlag auferlegt werden, damit er sich angesichts der für ihn relativ niedrigen Benzinpreise nicht doch noch einen SUV kauft.
Den allergrößten Schnaps haben sich die Erfinder des Gabriel-Zuschlags allerdings mit ihrer Grundidee verdient, dem bunten Teppich der Energiesparpolitik einen weiteren Flicken hinzufügen zu wollen. Die gesamte Politik der Energiewende besteht aus einer Fülle von Einzelmaßnahmen, die sich zum Teil sogar gegenseitig aufheben. So hat unter anderem Hans-Werner Sinn wiederholt darauf hingewiesen, dass Subventionen für erneuerbare Energie (über die Einspeisevergütungen) ins Leere laufen, wenn sie in ein allgemeines System der Emissionszertifikate eingebettet sind. Denn die Windräder und Sonnenkollektoren führen ja nicht dazu, dass im Rahmen des European Emission Trading System (ETS) weniger Zertifikate ausgegeben werden, sondern dass der Preis der Zertifikate sinkt. Mehr Windstrom führt deshalb nicht zu weniger CO2-Emission, sondern nur dazu, dass das CO2 jetzt woanders emittiert wird. Ganz analog führt eine isolierte Preiserhöhung für Benzin zur Verschiebung und nicht zur Verringerung des CO2-Ausstoßes.
Kein Zweifel: Der Klimawandel stellt eine ernstzunehmende Herausforderung dar. Und der Schlüssel zum Klimaschutz liegt beim Energieverbrauch. Es erscheint daher als ökonomisch sinnvoll, die CO2-Emission zu verteuern. Allerdings nicht mit einem Wust von Einzelmaßnahmen, sondern mit einer Politik, die auf einen einheitlichen CO2-Preis abstellt. Denn nur dann wird es gelingen, die nötigen Begrenzungen im CO2-Ausstoß auf ökonomisch effiziente Weise zu erreichen. Die Hoffnung, dass es in absehbarer Zeit zu einer solchen geradlinigen Klimapolitik in Deutschland, Europa und möglichst darüber hinaus kommt, ist gering. Die Gefahr, dass die Idee des Gabriel-Zuschlags in die Realität umgesetzt wird, allerdings auch.
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