Standortwettbewerb statt Industriepolitik
Schuldenfinanzierte Industriestrategie führt auf Abwege

„Der Staat ist zwar nicht gut darin, die Gewinner von morgen zu finden, aber ganz sicher finden die Verlierer von gestern den Staat.“ (Moritz Schularick)

Der ständige Strukturwandel ist der Mechanismus, der wirtschaftliche Veränderungen in mehr Wohlstand transformiert. Kostenlos ist er allerdings nicht. Wachsender Wohlstand schrumpft den industriellen Sektor. Der De-Industrialisierung kann man nicht entkommen. Da hilft auch kein industriepolitischer Zaubertrank. Die Politik kann allerdings den unvermeidlichen Prozess der De-Industrialisierung verschärfen. Mit einer misslungenen Energiepolitik ist sie schon länger auf dem besten Weg. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat das Angebot an Energie weiter verknappt. Die deutsche Politik hat diesen Schock verstärkt, als sie aus der Kernenergie ausstieg. Und sie tut es weiter, weil sie an der  weltweit „dümmsten Energiepolitik“ (WSJ) festhält. Deutsche Energiepreise werden hoch bleiben, morgen und auch übermorgen. Energie-intensive Branchen werden leiden. Viele europäische, amerikanische und asiatische Standorte haben (viel) niedrigere Energiepreise. Der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen tut das nicht gut, den inländischen Arbeitsplätzen auch nicht. Eine ursachenadäquate deutsche Politik ist nicht in Sicht. Mit der Industriestrategie will das BMWK einen anderen Weg gehen. Deutschland soll als starker Industriestandort in seiner ganzen Vielfalt erhalten werden (hier). Schuldenfinanzierte Subventionen sollen energie-intensive Branchen international wieder wettbewerbsfähig machen. Die geplante Strategie des BMWK ist bizarr: Eine (planwirtschaftliche) Industriepolitik auf Pump soll die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft erhöhen.

„Alter“ Wein

Die Industriepolitik erlebt eine Renaissance. Überall werden Investitionen staatlich gelenkt. Großzügiges finanzielles Doping ist gang und gäbe. Viele industriepolitische Subventionen werden auf Pump finanziert. Industriepolitik ist letztlich Planwirtschaft. Marktliche Koordination wird durch staatliche Lenkung ersetzt. Die breite gesellschaftliche, ökonomische und politische Akzeptanz erstaunt allerdings. Schließlich sind die realen Planwirtschaften krachend gescheitert. Der Fall des „Eisernen Vorhangs“ ist noch gar nicht so lange her. Die Marktwirtschaften waren erfolgreicher, sie überlebten. Die marktorientierte Globalisierung ist ein Erfolgsmodell, allen Unkenrufen zum Trotz. Das alles scheint aber immer mehr zu verblassen. Industriepolitik ist auch für die meisten Ökonomen heute kein Teufelszeug (Olaf Sievert) mehr. Für viele Politiker ist sie sogar das Mittel der Wahl. Politiker seien die besseren Unternehmer, das ist die neue Sicht. Wer für Industriepolitik plädiert, tut das oft noch immer mit „alten“ Argumenten. Mit der geopolitischen und „grünen“ Zeitenwende kommen aber auch (scheinbar) „neue“ Aspekte in die Diskussion.

Die kontroverse Diskussion um einen Industriestrompreis zeigt, das alte Argument der „systemrelevanten“ Industrien lebt. Gingen Industrien verloren, wie etwa energie-intensive, kehrten sie nicht mehr zurück. Mehr noch: Kaskaden-Effekte seien unvermeidlich. Dafür sorge die enge Verflechtung mit anderen Branchen. Der Wohlstand breche ein, der Zusammenhalt der Gesellschaft bröckele, die demokratische Stabilität gerate in Gefahr (BMWK). Das ist maßlos übertrieben. Energie-intensive Branchen sind nicht „systemrelevant“. Ausländische (Vor)Produkte schließen die mögliche Lücke. Und diese stammen nicht nur aus Autokratien. Das geht zwar nicht ohne Friktionen im Strukturwandel ab. Teile der Produktion werden verlagert. Das alles ist aber nicht systemgefährdend. Dagegen sind die Gefahren eines Industriestrompreises auf Pump erheblich (hier, hier, hier). Deutschland wird auch künftig keine komparativen Vorteile bei der Produktion „grüner“ Energien haben. Aus temporären Subventionen werden dauerhafte. Der Strukturwandel wird ausgebremst. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten nehmen zu. Merke: Wer auf Altes setzt, lebt nicht (immer) sicherer.

Der Präsident des IfW, Moritz Schularick, weist darauf hin, dass die meisten Unternehmen der Industrie nicht wettbewerbsfähig seien, weil sie billig an Energie kommen. Vielmehr seien Innovation und Technologie entscheidend. Eine moderne Industriepolitik solle sich nicht um Branchen von gestern, sondern um neue Branchen kümmern (hier). Es geht darum, existierende „ökonomische“ Renten zu sichern und neue zu schaffen. Die Diskussion erinnert stark an das alte, wenig erfolgreiche „infant industries“-Argument. Der Ansatz, „zukunftsträchtige“ Branchen zu fördern, hat mit zwei Problemen zu kämpfen: Es ist zum einen unklar, welche Branchen „zukunftsträchtig“ sind. Früher waren es die Kerne der Industrie, heute sind es High-Tech-Sektoren. Halbleiter stehen bei der Politik hoch im Kurs. Nur: Die Politiker sind nicht die besseren Unternehmer. Sie maßen sich ein Wissen an, das sie nicht haben. Zum anderen besteht die Gefahr, dass die Politik auf großzügige finanzielle Hilfen und nicht auf bessere Rahmenbedingungen setzt. Die 5 Mrd. Euro für Infineon in Dresden und die 10 Mrd. Euro-Spritze für Intel in Magdeburg deuten darauf hin, dass es um die „originäre“ Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standortes nicht besonders gut bestellt ist.

„Neue“ Schläuche

Die aktuelle Klimapolitik hat ein neues Argument in der industriepolitischen Diskussion nach oben gespült. Der Klimawandel erfordert schnelles Handeln. Viele Länder wollen klimaneutral werden, die EU und die USA bis 2050, China bis 2060, Deutschland bis 2045. Den Märkten wird nicht zugetraut, die „grüne“ Transformation schnell auf den Weg zu bringen. Helfen könne nur eine staatliche Industriepolitik. „Grüne“ Leitmärkte und „Klimaschutzverträge“ stehen ganz oben auf der umweltpolitischen Agenda. Bei „grünen“ Leitmärkten entscheidet die Politik, dass etwa der Stahl, der für bestimmte Produkte verwendet wird, „grün“ (klimaneutral) sein muss. Die Unternehmen entscheiden, wie sie diese Auflage umsetzen wollen. Ein Eingriff in die Entscheidungen über Produktion und Technologie findet nicht statt. Das Problem dabei ist, dass solche klimafreundlichen Produktionstechnologien kostenintensiv sind. Um den Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischer Konkurrenz auszugleichen, werden „grün“ produzierende Unternehmen vom Staat massive Subventionen fordern (hier). Ein Industriestrompreis wäre ein Mittel.

Mit „Klimaschutzverträgen“ geht die Politik rustikaler zu Werke. Unternehmen erhalten direkt Subventionen, wenn sie bestimmte „grüne“ Technologien einsetzen. Die Politik finanziert einen Nachteilausgleich für die Vorreiter „grüner“ Produktion. Wie das läuft, zeigt das erste klimaneutrale Stahlwerk der Salzgitter AG. Das BMWK überreichte einen Förderbescheid von 1 Mrd. Euro. Das dürfte nicht der letzte gewesen sein. Mit „Klimaschutzverträgen“ wird der Investitionslenkungscharakter offensichtlich. Die Politik greift in die Produktionsentscheidungen der Unternehmen ein. Solche Verträge sind nicht technologieneutral. Es werden bestimmte „zukunftsträchtige“ Technologien favorisiert. Der Politik geht es nicht nur darum, dass Unternehmen klimaneutral produzieren. Es werden gezielt neue Technologien gefördert, von denen die Industriepolitiker glauben, dass sie sich durchsetzen werden. Nationale Unternehmen sollen zu Weltmarktführern in „grünen“ Schlüsseltechnologien werden. Wenn alles gut läuft, löst die Transformation zur Klimaneutralität ein „neues“ Wirtschaftswunder aus (BMWK). Die Gefahren liegen auf der Hand: Anmaßung von Wissen, dauerhafte Subventionen und kostspielige Investitionsruinen im Falle des Scheiterns.

Die letzten Jahrzehnte hat die Welt von offeneren Märkten profitiert. Mit der Globalisierung haben aber auch die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zugenommen. Das kann zum Problem werden, wenn weltweite Schocks auftreten, wie in Zeiten von Corona. Lieferketten können brüchig werden. Kostspielig kann es aber auch werden, wenn geopolitische und geoökonomische Konflikte auftreten. Die Gefahr ist groß, dass wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten als politisches Instrument genutzt werden. In der (nationalen) Industriepolitik wird ein Mittel gesehen, wirtschaftlich und technologisch „souveräner“ zu werden. Diese Sicht der Dinge ist nicht neu. Die Diskussion um die Versorgungssicherheit für Agrarprodukte, aber auch für Kohle und Stahl ist ein alter Hut. Gute Erfahrungen hat man mit autarkeren Lösungen nicht gemacht. Protektionistische Agrarmärkte sind das Paradebeispiel für „industriepolitisches“ Scheitern. Das Problem einer geopolitisch und geoökonomisch motivierten Industriepolitik besteht darin, die Güter zu finden, die für unsere Sicherheit „kritisch“ sind. Es ist schwierig, eine solche Liste objektiv zu erstellen. Es steht zu befürchten, dass sich die Lobbyinteressen der Industrien durchsetzen. Die Gefahr ist groß, dass die finanziellen Hilfen des Staates von „Rentensuchern“ abgeschöpft werden. Das Leben wird nicht sicherer, nur teurer.

Gleich lange Spieße

„Alte“ Argumente für Industriepolitik hin, „neue“ Argumente her. Der Dauerbrenner in der Diskussion um Standortdoping ist das fest etablierte Narrativ der „gleich langen Spieße“. Nationale Industriepolitik sei notwendig, weil andere Länder ihren Unternehmen finanziell unter die Arme greifen. Der internationale Wettbewerb würde verzerrt. Heimische Unternehmen würden künstlich benachteiligt. Der heimische Wohlstand würde leiden. Nationale Industriepolitik sei notwendig, um Schaden von der heimischen Volkswirtschaft abzuwenden. Industriepolitik sei reine Notwehr in einer Welt industriepolitischen Dopings. Geopolitische Verwerfungen, eine geoökonomische Zeitenwende und die „grüne“ Transformation haben dazu beigetragen, dass weltweit nicht nur mehr finanziell gedopt wird. Die Länder setzen die finanziellen Steroide auch unterschiedlich konzentriert ein. Die EU will mit dem „Net Zero Industry Act“ die „grüne“ Transformation in die richtige Richtung lenken. Mit dem „Inflation Reduction Act“ initiieren die USA eine gigantische (auch) „grüne“ Industriepolitik. Nicht neu ist dagegen, dass China seine Wirtschaftsstruktur schon lange nach staatlichen Plänen und erheblichen Subventionen steuert. Industriepolitik ist überall.

Das finanzielle Doping schadet allen Beteiligten. Von wirksamen Dopingkontrollen ist weit und breit nichts zu sehen. Das ist eigentlich Aufgabe der WTO, wenn die Mitgliedsländer um Hilfe nachsuchen. Anti-Dumping-Maßnahmen sind das Mittel der Wahl. Industriepolitische Aktivitäten sind weniger gut geeignet (Alan Posen). Von der WTO ist allerdings keine Hilfe zu erwarten. Sie ist weitgehend gelähmt. Besserung ist nicht in Sicht. Eine suboptimale Lösung ist unvermeidlich. Die beste Strategie in dieser Welt des „second best“ liegt auf der Hand, wenn Länder, mit denen wir Handel treiben, eine Branche dauerhaft subventionieren. Wir sollten nicht mit subventionierter Industriepolitik antworten, damit die eigene Allokation verzerren und auf möglichen Wohlstand verzichten. Es wäre sinnvoller, die heruntersubventionierten Güter des Auslandes zu importieren. Sie sind für uns billiger als die selbst produzierten. Anders ausgedrückt: Wir sollten versuchen, Teile des Wohlstandes abschöpfen, den das Ausland mit Subventionen volkswirtschaftlich teuer erwirtschaftet hat. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat es so ausgedrückt: Wir sollten uns nicht auch ins eigene Knie schießen, wenn andere das tun.

Nur ganz so einfach ist es nicht. Mit dem Verzicht auf Industriepolitik laufen wir Gefahr, dass eigene Branchen schrumpfen. Einige werden wir verlieren. Energie-intensive Bereiche werden zur Ader gelassen. Gut bezahlte Arbeitsplätze gehen verloren. Da Deutschland auch künftig keine komparativen Vorteile bei klimaneutraler, energieintensiver Produktion hat, wird der unvermeidliche Strukturwandel „nur“ vorgezogen. Die Probleme wären beherrschbar, wenn freigesetzte Ressourcen schnell in die Branchen wanderten, die händeringend Arbeitskräfte suchen. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels einfacher. Reibungslos verläuft das aber auch dann nicht. Arbeitsmärkte sind alles andere als ideal, gerade auch hierzulande. Es mangelt noch immer an regionaler, sektoraler und beruflicher Mobilität. Die Kosten eines forcierten Strukturwandels sind also nicht vernachlässigbar. Das Kalkül der Politik ist einfach: Sie muss die Kosten einer dauersubventionierten Industriepolitik gegen die Kosten eines beschleunigten Strukturwandels abwägen. Da die Kosten des Strukturwandels sofort anfallen, die Kosten der Industriepolitik aber über staatliche Verschuldung in die Zukunft verlagert werden können, wird sie sich für einen Industriestrompreis auf Pump entscheiden und den internationalen Subventionswettlauf mitmachen.

Standortwettbewerb

Das Geschäft aller Industriepolitik ist schwierig. Es fängt bei der Auswahl der zu fördernden Projekte an. Weiß die Politik, welche Projekte „zukunftsträchtig“ sind?  Eher nicht. Sind Politiker die besseren Unternehmer? Sicher nicht. Können Experten das Wissensproblem verringern? Eher nicht. Sicher ist: Es bleibt viel Raum für Lobbyisten und „rent seeking“. Eine zweite Schwierigkeit entsteht bei der Finanzierung industriepolitischer Projekte. Sollte Industriepolitik auf Pump finanziert werden? Eher nicht. Wird es trotzdem dazu kommen? Eher ja. Werden künftige Generationen belastet? Eher ja. Sicher ist: Der Druck auf eine (noch) flexiblere Schuldenbremse steigt. Schließlich tut sich eine dritte Schwierigkeit auf. Einige wenige werden unterstützt, viele andere müssen die Kosten tragen. Wird der Wettbewerb zu Lasten der KMUs verzerrt? Eher ja. Verteilt die Industriepolitik von unten nach oben um? Eher ja. Wird die Umverteilung gesellschaftlich akzeptiert? Eher nicht. Sicher ist: Verteilungskonflikte nehmen zu. Das alles spricht gegen die Industriestrategie des BMWK. Ein Industriestrompreis ist keine gute Idee. Gegen eine Stärkung der Standortbedingungen für alle spricht allerdings nichts, ganz im Gegenteil. Sie sollte forciert werden.

Es spricht wenig für Industriepolitik. Wird sie auf Pump finanziert, ist die Skepsis noch größer. Die Gefahr zu scheitern ist groß, wenn die Politik versucht, „zukunftsträchtige“ Branchen ausfindig zu machen. Das sollte sie privaten Unternehmern überlassen. Sie leben davon, solche Branchen zu entdecken. Sie tragen auch das Risiko zu scheitern. Lobbyisten haben leichtes Spiel, Einfluss darauf zu nehmen, was von der Politik als „zukunftsträchtig“ eingestuft wird. Nicht viel besser steht es um die Chancen, „systemrelevante“ Industrien zu stützen. Mit „rent seeking“ stopfen sich (große) Unternehmen, die besonders laut schreien, systemrelevant zu sein, die Taschen voll. Es ist deshalb keine gute Idee, einen Industriestrompreis für energie-intensive Unternehmen einzuführen. Auch die Idee, die Volkswirtschaft versorgungssicherer und resilienter zu machen, ist keine gute. Es mag einige wenige kritische Güter geben. Objektiv festzulegen, welche das sind, dürfte kaum möglich sein. Die Gefahr lobbyistischer Einflussnahme auf die Politik dominiert die Chance eines Landes, wirtschaftlich weniger abhängig zu sein. Industriepolitik ist schließlich auch wenig geeignet, die „grüne“ Transformation zu beschleunigen. Viel besser kann dies über eine C02-Bepreisung gelingen. Sie ist zieladäquat, kosteneffizient und technologieneutral. Allerdings, ihr Wirkungsgrad ist umso höher, je mehr Länder mitmachen. Daran hapert es.

Industriepolitik ist nicht geeignet, die angeschlagene Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen zu verbessern. Horst Siebert, der ehemalige Präsident des IfW, hat schon vor über drei Jahrzehnten dafür plädiert, nicht auf Industriepolitik, sondern auf Standortwettbewerb zu setzen (hier). Herbert Giersch, sein Vorgänger im Amt, hat es noch früher auf den Punkt gebracht, was zu tun sei. Ein Standort prosperiere, wenn es ihm gelinge, im Kampf der (national) immobilen um (international) mobile Produktionsfaktoren erfolgreich zu sein. Standortpolitik müsse dafür sorgen, dass die nationalen für internationale Faktoren attraktiv würden. Grob vereinfacht ausgedrückt: Sie müssen besser, billiger und schneller als die weltweite Konkurrenz sein. Das gelingt nicht mit monetären und fiskalischen Wummsen und Doppelwummsen. Notwendig ist ein effizientes Angebot an öffentlichen Gütern, ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis bei Steuern und staatlichen Leistungen und attraktive institutionelle Regelungen. Eine Angebotspolitik kann helfen. Es muss aber schon eine generelle sein. Eine „transformative“, wie sie dem BMWK vorschwebt, ist Etikettenschwindel. Sie hat ein Bias zugunsten bestimmter Branchen mit „grüner“ Produktion. Der Kronberger Kreis schlägt in seiner jüngsten Studie eine Agenda zur Verbesserung der industrie- und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen vor (hier).

Fazit

Der Strukturwandel ist in vollem Gang. Steigender Wohlstand schrumpft den Industriesektor. Das ist hinzunehmen. Es ist der Preis eines wachsenden Wohlstandes. Allerdings: Staatliche Politik beschleunigt den Prozess der De-Industrialisierung. Das muss nicht sein, nicht in einer Welt mit Friktionen. Die Strategie der Politik ist bizarr. Erst untergräbt sie mit einem immer dichteren Netz an Regulierungen, steigenden Steuern und Abgaben, anreizschädlichen (sozialen) Leistungen und einer „dummen“ Energiepolitik die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Dann versucht sie, mit großzügigen Subventionen wirtschaftlich das Schlimmste zu verhindern. Damit will sie die von ihr beschleunigte De-Industrialisierung aufhalten, zumindest aber verzögern. Sie nimmt viel Geld in die Hand, um handverlesene Unternehmen und Branchen zu entlasten, damit diese dem Standort treu bleiben oder sich für ihn entscheiden. Enden die Subventionen, verlassen die hoch subventionierten Unternehmen den (noch immer nicht wettbewerbsfähigen) Standort. Um die heutigen Steuerzahler nicht zu stark zu verschrecken, finanziert die Politik den industriepolitischen Unfug vermehrt über staatliche Verschuldung. Dabei produziert sie weitere kostspielige Fehlallokationen. Das nachhaltig Schlimme an diesen Interventionsspiralen ist, sie untergraben die Fundamente der marktwirtschaftlichen Ordnung. Politiker glauben, sie seien die besseren Unternehmer. Die Marktwirtschaft verkommt zur Planwirtschaft. Wir haben hinreichend (schlechte) Erfahrungen, wie das endet.

Podcast zum Thema

Industriepolitik: Was ist dran an den neuen (und alten) Argumenten?

Prof. Dr. Norbert Berthold (Julius-Maximillians-Universität Würzburg) im Gespräch mit Prof. Dr. Reto Föllmi (Universität St. Gallen)

Blog-Beiträge zum Thema:

Norbert Berthold (2023): De-Industrialisierung ante portas? Politik für den Strukturwandel statt Strukturpolitik mit der Gießkanne

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