Gastbeitrag
Defizite und Reformoptionen des kommunalen Steuersystems

Die kommunale Ebene bildet die Basis eines föderalen Staates und erscheint aufgrund ihrer Bürgernähe besonders gut geeignet, das Leistungsangebot an den Wünschen der Nutzer auszurichten. Anreize zur Abwägung von Kosten und Nutzen kommunaler Leistungen entstehen insbesondere bei weitgehender Äquivalenz zwischen Staatsleistung und Steuerzahlung. Zur Finanzierung geeignete Gemeindesteuern sollten (1) ein gleichartiges Leistungsniveau bei gleichen Steuersätzen (interregionale Äquivalenz), aber auch (2) vom Durchschnitt abweichende Leistungen bei differenzierten Steuersätzen (regionale Äquivalenz) ermöglichen. Inwieweit genügen die Realsteuern (Gewerbe- und Grundsteuer) sowie der Anteil an der Einkommensteuer diesen Anforderungen?

Elementarer Reformbedarf bei der Gewerbesteuer

Wohnbevölkerung und ortsansässige Unternehmen profitieren von den kommunalen Leistungen. Beide Gruppen sollen daher zur Finanzierung der Ausgaben beitragen. Dies geschieht aktuell durch die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer und die mit Hebesatzrecht ausgestattete Gewerbesteuer.

Die heutige Gewerbesteuer weist allerdings eine Reihe von Mängeln auf. Sie verstößt gegen die fiskalische Äquivalenz, weil viele Unternehmen, die kommunale Leistungen in Anspruch nehmen, keine Gewerbesteuer zahlen (Land- und Forstwirtschaft, freie Berufe). Zudem sorgt der Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage für eine ungleichmäßige Streuung des Steueraufkommens. Je nach Wirtschafts- und Unternehmensstruktur können die Steuereinnahmen auch bei gleicher regionaler Wertschöpfung erheblich differieren. Daher erfüllt das Hebesatzrecht bei der Gewerbesteuer seinen Zweck nur schlecht. Gemeinden mit hoher Gewerbesteuerkraft können bessere (gleiche) Leistungen zu gleichen (niedrigeren) Hebesätzen bereitstellen und erlangen damit einen Wettbewerbsvorteil.

Als Ersatz der Gewerbesteuer bietet sich die kommunale Wertschöpfungsteuer mit Hebesatzrecht an. Sie verbreitert die Bemessungsgrundlage auf sämtliche Einkommen sowie den Kreis der Steuerpflichtigen auf alle Unternehmen. Damit sorgt die Wertschöpfungsteuer für eine gleichmäßigere Steuerbelastung der Unternehmen und reduziert die Steuerkraftdifferenzen zwischen den Gemeinden. Bei einem belastungsneutralen Wechsel kann neben der Gewerbesteuer (einschließlich Gewerbesteuerumlage) auch die Umsatzsteuerbeteiligung der Gemeinden entfallen. Dies würde den intransparenten Steuerverbund entflechten und das Steuersystem vereinfachen.

Als Alternative kommt eine Ausweitung der Umsatzsteuerbeteiligung bei Wegfall der Gewerbesteuer in Betracht. Unter Verwendung der lokalen Wertschöpfung als Schlüsselgröße würde die Aufkommensverteilung derjenigen einer Wertschöpfungsteuer entsprechen. Diese Second-Best-Lösung würde das Steuersystem stark vereinfachen, allerdings auch das Hebesatzrecht beseitigen und damit die kommunale Finanzautonomie schwächen. Im Vergleich zur Gewerbesteuer dürften die Vorteile dennoch überwiegen.

Mehr Autonomie wagen bei der Einkommensteuer

Die Einkommensteuerbeteiligung der Gemeinden stellt ein notwendiges Gegengewicht zur wirtschaftsbezogenen Gewerbesteuer dar. Sie setzt Anreize zur Erhöhung der Attraktivität der Gemeinden für die Wohnbevölkerung, erlaubt aber keine Anpassung der Einnahmen an die einwohnerbezogenen Leistungen. Dies erschwert die Herstellung fiskalischer Äquivalenz und erhöht die Gefahr, dass Ausgaben für die Einwohner durch andere Gruppen mitfinanziert werden. Der Anteil der einzelnen Gemeinden richtet sich nach der Einkommensteuerleistung der Einwohner bis zu Sockelgrenzen von 35.000/70.000 Euro (Ledige/Verheiratete). Dies bewirkt eine Nivellierung des Aufkommens, da die Steuerzahlungen wohlhabender Gemeindebürger nicht voll berücksichtigt werden.

Zur Stärkung der kommunalen Finanzautonomie kann die bestehende Möglichkeit kommunaler Hebesätze auf den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer (Art. 106 Abs. 5 GG) genutzt werden. Dabei ist es durchaus möglich, die Sockelbeträge für die Verteilung des Regelanteils beizubehalten und nur die hebesatzbedingten Mehr- oder Mindereinnahmen vollständig den Gemeinden zurechnen. Eine Verstärkung interkommunaler Finanzkraftunterschiede ließe sich so weitgehend vermeiden. Durch Hebesatzdifferenzen angeregte Wanderungsbewegungen sind vertretbar, soweit sie auf einer Abwägung zwischen Steuernachteilen und Leistungsvorteilen beruhen.

Unzufriedene Bürger müssen jedoch nicht abwandern, sondern können eine mehrheitlich unerwünschte Steuerpolitik – ganz im Sinne der fiskalischen Äquivalenz – auch mit entsprechenden Wahlentscheidungen beantworten. Diesbezüglich ließe sich der Bürgereinfluss durch (obligatorische) Referenden über Steuerbeschlüsse deutlich erhöhen. Gerade die Einkommensteuer eignet sich besonders dafür, das Bürgerinteresse an der Kommunalpolitik zu stärken. Zudem wirkt die relativ große Zahl der Betroffenen einer Politik zulasten einer kleinen Gruppe von Steuerzahlern entgegen. Vielleicht zeigen Kommunalpolitiker gerade deshalb kein übermäßiges Engagement für mehr Steuerautonomie.

Der Einkommensteuerverbund ließe sich nicht nur durch ein Hebesatzrecht, sondern auch durch neue Verbundregeln verbessern. Die kommunalen Einnahmen sind derzeit stark abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie von der Steuerpolitik von Bund und Ländern. Beides ist im Prinzip unvermeidlich, doch sollte man die unerwünschten Einflüsse möglichst minimieren. Hierfür kommen zwei Reformoptionen in Betracht: (1) die Abkoppelung von der staatlichen Finanzpolitik durch Bereinigung der Bezugsgröße des kommunalen Steueranteils von wirtschaftspolitisch motivierten Steuersubventionen und (2) die Verstetigung der Steuereinnahmen durch einen festen Anteil an der Bemessungsgrundlage anstelle der Quote am Steueraufkommen.

Die Grundsteuer als Ventil für klamme Kommunen

Gewerbesteuer und Einkommensteuerbeteiligung adressieren mit den ortsansässigen Unternehmen und Einwohnern die wesentlichen Nutzergruppen kommunaler Leistungen. Daher stellt sich die Frage nach der Legitimation einer zusätzlich erhobenen Grundsteuer. Ein positiver Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Immobilienpreisen reicht hierfür nicht aus. Zum einen werden Leistungen für Grundbesitzer überwiegend durch Gebühren und Beiträge finanziert, zum anderen ist der Gebäudewert unabhängig von den Leistungen der Kommunen.

Für die Grundsteuer scheint ihre allokative Effizienz zu sprechen. Nutzer von Immobilien können sich der Besteuerung kaum entziehen, was für relativ geringe Ausweichreaktionen und Zusatzlasten sorgt. Die Kehrseite der Medaille besteht jedoch darin, dass die Kommunalpolitik genau diese Eigenschaft als Einladung für eine Anspannung der Hebesätze ohne nennenswerten Bezug zu kommunalen Leistungen versteht. Der starke Anstieg der Hebesätze in der jüngeren Vergangenheit unterstützt diesen Befund.

In ihrer bisherigen Form ist die Grundsteuer verfassungsrechtlich gescheitert. Man könnte sie abschaffen und stattdessen die kommunalen Anteile an den Gemeinschaftsteuern erhöhen. Im wahrscheinlicheren Fall einer Neuregelung wäre eine Besteuerung der Boden- und Gebäudeflächen die einfachste und kostengünstigste Lösung. Eine Bodenwertsteuer als Alternative würde die Gemeinden an den Lagerenten beteiligen, die sie mit ihren kommunalen Leistungen beeinflussen, und damit das Äquivalenzprinzip stärker betonen.

Mehr Finanzautonomie, weniger Finanzausgleich

Mit einer Reform des kommunalen Steuersystems ist eine bessere Anpassung von Steuerkraft und Finanzbedarf der Gemeinden erreichbar. Dies führt auch zu einem geringeren Bedarf an Korrekturen über den kommunalen Finanzausgleich. Dessen Gesamtvolumen kann entsprechend reduziert werden. Im Gegenzug müssen die Länder Steuereinnahmen abtreten, die den Gemeinden dann als originäre Steuerkraft direkt zufließen. Dies verbessert die Finanzausstattung der Gemeinden strukturell und intensiviert die Verbindung mit den kommunalen Leistungen. Der fiskalische Wettbewerb erhält dadurch eine tauglichere Basis und seine effizienzfördernden Wirkungen können sich besser entfalten. Die Reformwahrscheinlichkeit ist jedoch gering. Steuerpolitische Maßnahmen erfolgen faktisch nur noch auf Verlangen des Bundesverfassungsgerichts und nur in zwingend nötigem Umfang.

Hinweis: Die Langfassung des Beitrags  „Das kommunale Steuersystem: Defizite und Reformoptionen“, auf dem dieser Beitrag beruht, ist in der WiSt (2018, H. 10) erschienen.

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