Martin Schulz und die Angst vor der Dezentralität

Kürzlich hat Martin Schulz sein persönliches Regierungsprogramm vorgestellt, einen sogenannten Zukunftsplan. Einige Punkte in diesem Programm verbindet ein naiver Glaube an die Fähigkeiten des Zentralstaates und eine Geringschätzung, vielleicht sogar Verachtung föderaler Strukturen. Es lohnt sich, den roten Faden des Programms einmal aufzurollen.

Zum Beispiel die sogenannten Zukunftsinvestitionen. Wir finden hier im Zukunftsplan eine umfassende Liste von Feldern, auf denen investiert werden soll. Hier kann sich jeder angesprochen fühlen; vermutlich wäre eine Liste der Felder, auf denen nicht investiert werden soll kürzer gewesen. Aber so sind Wahlprogramme nun einmal. Interessant ist aber, dass Schulz und seine SPD hier vor allem den Bund in der Pflicht sehen. Von Flensburg bis Berchtesgaden soll der Bund mit Programmen zur Ko-Finanzierung für Investitionen sorgen.

Einem föderalen System angemessener wäre es natürlich, für eine hinreichende Finanzausstattung von Ländern und Gemeinden zu sorgen und diesen dann selbst die Entscheidung darüber zu überlassen, wo und welchem Umfang sie sinnvolle Investitionsmöglichkeiten sehen. Die Finanzausstattung wiederum wäre idealerweise aus autonomen Steuerquellen der unteren Ebenen zu sichern – ein Ansatz, der für den Zentralisten Schulz ohnehin undenkbar ist.

In der Schweiz ist derzeit der Kanton Obwalden in den Nachrichten, weil er im kantonalen Finanzausgleich zum Geberkanton wurde. Obwalden ist strukturschwach: klein, ländlich, eigentlich eher wenig Industrie. Die Schweiz hat einen ressourcenorientierten Finanzausgleich. Geberkanton wird man dort nicht, weil einmalig die Einnahmen in die Höhe gehen, sondern wenn die strukturellen Bedingungen über dem kantonalen Durchschnitt liegen. Obwalden hat das im Steuerwettbewerb geschafft. Es hat seine kantonale Steuerautonomie geschickt genutzt und so wirtschaftliche Aktivität angezogen.

Strukturpolitik von unten? Wiederum etwas, was für die SPD und Martin Schulz unvorstellbar ist. Stattdessen: Mehr und mehr Bundestöpfe für bundesweit gleichwertige Lebensverhältnisse. Die zentralstaatliche Planierraupe anstelle föderaler Vielfalt.

Bildungspolitik, eine Aufgabe der Bundesländer, macht Schulz natürlich mit einer nationalen Bildungsallianz. Auch hier soll es keinen föderalen Wettbewerb um gute Lösungen mehr geben, das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern soll endgültig fallen. Dies bedeutet natürlich, dass der Bund Geld gibt und im Gegenzug die bildungspolitischen Leitlinien vorgibt. Dass diese dann auf dem Niveau von Bayern und nicht von Berlin sind, können nur die allergrößten Optimisten glauben.

Selbstverständlich kennen Schulz und die SPD auch sehr genau die Richtung, in die sich die deutsche Wirtschaft künftig entwickeln soll. Die Vorstellung ist ihnen fremd, dass Unternehmen politisch unvorhergesehene Dinge tun, dass sie ganz neue Märkte erschließen oder gar erfinden, an die noch kein Ministerialer je gedacht hat. Stattdessen wiederum: Eine nationale Innovationsallianz, damit auch ja das gemacht wird, was die SPD für zukunftsträchtig hält. Dazu gehören übrigens auch (man wäre von selbst wohl nicht darauf gekommen) die Kalk- und Zementproduktion.

Martin Schulz hat seine Brüsseler DNA ins SPD-Wahlprogramm übertragen. Dazu gehört ein vollkommenes Unverständnis dafür, dass sich in einer offenen Gesellschaft die Dinge politisch und wirtschaftlich von unten nach oben zu entwickeln haben. Dezentralität, Wettbewerb, Offenheit für Ungeplantes – all dies kommt im SPD-Zukunftsprogramm nicht vor. Insofern ist es nicht nur ein zentralistisches, sondern ein zutiefst illiberales Programm.

Eine Antwort auf „Martin Schulz und die Angst vor der Dezentralität“

  1. Sehr schöner Beitrag! Leider ist Martin Schulz nur die Spitze eines über die Zeit gewachsenen antiföderalen Eisbergs im Bundestag, den sich viele Abgeordnete als Logo an das Revers stecken könnten.

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