Die Fiskalregeln in Deutschland und Europa stehen unter Druck. Es drängt sich die Frage auf: Weshalb sind Fiskalregeln überhaupt sinnvoll? Welche Reformvorschläge gibt es und welche der Kritikpunkte sind gerechtfertigt? Und weshalb gibt es im Ökonomen-Lager eigentlich so unterschiedliche Stimmen?
Ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Friedrich Heinemann (ZEW) und Dr. Jörn Quitzau (Berenberg).
Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Zudem ist er außerplanmäßiger Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.
Dr. Jörn Quitzau ist Leiter Wirtschaftstrends beim Bankhaus Berenberg. Zuvor war er Senior Economist bei Deutsche Bank Research. Gemeinsam mit Prof. Dr. Norbert Berthold ist er Initiator dieses Podcasts.
Meine Gedanken zu Neuverschuldungen
• Der Markt ist passiv
Die Aussage „Der Markt wird es regeln.“ ist eine allgemeine Floskel.
Der Markt denkt nicht, der Markt lenkt nicht. Alles, was auf dem Markt zu welchen Bedingungen angeboten wird sowie alles, was dort zu welchen Bedingungen gekauft wird, bestimmen Menschen.
In der heutigen Zeit helfen Algorithmen dabei. Doch diese haben noch keine Eigeninteressen.
• Der Markt ist der Ort der Wertbildung
Der Wert wird für den und bei dem Austausch von Produkten gebildet.
Anmerkung: U.a. unter MPRA habe ich das in der Vorabversion meines zweiten Buches begründet – 2019.
Der Wert wiederum zeigt, in Verbindung mit einem funktionierenden Markt, was den Menschen im gegebenen gesellschaftlichen (wirtschaftlichen, technologischen, politischen, kulturellen, religiösen, historischen, außenwirtschaftlichen usw.) sowie natürlichen Umfeld wie wichtig im wirtschaftlichen Sinn ist.
Im wirtschaftlichen Sinn wichtig bedeutet, dass z.B. einem Glas Wasser im privaten Haushalt sehr wenig Wert zugeordnet wird, nämlich die anteiligen Kosten für den Provider, für die Armaturen usw. – mehr ist nicht notwendig. In einem Restaurant ordnet man einem Glas Wasser einen deutlich höheren Wert zu, da das Umfeld zusätzliche Kosten bedingt, die man akzeptiert – zusätzliche Räumlichkeiten, Serviceleistungen, Mobiliar, zusätzliche Hygienemaßnahmen auf Basis gesetzlicher Vorgaben usw. Ein Verdurstender in der Wüste wird einem Glas Wasser einen noch höheren Wert zuordnen.
• Zur Neuverschuldung in Deutschland
Der Bund der Steuerzahler sagt, dass Deutschland bereits dermaßen stark verschuldet ist, dass, wenn jeden Monat (!) eine Milliarde Euro zurückgezahlt würden, es bis 2216 dauern würde, alle Schulden zurückzuzahlen. Einen großen Schwung hat eine Neuverschuldung wohl lediglich nach dem Krieg bewirkt. Und offensichtlich haben noch nicht einmal die ungeheuren Schulden geholfen, denn es gibt auch die Aussage, dass 909 Milliarden Euro von der Regierung aus der Rentenkasse für „versicherungsfremde Leistungen“ entnommen wurden. Stand vom 05.09.2023
• Zur Neuverschuldung in den USA im Vergleich zu Deutschland
In den USA werden Staatsschulden nicht sehr stark genutzt, um Sozialleistungen zu finanzieren, sondern um in spezielle Forschungs- und Wirtschaftsprojekte zu investieren, u.a. in die NASA, durch die Unterauftragnehmer in die Lage versetzt werden, hochwertigen Technologien zu entwickeln, die zu wirtschaftlichen Erfolgen führen.
In Deutschland werden neue Schulden offensichtlich vor allem genutzt, um die Zuwanderungspolitik, unzählige NGOs, Stiftungen, Meldestellen, Ideologieprojekte im In- und Ausland zu finanzieren, die alle, zumindest bei der jetzigen Gestaltung, nicht zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung beitragen. Auch müssen ungeheure Ausgleichszahlungen an die ehemaligen Betreiber von KKWs und Kohlekraftwerken gezahlt werden. Dazu wird der der Strom subventioniert. Das erscheint in der Gesamtheit wie ein völlig krankes System, die versprochene Transformation findet nicht statt, stattdessen gibt es Abriss und Neubau – alles ohne organischen Übergang. So werden Unmengen an Ressourcen widersinnig vernichtet.
Deutschland hat maximale Steuereinnahmen. Infrastrukturprojekte wie Straßen, Schulen etc. müssen aus den normalen Einnahmen finanziert werden. Auch das GG sagt, dass eine Neuverschuldung nur im Fall einer Naturkatastrophe zulässig sei und auch dann nur mit einem genauen Rückzahlungsplan.
• Was passiert bei einer Neuverschuldung
Eine Geldsumme entspricht einem Anrecht auf einen prozentualen Anteil an allen dem ökonomischen Tausch unterworfenen Gütern.
Durch Neuverschuldung werden zusätzlichen Gelder in Umlauf gebracht. Diesen Geldern stehen keine Waren und Dienstleistungen gegenüber. Diese Gelder werden auch nicht gleichmäßig verteilt. Die Begünstigten bekommen, ohne eine Leistung dafür erbracht zu haben, zusätzliche Anrechte auf Waren und Dienstleistungen.
Damit werden sie zu eigentlich ungerecht bevorteilten Wettbewerbern der Nicht-Begünstigten beim Zugriff auf Ressourcen wie Rohstoffe, Zuliefererzeugnisse, Gebäudenutzung, Einsatz von menschlichen und maschinellen Arbeitskräften, Transportleistungen, Strom- und Gasnutzung, Nutzung von IT-Technik usw.
Damit wird die „unsichtbare Hand“ nach Adam Smith in Fesseln gelegt: Diese „Hand“ soll veranschaulichen, dass alle Marktakteure, d.h. Privatpersonen, Unternehmen, Institutionen usw., die mit ihren unterschiedlichen Kenntnissen, Interessen, Möglichkeiten, Erfahrungen, Gefühlen usw. Güter austauschen, unter den gegebenen wirtschaftlichen und technologischen Bedingungen und den daraus resultierenden Wertbildungen für die einzelnen Produkte usw., in der Gesamtheit im Durchschnitt optimale Wertbildungen auf dem Markt gestalten.
Die Verteilung der „frischen Gelder“ wird üblicherweise von einer kleinen Gruppe Intellektueller gesteuert. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit von Fehleinschätzungen viel höher, als wenn über den Markt alle Teilnehmer zusammenwirken würden, insbesondere, weil die zentrale Planung üblicherweise die gesamte Gesellschaft betrifft, während Fehlentscheidungen in einzelnen Unternehmen nur einen Teil der Wirtschaft betreffen und durch Wettbewerber ausgeglichen werden.
Auch werden Politiker nicht verantwortlich gemacht für Fehlentscheidungen, sie korrigieren solche auch nicht in allen Fällen und negative Folgewirkungen werden auch oft nicht bei der Umsetzung der Entscheidungen berücksichtigt.
Die Wirtschaft wird in Richtung Ineffektivität gedrückt. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die Investitionen nicht umfassend diskutiert wurden und so nicht optimale Entscheidungen getroffen werden.
• Die Folgen von nicht endender Neuverschuldung in Deutschland
Die Folgen sind aktuell in der Wirtschaft deutlich sichtbar: Immer mehr Unternehmen melden Insolvenz an, verlagern Produktionsstrecken ins Ausland oder entschwinden in Gänze dorthin. Immer mehr Leistungsträger verlassen das Land, weil durch die immer weiter sinkende Gesamteffektivität allen aktiven Wirtschaftsteilnehmern immer mehr Belastungen aufgedrückt werden.
Weitere Schulden würden, aus meiner Sicht, verwendet werden, um in der gleichen Art weiterzumachen – die Politiker können sich nicht gegen ihr Umfeld auflehnen, sonst sind sie weg vom Fenster. Das zeigt auch die Schuldenentwicklung der letzten Jahrzehnte.
Sicherlich sind alle Aussagen hier kurz gefasst.