Die Erde ist endlich. Daher könne es kein dauerhaftes wirtschaftliches Wachstum geben. Das ist eines der Hauptargumente der Kritiker der auf Wachstum beruhenden Wirtschaftsweise von Staaten wie Deutschland. Dass die Erde endlich ist, ist zwar zweifellos richtig, die Schlussfolgerung ist dennoch falsch.
Wegen der Endlichkeit der Erde wird beispielsweise immer wieder davor gewarnt, dass die Rohstoffe ausgehen würden, insbesondere fossile Brennstoffe wie Erdöl. Diese Befürchtung ist unbegründet. Durch Kreativität und Erfindungsreichtum haben Menschen in vielen Bereichen Substitute für die vermeintlich zur Neige gehenden Rohstoffe gefunden. Statt fossile Brennstoffe können wir heute alternative Technologien wie Photovoltaik- und Windkraftanlagen nutzen. Und noch ehe die fossilen Brennstoffe zu Neige gehen, würden sie so teuer werden, dass sie von den günstiger werdenden, treibhausgasarmen Alternativen abgelöst werden.
Allerdings sollte es gar nicht so weit kommen, denn der limitierende Faktor ist nicht die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe, sondern die Deponiekapazität der Erdatmosphäre für Treibhausgase. Inzwischen wird vor allem aus diesem Grund gegen die Wachstumsökonomie aufbegehrt. Doch wenngleich Wirtschaftsleistung und Treibhausgasemissionen stark korrelieren, sind sie nicht untrennbar miteinander verknüpft. So ist es der Europäischen Union gelungen, ihren Treibhausgasausstoß seit 1990 um 32 Prozent zu reduzieren. Zugleich stieg das Bruttoinlandsprodukt um 66 Prozent.
Dennoch bezweifeln Wachstumskritiker, dass das sogenannte Grüne Wachstum helfen könnte, die Treibhausgasneutralität zu erreichen, und fordern dazu einen Wachstumsverzicht. Solche Verzichtspläne scheitern jedoch spätestens an der Umsetzung. Ebenso wie die effektive Eindämmung des globalen Treibhausgasausstoßes eine breite internationale Kooperation erfordert, müsste ein Verzicht auf Wachstum von der großen Mehrheit aller Staaten umgesetzt werden, damit es in effektiver Weise zu einer weltweiten Verringerung der Treibhausgasemissionen beiträgt. Das erscheint noch schwieriger umsetzbar als der Abschluss eines effektiven internationalen Abkommens zur Treibhausgasreduktion.
Vor allem jene Länder, die in puncto Wirtschaftsleistung eher nicht an der Spitze stehen, dürften sich kaum mit einer stagnierenden Wirtschaft zufriedengeben. Denn oft wird übersehen: Das seit dem 2. Weltkrieg kaum unterbrochene Wirtschaftswachstum hat uns nicht nur mehr Emissionen gebracht. Vielmehr ermöglichte es eine erheblich bessere Gesundheitsversorgung, eine passable Rentenabsicherung trotz steigender Lebenserwartung, eine umfangreiche Unterstützung von Eltern, inklusive bezahlter Auszeiten, und vieles andere mehr.
Ein Wachstumsverzicht würde demnach große Wohlstandseinbußen, erhebliche Verwerfungen in den Sozialversicherungssystemen und viele andere negative Effekte mit sich bringen, nicht zuletzt eine höhere Arbeitslosigkeit. Ein einseitiger Wachstumsverzicht würde somit anderen Ländern kaum als Vorbild dienen.
In Antizipation eines solchen Resultats würde ein freiwilliger Wachstumsverzicht wohl von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Wachstumsverzicht erscheint somit kaum realisierbar, wie selbst Wachstumskritiker zugeben müssen. Dennoch ist unsere Zukunft keineswegs düster: Die Menschheit hat in allen Gegenden der Welt bewiesen, dass sie sich an widrigere Lebensumstände anpassen kann als die Folgen des Klimawandels selbst in den schlimmsten Szenarien erwarten lassen. Dennoch sollten wir unsere Bemühungen um wirksamen Klimaschutz verstärken – weil der Klimawandel Wachstum und Wohlstand gefährden kann.
Blog-Beiträge zum Thema:
Norbert Berthold (2021): Produktivitätsrätsel, Klimawandel und Postwachstum. Mehr Fortschritt wagen, weniger Verzicht üben
Podcasts zum Thema:
Wirtschaftliche Freiheit (2021): Postwachstumsökonomik. Entkoppeln statt verzichten.
Ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Norbert Berthold (JMU), Dr. Jörn Quitzau (Berenberg) und Prof. Dr. Jan Schnellenbach (BTU).
Die Erde ist NICHT endlich!
Sie wird praktisch „unendlich lange“ von der Sonne mit immer wieder neuer Energie versorgt,
Es geht nicht darum, dass jedes Land auf der Welt auf Wachstum verzichtet. Das Problem liegt auch nicht am Wachstum an sich, sondern eben im Umweltschutz. Wer es wirklich ernst meint mit Klimaneutralität bis 2050, der kann unmöglich noch zusätzliches Wachstum verlangen. Ulrike Herrmann hat das in ihrem neuesten Buch extrem detailliert ausgearbeitet. Ich würde mir mal wünschen, dass die Gegner dieser Position ebenso detailliert darlegen, warum es doch klappen wird. Denn wenn es nicht funktioniert, wird der wirtschaftliche Schaden um ein Vielfaches größer sein als wenn wir auf Wachstum verzichten und nicht mehr ganz so verschwenderisch leben wie aktuell, sondern in einer Kreislaufwirtschaft übergehen.
Länder wie Malawi, deren Verbrauch so absurd niedrig ist, dass ihr CO2-Ausstoß weit unter dem Budget liegt, können natürlich wachsen, niemand muss denen Verzicht predigen. Es geht nur darum, dass die größten Volkswirtschaften der Erde nicht mehr alles aufs Wachstum setzen, sondern den Klimaschutz ernst nehmen sollen. Wenn dabei noch Wachstum rausspringt, ist das ja super. Der Punkt der Degrowth-Bewegung ist nur, dass das wahrscheinlich nicht funktionieren wird. Wenn doch, super. Aber einfach nur zu sagen „realpolitisch ist das schwierig“, ohne zu sagen, dass die Alternative ein kaum begrenzter Klimawandel ist, ist extrem unehrlich. Und der Schaden wir weit größer sein als ein kontrollierter Ausstieg.