Eine moderne Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie muss zwei empirische Beobachtungen des 20. Jahrhunderts beherzigen.
Erstens: Bis zum Ersten Weltkrieg und teilweise auch noch in der Zwischenkriegszeit waren Autokratien elitär. Für die meisten Vertreter der Eliten war die Herrschaft des Volkes eine lächerliche Vorstellung, denn das gemeine Volk war bei weitem zu einfältig, um vernünftigerweise in staatspolitische Entscheidungen eingebunden werden zu können. Daher sahen sich politische Eliten auch nicht als Vertreter des Volkes, sondern als Repräsentanten von Kopfgeburten wie der Nation oder gar gleich des Allmächtigen. Das Volk dagegen war Material, das man für Kriege und andere Dinge von nationaler oder göttlicher Bedeutung nach Belieben einsetzte wie einen Produktionsfaktor. Spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs änderte sich das. Seither verstehen sich praktisch alle Regierungen als Repräsentanten des Volkes, jedenfalls in ihrer Kommunikation. Deshalb spielen auch Autokratien formal das demokratische Spiel, obwohl das inhaltlich natürlich keine Bedeutung hat: Sie halten Wahlen ab, sie behaupten, die einzig wahren Vertreter der Interessen des Volkes zu sein, und sie verweisen gern und überall auf die Unabhängigkeit ihrer Parlamente und Gerichte, weshalb ihnen in vielerlei Hinsicht – etwa bei der Verurteilung von Dissidenten – die Hände gebunden seien. Schließlich achten sie sehr auf ihre Popularität.
Zweitens: Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs wurden Demokratien hauptsächlich durch Putsche zerstört. Wenn die Politik der gewählten Volksvertreter der (vorzugsweise militärischen) Elite aus dem Ruder zu laufen schien, dann putschten sie die Regierung kurzerhand weg. Nach einer Weile ließen sie oft wieder Wahlen zu, sahen sich an, was dann geschah, und entschieden schließlich, ob sie erneut putschen oder den Dingen ihren demokratischen Lauf lassen würden – letzteres freilich nur, wenn das auch der Lauf sein würde, den sie selbst gewählt hätten. Auch sie spielten also Demokratie, aber immer nur, solange das Volk das tat, was die Eliten für richtig hielten. Auch hier hat sich etwas geändert. Seit dem Kollaps des Sowjetreiches wird in vielen Ländern der Welt zwar immer noch fleißig geputscht. Aber häufig übernimmt jetzt auch die Regierung höchst selbst die Aufgabe, die Demokratie zu zerstören. Das gilt vor allem für die nach 1989 neu entstandenen (ehemaligen) Demokratien.
Allerdings ist nicht gleich jeder Regierungschef so erfolgreich wie Wladimir Wladimirowitsch Putin. Manche scheitern sogar kläglich, und das ist aus deren Sicht gewiss eine ärgerliche Angelegenheit. Daher ist es an der Zeit, eine Anleitung zur Zerstörung der Demokratie zu schreiben. Hier ist ein erster Aufschlag, aber jeder Autokratie-Freund ist eingeladen, die Anleitung zu verbessern und zu erweitern. Wir arbeiten hier gewissermaßen mit offenem Quellcode.
Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie in zehn Schritten (Version 1.0)
Prolog: Halte Dich genau an die Anleitung und vergiss nicht, die richtige Reihenfolge einzuhalten. Das Demokratiezerstörungswerk ähnelt dem Zusammenbau eines IKEA-Schranks. Mit der falschen Reihenfolge werden am Ende die Elemente nicht zusammenpassen, weil sich zum Beispiel das vermeintlich allerletzte Bauteil, die obere Abdeckplatte, als die Bodenplatte entpuppt, mit der man hätte anfangen müssen. Anders als beim IKEA-Schrank hast Du beim Demokratiezerstörungswerk aber in der Regel keinen zweiten Anlauf. Weil die meisten Autokraten Männer sind, bist Du vermutlich auch einer, und weil Männer bekanntlich dazu neigen, IKEA-Schränke ohne vorheriges Studium der Anleitung zusammenzubauen, lauert hier eine Falle auf Dich, in die Du besser nicht hineintappst.
Schritt 1. Du startest in einer Demokratie. Also muss der erste Schritt lauten: Werde populär! Beobachte genau, welche Teile der Bevölkerung unzufrieden sind, sich nicht angemessen vertreten fühlen oder, ganz wichtig, welche darüber klagen, ihre Meinung nicht sanktionsfrei äußern zu dürfen. Für letzteres bieten sich vor allem tatsächliche oder vermeintliche gesellschaftliche Tabus als Ansatzpunkt an, also etwas wie: Warum darf man nicht sagen, dass diese oder jene Minderheit schon immer auf Kosten der Mehrheit gelebt hat? Dass sie nun mal grundsätzlich anders sind als wir? Dass die fremde Religion nicht in unsere Kultur passt? Dass man mit den Interessen unserer Nation immer hintanstehen muss, während sich die anderen stets ungehemmt in den Vordergrund spielen? Sowas halt. Oder ganz generell: Dass die eigene Identität, welche das auch immer sein mag, unterdrückt wird, noch dazu aus undurchsichtigen Strukturen heraus.
Mach Dich zum Spürhund sich unterdrückt fühlender Identitäten, sortiere sie sorgfältig, bevor Du sie zu einer populistischen Bodenplatte zusammenleimst, welche mindestens aus einem soliden zweistelligen Anteil der Bevölkerung bestehen sollte. Lass Dich dabei nicht entmutigen. Geübte Demokratieverächter schaffen es heute selbst in etablierten Demokratien spielend, desillusionierte Ex-Kommunisten, alt-linke Esoteriker, Gegner der Pharmakonzerne, Homöopathen und sonstige Gegner der „Schulmedizin“, Reichsbürger, Neo- und Paläo-Nazis sowie verschiedenste religiöse Fundamentalisten zu beachtlichen Protestverbünden zusammenzuleimen. Nimm Dir ein Beispiel an ihnen, und achte darauf, dass sich der Rest der Bevölkerung von niemandem zu einer ähnlich soliden Bodenplatte verleimen lässt. Dabei hilft Dir der Umstand, dass Liberale und Demokraten gern einmal untereinander zerstritten sind.
Schritt 2. Wenn Du die Bodenplatte fertig hast, dann stelle Dich zur Wahl. Deine solide Minderheit wird Dich bejubeln, wenn Du sie solide genug verleimt hast. Denn Du allein hast den Mut, auszusprechen, was früher einmal jeder wusste und was man früher auch noch sagen durfte, was aber heute von einer verschworenen Medien- und Politikerelite tabuisiert wird. Mit einem bisschen Glück wird sich der Rest der demokratischen Bewerber nicht einig in seiner Strategie gegen Dich sein. Unterstütze sie darin nach Kräften! Aber damit hast noch immer keine Mehrheit. Erfahrungsgemäß lässt sich gut ein Drittel einer Bevölkerung von Populisten wie Dir einlullen. Das reicht aber nicht. Vielleicht gibt es ein paar radikale Splitterparteien, mit denen außer Dir keiner was zu tun haben will. Die könntest Du einbinden. Oder es gibt eine bürgerliche Partei, die keine Alternative dazu sieht, es mit Dir erst einmal zu probieren. Wenn das alles nicht reicht, dann wende Dich an unpolitische Gruppen mit schwachem sozialen Hintergrund. Versprich Ihnen Geld. Keine Hilfsprogramme, keine Strategien zur Armutsbekämpfung, keine Bildungsprogramme, sondern Geld. Nenne eine konkrete Summe, die Du jedem von ihnen zahlen wirst, wenn Du die Wahl gewinnst. Vergiss das nach der Wahl aber nicht!
Schritt 3. Bist Du einmal gewählt, dann halte Dich zunächst strikt an die Regeln des Rechtsstaats. Achte die Gerichte und vergraule die wichtigen Entscheidungsträger in Verwaltung, Polizei, Militär und Justiz nicht. Du wirst sie noch brauchen! Zeige stattdessen, dass Du der erste bist, der sich je an seine Wahlversprechen gehalten hat. Leite als erstes Deine versprochenen Zahlungen in die Wege, egal, welche Folgen das hat, und gib zugleich allen jenen eine Öffentlichkeit, die keiner materiellen Hilfe bedürfen, die sich aber mit ihrer Identität bisher unterdrückt fühlten. Für beide musst Du jetzt Deine Beschützerrolle einnehmen, das bist Du ihnen schuldig. Wichtiger: Noch gibt es echte Wahlen, die Dich das Amt kosten können.
Schritt 4. Enge nun vorsichtig den Rahmen der bisher dominierenden Öffentlichkeit ein. Gehe verbal bevorzugt gegen jene Organe vor, welche überrepräsentiert erschienen, und vor allem gegen solche, denen Du den Verdacht andichten kannst, Teil einer Verschwörung gegen die von Dir vertretenden Identitäten zu sein: ausländische Mächte, fremde Religionen, Gruppen mit bestimmten erkennbaren Merkmalen, wie Hautfarbe, Sprache, Gebräuche etc.; vor allem aber die alte korrupte Clique aus Politikern und Medien. Bediene Dich des Umstands, dass die Evolution des Gehirns uns Menschen zu potenziellen Anhängern von Verschwörungstheorien gemacht hat; und dass vor allem jene Menschen, die sich frei davon fühlen, besonders anfällig sind. Nutze beides, und nutze es ausgiebig! Bleibe bei alledem aber vorerst noch auf dem Boden des Rechtsstaats. Bevor Du diesen Boden am Ende verlässt und die Meinungsfreiheit schließlich mit staatlichen Zwangsmaßnahmen einschränkst, vergiss nicht, zuerst den folgenden Schritt zu gehen.
Schritt 5. Besetze zunächst noch im Rahmen der rechtsstaatlichen Regeln wichtige Positionen in öffentlichen Medien, in der Justiz, den Ministerien, der Polizei und im Militär mit loyalen Mitstreitern. Achte aber darauf, dabei niemanden zu vergrätzen, den Du im rechtsstaatlichen Rahmen vorerst nicht loswirst. Solche Leute gehören nicht ausgegrenzt, sondern eingebunden, gebauchpinselt und großzügig für jeden Akt von Loyalität belohnt – alles noch im Rahmen des geltenden Rechts. Mit einem solchermaßen sorgfältig auf sie zugeschnittenen Paket werden sie einsehen, dass Du anders bist als es korrumpierte Kommentatoren oder ahnungslose Polit-Dilettanten behaupten; eine ehrliche Haut nämlich, ein Streiter gegen Korruption und Vetternwirtschaft und ein lupenreiner Demokrat.
Schritt 6. Mit Deiner sauber verleimten populistischen Bodenplatte, ihrer medienpolitischen Verschraubung und den bisher noch nach rechtsstaatlichen Regeln aufgesetzten Stützen aus Verwaltung, Polizei, Militär und Justiz kannst Du nun den nächsten Schritt wagen und erstmals ankündigen, geltendes Recht zu brechen. Empfehlenswert ist ein Testlauf, in dem Du die „sklavische“ Anwendung rechtsstaatlicher Regeln öffentlich diskreditierst und ankündigst, gegen derartigen Missbrauch des Rechts als Feigenblatt klientelistischer Interessen vorzugehen. Hiermit kommunizierst Du erstmals, dass der Rechtsstaat nur ein Instrument dunkler Mächte und ihrer Interessen ist, weshalb es an der Zeit ist, diese Tatsache beim Namen zu nennen und künftig für echte Demokratie zu sorgen. Hierzu bietet sich eine lautstarke Klage über die undemokratische Tatsache an, dass beamtete Richter vorbei an demokratisch gewählten Volksvertretern Recht sprechen dürfen. Das ist eine wichtige Vorarbeit für spätere Schritte.
Schritt 7. Achte nach Schritt 6 auf die Reaktion der Öffentlichkeit, viel genauer aber auf die Reaktion der einflussreichen Regierungsbeamten, der Militär- und Polizeikommandeure sowie jene der obersten Richter. Wenn deren Reaktion noch zu zurückhaltend ist, dann kehre zunächst an den Anfang von Schritt 5 zurück. Hier darfst Du niemals voreilig voranschreiten. Bleibe in der Schleife, bis Du hinreichend glaubwürdige Signale dafür erhalten hast, dass Dir Richter und Beamte in Deinen Rechtsbrüchen folgen werden, dass sie Deine Weisungen auch dann (noch besser: gerade dann!) ausführen werden, wenn sie gegen geltendes Recht verstoßen. Ein gutes Zeichen ist es, wenn sie öffentlich unaufgefordert Deinen angekündigten Rechtsbruch als rechtskonform verteidigen. Stelle nun noch die Loyalität der Militär- und Polizeioffiziere sicher, denn sonst könnten sie eines Tages in Deinem Büro erscheinen und Dich gewaltsam aus Deinem Amt entfernen. Nichts könnte ärgerlicher sein. Deren Loyalität sicherst Du Dir auf die gleiche Weise wie jene der Beamten und Richter. Erst wenn das alles gesichert ist, kannst Du zum nächsten Schritt übergehen. Das aber beherzt!
Schritt 8. Prüfe zunächst, ob Du es bis hierher zu folgender Konfiguration gebracht hast: Jeder Regierungsbeamte, jeder Polizei- und Militärkommandeur, jeder Richter und jeder Journalist der öffentlichen Medien schaut genau auf jeden anderen. Alle beobachten akribisch und in Angst um ihre Karriere oder – besser – ihre Freiheit oder gar ihr Leben, was die jeweils anderen tun: Bestehen sie bei allem, was sie tun, nach wie vor auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln? Oder folgen sie Dir darin, diese Regeln zu missachten, das alles aber als regelkonform zu interpretieren? Wofür sie sich entscheiden, wird für sie keine Grundsatzfrage sein. Vielmehr werden sie sich für das entscheiden, wofür sich nach ihrer Einschätzung auch die jeweils anderen entscheiden werden – und die anderen entscheiden sich ebenso. Hier ist Vorsicht geboten, denn das kann in zwei genau entgegengesetzte Richtungen laufen: Wenn Du die Schritte eins bis sechs nicht korrekt ausgeführt hast, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich keiner aus seiner beamtenmäßigen Kleinmütigkeit heraustraut und Dir folgt auf dem Weg zur Zerschlagung des Rechtsstaats. Dann stehst Du plötzlich ziemlich einsam da, und das willst Du nicht. Hast Du Dich umgekehrt bis hierher strikt an unsere Anleitung gehalten, dann hast Du gute Chancen, dass sich einer nach dem anderen aus der Deckung wagt und herauswächst aus seiner geschichtslosen Beamtenmentalität. Ist so ein Prozess einmal im Gange, werden sich am Ende alle hinter Dir versammeln und mit Dir gemeinsam den Rechtsstaat dort abladen, wo er hingehört. Bedenke aber, dass Du selbst bei bester Vorarbeit Pech haben kannst und die ganze Meute am Ende doch in die falsche Richtung läuft.
Damit das nicht geschieht, musst Du Ihnen rechtzeitig die Richtung weisen, und das geht so: Verhafte den ersten Oppositionellen. Aber halte Dich nicht damit auf, konsistent und aufwändig schlimme Vergehen zu konstruieren und ihm anzudichten. Im Gegenteil: Verhafte ihn aus offenkundig absurden Gründen. Wenn Du einen Oppositionellen wegen eines an der falschen Stelle unterschriebenen Steuerbelegs, eines abgelaufenen Ausweisdokuments oder wegen Falschparkens für Jahre hinter Gitter gebracht hast, obwohl er gar kein Auto hat, dann steht jedem hohen Beamten, jedem Polizeichef, jedem Militärkommandeur, jedem Richter und jedem Bürger klar vor Augen, warum Du das getan hat: Weil Du es kannst! Das sollte reichen, um die Richtung zu weisen.
Schritt 9. Nun hast Du die Grundlage für weiter Rechtsbrüche. Mache ausgiebig Gebrauch davon. Entlasse Richter ohne Rechtsgrundlage, bringe überhaupt das Justizwesen unter Deine Kontrolle, verhafte weitere Oppositionelle, schließe private Medienhäuser mit der Begründung, sie seien ausländische Agenten. Behaupte stets, alles das auf Grundlage geltenden Rechts zu tun. Noch besser: Lass Gerichte diese Arbeit machen und behaupte, hierauf keinen Einfluss zu haben, weil die Gerichte doch so unabhängig sind. Lass zugleich jeden sehen, dass das gelogen ist, und lass es dennoch von offiziellen Stellen als rechtsstaatlich einwandfrei bestätigen. Besetze hierzu die öffentlichen Ämter mit fleißigen Lakaien, die intelligent und dienstbeflissen genug sind, um für alles eine in sich schlüssige Rechtfertigung zu formulieren, die aber zugleich zu bequem, zu opportunistisch oder zu sehr persönlich belastet sind, um ihre eigenen Rechtfertigungen hinterfragen zu können oder hinterfragen zu wollen. Gern bieten sich hierzu enge Verwandte an, denn Familienbande erzeugen von ganz allein Loyalität – vor allem, wenn es viel zu erben gibt (sorg dafür!).
Schritt 10. Spiele ab jetzt den international missverstandenen Demokraten, der im Lande gerade deshalb populär ist, weil er sich dunklen Mächte auf nationaler wie internationaler Bühne zum Wohle des eigenen Volkes widersetzt und dabei keinen Konflikt scheut. Diskreditiere im Inland jeden Kritiker, vorzugsweise als ausländischen Agenten. Halte dennoch im Inland Wahlen ab und simuliere stets rechtsstaatliche Verfahren, manipuliere aber beides nach Belieben und für alle sichtbar. Scheue dabei keine Lügen; im Gegenteil, lüge offensichtlich, denn das zwingt Deine Beamten ebenso wie die Richter und Diplomaten dazu, Deine Lügen zu rechtfertigen, obwohl jeder die Wahrheit kennt. Wer hier schwächelt, den wirst Du schnell als illoyal erkennen und entsprechenden Maßnahmen zuführen können.
Epilog. Du bist jetzt am Ziel. Dein Land leidet schon jetzt unter Dir, und es wird weiter leiden. Denn mit der Demokratie hast Du alles zerstört, was den Bewohnern Deines Landes ein gutes Leben versprechen könnte: Es gibt keine Freiheit mehr, keine guten Beziehungen zum Ausland, und es gibt keine politische und wirtschaftliche Fehlerkultur mehr, welche das Land vor Abwegen bewahren könnte, deren Kosten die Bevölkerung per Armut tragen muss. Dein Land wird international isoliert und wirtschaftliche abgehängt werden, und es wird bei der Lösung aller dringenden Zukunftsfragen hintanstehen. Aber dafür bist Du jetzt Diktator.
Ende der Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie
Die meisten von uns wollen weder Diktator werden, noch wollen sie unter einem solchen leben. Was ist diesen Menschen anzuraten? Im Prinzip sollten auch sie die Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie sorgfältig lesen. Denn, wenn man einem IKEA-Kunden nur ein paar entscheidende Schrauben oder gar den berühmten Imbus-Schlüssel wegnimmt, dann kann er keinen Schrank mehr zusammenbauen. Bei Möchtegern-Diktatoren ist das im Detail durchaus komplexer, aber im Prinzip läuft es auf dasselbe hinaus: Wenn man einem Möchtegern-Diktator das Handwerk legen will, muss man ihm seine Werkzeuge wegnehmen; und weil er jedes der in den zehn Schritten beschriebenen Werkzeuge für sein Projekt braucht, muss man ihm gar nicht so viel wegnehmen, um sein Projekt zunichte zu machen.
Am 16. Februar 2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zwei europäischen Möchtegern-Diktatoren ein wichtiges Werkzeug aus der Hand genommen. Er hat der Kommission die Zulässigkeit ihrer Befugnis bestätigt, EU-Mittel an Regierungen zu kürzen, welche gegen Regeln der Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Ein elementares Bauteil der populistischen Bodenplatte Orbans und Kaczynskis ist die Verteufelung der EU, die sie als Verschwörung gegen die nationalen Interessen ihrer Länder diskreditieren, von der sie aber zugleich die größten finanziellen Profiteure sind. Daher gehört es bisher zu ihrem autokratischen Werkzeugkasten, kräftig in die Hand zu spucken, von der sie sich zugleich füttern lassen. Das wird nun schwieriger, denn auch Orban und Kaczynski brauchen die EU, weil deren Bürger (mindestens) wegen der finanziellen Zuwendungen der EU ebenso wie aus den bekannten außenpolitischen Gründen heraus mehrheitlich Mitglied in der EU bleiben wollen. Das alles bringt den autokratischen Werkzeugkasten von Orban und Kaczynski durcheinander, und deshalb wird die Grundierung einer ungarischen und polnischen Autokratie kaum je solide sein können, solange sie Mitglied der EU bleiben. Das gibt Hoffnung, und es freut niemanden mehr als die vielen weltoffenen Demokraten in diesen beiden Ländern, die nach 1989 so großartige Aufbauleistungen erbracht hatten. Zugleich ist es eine Ironie des Schicksals, dass keiner so viel zur Stabilität der Einbindung beider Länder in die von ihren Regierungen verteufelte EU und auch in die NATO beigetragen hat, wie jener Diktator, der unsere Anleitung geschrieben haben könnte: Wladimir Wladimirowitsch Putin.
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Das hat die EU wirklich hervorragend beschrieben, Glückwunsch!
Die meisten der genannten Schritte sind normales politisches Handeln und werden auch von „liberalen“ Parteien – nicht im Sinne der FDP – gemacht. Und der Übergang zum Rechtsbruch ist eher die Ausnahme, weil, wer die Macht hat auch einfach das Recht umschreiben kann. Problematisch wird es da, wo es zusätzlich einen supranationalen Rechtsrahmen gibt. Dieser ist allerdings auch nicht statisch, sondern ändert sich mit der Zeit und dann kann es zu Konflikten kommen, ohne das man selber abgedriftet ist. So gibt es bsw in der EU nicht nur einen Konflikt mit den osteuropäischen EU-Ländern, sondern auch zB mit dem Bundesverfassungsgericht. Auch die Bundesbank ist nicht mit der EZB glücklich, weil man es mit Schuldengrenze und so, nicht mehr so hat. Also, diese Konflikte zwischen nationaler und supranationaler Ebene sind normal, man sollte die nicht überbewerten. Ja, und Korruption gibt es nicht nur in Osteuropa.
Deutschland driftet zur Zeit in die Diktatur. Man sieht es im Umgang mit der echten Opposition im BT. Man sieht es in den permanenten Übergriffen unserer Grundrechte und sogar unserer Würde im Recht auf Leben und Gesundheit im eigenen Ermessen durch permanente Angstmacherei, Impfpflicht, Coronawahn, Klimawahn, etc. Die Medien sprechen nur noch nach dem Mund der Mächtigen. Es gibt keine roten Linien mehr, dank der regimefreundlichen Besetzung des BVerG.
Was bringen Wahlen, wenn man irgendwo ein Kreuz macht und die Parteiführungen Lügen, dass sich die Balken biegen. Deutschland ist eine Fassadendemokratie geworden.
@Martin Was Sie – Driften in die Diktatur – nennen, ist der Normalfall der repräsentativen Demokratie. Im Gegensatz zur direkten Demokratie, wobei es da auch verschiedene Varianten gibt. Ich hatte mal über die Athener Demokratie im 5. Jahrhundert v. Ch. gelesen. Erstaunlich! Da mussten die Bürger selber als politische Entscheider ran, also anders als in der Schweiz heute. Das war im übrigen die Zeit als die Rhetorik erfunden wurde. Gemeint war damit durch Reden gewünschte politische Ziele zu erreichen. So anders als das heute in Presse und Fernsehen passiert, ist das nicht. Übrigens, die Medien informieren nicht, sondern sie versuchen Dinge in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Man sagt das nur nicht laut. Ist wie bei der Bank, die vorgibt einem zu „beraten“, in Wirklichkeit handelt es sich um ein Verkaufsgespräch. Da ich mit vielen Dingen, die in den Medien gesagt werden, ebenfalls nicht einverstanden bin, weiß ich auch wie es ist, wenn man nicht mit dem Zeitgeist läuft. Das gehört aber zur Demokratie dazu, auch mal Teil der Minderheit zu sein. Ist im übrigen sehr lehrreich, weil es einem die Augen öffnet.