Die Märkte haben erfreut aufgenommen, dass US-Notenbankchef Powell zuletzt häufig davon sprach, eine „Disinflation“ habe eingesetzt, der Inflationsdruck also nachlässt. Die jüngsten Daten bestätigen dies aber nur teilweise. Entsprechend wird die Fed die Zinsen wohl noch mehrmals anheben.
Schlechter Start ins neue Jahr
Die Hoffnungen auf einen zügigen weiteren Rückgang der Inflation haben Anfang 2023 einen spürbaren Dämpfer erhalten. Denn gemessen am Deflator der Konsumausgaben (des von der Fed bevorzugten Preisindex) haben sich die Preise im Januar unerwartet stark um 0,6% erhöht. Die Inflationsrate stieg erstmals seit Mitte 2022 wieder und lag bei 5,4%; dies ist weiterhin deutlich über dem 2%-Ziel der Fed.
Besonders besorgniserregend ist, dass dies nicht auf einen stärkeren Anstieg der immer sehr volatilen Preise von Energie und Nahrungsmitteln zurückzuführen ist. Vielmehr sind die Preise auch nach Herausrechnen dieser beiden Gütergruppen um 0,6% gestiegen (auf Jahresbasis gerechnet um 7,1%), nach 0,4% im Dezember und 0,2% im November (Abbildung 1). Seit Ende 2021 verharrt die so gemessene Kerninflationsrate in der Nähe der 5%-Marke und ist damit viel zu hoch.
„Super Core“ viel zu hoch
Dabei weisen die Preise der in dieser Kernrate enthaltenen Güter unterschiedliche Trends auf. So hat sich der Preisanstieg bei den Waren (ohne Energie und Nahrungsmittel) bereits spürbar abgeschwächt. Denn diese hatten während der Pandemie wegen hoher Nachfrage und gleichzeitigen Angebotsproblemen stark zugelegt. Da diese Sonderfaktoren zunehmend an Einfluss verlieren, steigen die Warenpreise langsamer oder sind in den letzten Monaten sogar gefallen. Unter den Dienstleistungen sind die Mieten ein Sonderfall. Diese steigen zwar noch kräftig, doch ist eine Trendwende in diesem Jahr wahrscheinlich, weil die Mieten bei Neuverträgen gemäß Daten der Privatwirtschaft bereits sinken, was sich mit einer gewissen Verzögerung im Gesamtbestand niederschlagen sollte.
Das Hauptaugenmerk der Fed liegt aber nach Aussage ihres Chefs Powell auf den Dienstleistungen ohne Wohnen, die damit eine „Super Core“-Inflationsrate definieren, die etwa 56% der Kernrate ausmacht. Hier ist keinerlei Beruhigung des Preisauftriebs zu erkennen (Abbildung 2). Vielmehr zeigen die letzten Werte sogar eher wieder einen stärkeren Preisdruck an.
„Trimmed Mean“
In den letzten Jahren sind neben der traditionellen Kerninflation (die Energie- und Nahrungsmittelpreise außen vor lässt) eine ganze Reihe alternativer Kernmaße in Mode gekommen, der oben gezeigte „Super Core“-Index ist da nur das jüngste Beispiel. Dieses Vorgehen setzt sich dem Verdacht einer gewissen Willkür aus, welche der Gütergruppen gerade berücksichtigt oder herausgenommen werden. Ein systematischeres Verfahren zum Ausschluss von Gütern mit extremen Preisbewegungen ist der sogenannte „trimmed Mean“. Die Dallas Fed berechnet diesen für den Deflator der Konsumausgaben. Von den 178 Gütergruppen im Warenkorb werden jeden Monat die 24% mit den niedrigsten Preisanstiegen und die 31% mit den höchsten gestrichen [1]. Der Mittelwert („Mean“) der Preisveränderungen der verbliebenen Güter bildet nach Ansicht der Statistiker den unterliegenden Preistrend besser ab als alternative Kernmaße.
Die Dallas Fed berechnet kurz nach der Veröffentlichung des Deflators den Trimmed Mean der Inflation auf 1-, 6- und 12-Monatsbasis (die Veränderungsraten werden jeweils auf annualisierter Basis publiziert). Es zeigt sich, dass sich die 6- und 12-Monatsinflation seit Frühjahr 2022 in einem recht engen Korridor um etwa 4,7% bewegen (Abbildung 3). Von einem Nachlassen des unterliegenden Preisdrucks kann somit keine Rede sein. Die kurzfristige 1-Monatsbetrachtung schwankt naturgemäß stärker und zeigt in den letzten Monaten sogar einen wieder zunehmenden Inflationsdruck an.
Fazit: Weg zu 2% wird länger
All dies spricht dafür, dass die Fed noch keine entscheidenden Fortschritte bei der Eindämmung der Inflation erzielt hat. Die Gesamtinflation hat sich seit dem Hoch im vergangenen Jahr zwar um rund 11/2 Prozentpunkte ermäßigt, nachdem die Energiepreise oder die Preise einiger besonders von den Lieferkettenproblemen betroffener Güter wieder gefallen sind. Diese volatilen Preisbewegungen überdecken allerdings den unterliegenden Inflationstrend, der nach wie vor viel zu hoch ist und sich bisher auch nicht wesentlich verringert hat. Unser Überblick verschiedener Kernmaße deutet an, dass der Inflationstrend wohl immer noch über 4% verläuft und damit weit über dem 2%-Ziel der Notenbank. Die Fed wird hoffen, dass sich die Effekte der geldpolitischen Wende nur wegen der üblichen Wirkungsverzögerungen noch nicht gezeigt haben und dass der Preisdruck dann im weiteren Jahresverlauf merklich nachlässt. Sollte dies nicht geschehen, hat die Fed die Nachfrage offenbar nicht ausreichend abgekühlt. Deutlich kräftigere Zinserhöhungen als bisher erwartet (unsere Prognose: drei weitere Anhebungen bis Juni um jeweils 25 Basispunkte auf 5,50% für den oberen Rand des Leitzinskorridors) wären dann wahrscheinlich.
[1] Die Gütergruppen werden dabei nach ihrem Anteil am Warenkorb gewichtet. Die „Trimmung“ um 24% bzw. 31% wurde so festgelegt, dass der gewichtete Mittelwert der Inflation der verbliebenen Güter möglichst nahe an einem statistisch bestimmten Trendwert der Gesamtinflation liegt.
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