Die Politik klopft sich seit Wochen mit Blick auf die Arbeitsmärkte selbstzufrieden auf die Schultern. Erst die arbeitsmarktpolitischen Reformen von Rot-Grün hätten den Abbau der Arbeitslosigkeit möglich gemacht. Tatsächlich hat sich an den strukturellen Ursachen der Arbeitslosigkeit wenig geändert. Die günstigere Lage auf den Arbeitsmärkten ist der Konjunktur geschuldet, nicht institutionellen Reformen. Und mit dem Tarifabschluss von Sindelfingen wurde deutlich, die Lohn- und Tarifpolitik hat nichts gelernt. Sie ist wieder da, wo sie vor Pforzheim war, auf dem zentralistischen Holzweg.
Noch nicht benebelt vom „Erfolg“ auf den Arbeitsmärkten sah die „Große Koalition“ zu Beginn des Jahres noch institutionellen Handlungsbedarf. Sie war sich darin einig, der Schlüssel zum politischen Erfolg liegt auf den Arbeitsmärkten. Politisch überlebt nur, wer das Krebsgeschwür des seit langem wuchernden strukturellen Kerns der Arbeitslosigkeit nachhaltig besiegt. Für die Politik nicht minder gefährlich ist der rückläufige Anteil der Einkommen der Arbeitnehmer am Sozialprodukt. Mit der Wunderwaffe der Mitarbeiterbeteiligung wollte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Untaugliche Investivlöhne
Eine Möglichkeit, die Arbeitnehmer an der wirtschaftlichen Entwicklung des eigenen Unternehmens zu beteiligen, sind sogenannte Investivlöhne. Arbeitnehmer tauschen einen Teil ihres Barlohnes gegen eine Kapitalbeteiligung an dem Unternehmen, das sie beschäftigt. Dabei sind alle Varianten zwischen Fremd- und Eigenkapital denkbar. Mitarbeiterdarlehen, Genussscheine und Belegschaftsaktien sind die gängigsten. Bei jungen, dynamischen Unternehmen spielen auch Aktienoptionen eine Rolle.
Allerdings, Investivlöhne sind eine stumpfe Waffe im Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Weder machen sie Arbeit billiger noch Arbeitnehmer besser. Unternehmen werden nicht von Arbeitskosten entlastet. Was sie beim Barlohn gewinnen, verlieren sie bei der Kapitalbeteiligung. Die für die Beschäftigung relevanten Grenzkosten der Arbeit ändern sich nicht. Mit Investivlöhnen gelingt es auch nicht, die Arbeitnehmer nachhaltig stark zu motivieren. Empirische Untersuchungen zeigen, die ausgelösten Fortschritte bei der Produktivität sind eher bescheiden.
Arbeitnehmern mit Investivlöhnen ein größeres Stück am Kuchen verschaffen zu wollen, ist zudem ein Spiel mit dem Feuer. Die Risiken häufen sich bei den Arbeitnehmern. Neben ihrem Humankapital halten sie einen Teil ihres Realkapitals im selben Unternehmen. Das ist ökonomisch so wenig sinnvoll wie gefährlich. Nach dem kleinen ökonomischen Einmaleins sollten die Risiken stärker diversifiziert werden. Da helfen auch überbetriebliche Lösungen wenig. Sie treiben den Teufel mit Belzebub aus. Die Versuchung zur korporatistischen Investitionslenkung von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Staat ist groß.
Hilfreiche Gewinnbeteiligung
Der sinnvollere Weg einer Mitarbeiterbeteiligung ist eine Erlös- bzw. Gewinnbeteiligung. Arbeitslosigkeit wird wirksam bekämpft, die Lohnquote steigt wieder. Die Arbeitnehmer verzichten auf eine ausschließlich fixe Entlohnung. Im Gegenzug werden sie an den Erlösen bzw. Gewinnen der Unternehmen beteiligt. Die Tarifpartner verhandeln über zwei Elemente des Arbeitseinkommens: die Höhe des fixen Barlohnes und die Höhe des Beteiligungssatzes an Erlösen bzw. Gewinnen des Unternehmens.
Diese Form der Mitarbeiterbeteiligung entriegelt die Arbeitsmärkte. Mit dem Tausch von Teilen des fixen Barlohnes gegen flexible Lohnbestandteile sinken die Grenzkosten der Arbeit. Und die Löhne werden flexibler, sie passen sich der wirtschaftlichen Lage schneller an. Unternehmen können besser auf den strukturellen Wandel reagieren, für Arbeitnehmer nehmen die Anreize zu, räumlich und beruflich mobiler zu werden. Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Unternehmenserfolg ist also ein wirksames Mittel gegen strukturelle Arbeitslosigkeit.
Die Gruppe der Arbeitnehmer stellt sich auch besser, weil ihre wirtschaftlichen Risiken sinken. Mit der Gewinnbeteiligung werden Risiken der Arbeitnehmer diversifiziert. Sie tauschen einen Teil des Arbeitsplatzrisikos gegen ein Ertragsrisiko ihres Unternehmens. Risiken werden gemischt, ihr gesamtes wirtschaftliches Risiko sinkt. Gegenüber Investivlöhnen stellen sie sich besser. Nicht die Tarifpartner, sie selbst verfügen über ihr Einkommen. Entscheiden sie sich, einen Teil auf den Kapitalmärkten anzulegen, diversifizieren sie ihre Risiken.
Scheinheilige Politik
Es steht allerdings zu befürchten, dass die Diskussion um die Mitarbeiterbeteiligung ausgehen wird wie das „Hornberger Schießen“. Der Widerstand der Tarifpartner ist noch immer zu groß. Bei Investivlöhnen und Gewinnbeteiligungen wird die Lohnfindung faktisch dezentralisiert. Der Wert der Kapital- und die Höhe der Gewinnbeteiligung ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Es ist nicht möglich, alle Unternehmen über einen Kamm zu scheren. Mitarbeiterbeteiligungen sind ein Einfallstor für betriebliche Lösungen.
Sindelfingen hat letzte Woche gezeigt, Pforzheim war nicht mehr als eine Fata Morgana. Die Tarifpartner werden das Feld zentraler, kollektiver Lösungen nicht freiwillig räumen. Der Widerstand gegen betriebliche Bündnisse für Arbeit ohne Vetorecht der Tarifpartner ist ungebrochen. Das haben auch die Großkoalitionäre zur Kenntnis genommen. Im Koalitionsvertrag haben sie sich auf diesem Feld zum Nichtstun verpflichtet. Noch dominiert das Organisationsinteresse der Verbände ökonomisch effiziente Lösungen. So lässt sich der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit nicht gewinnen, die Lohnquote wird weiter sinken.
Gesetzliche Öffnungsklauseln sind der Lackmus-Test, wie ernst es die Politik mit Mitarbeiterbeteiligungen meint. Lässt man betriebliche Lösungen ohne „Wenn und Aber“ zu, erübrigt sich die Diskussion um staatlich geförderte Mitarbeiterbeteiligungspläne. Bei betrieblichen Bündnissen gewinnen ertragsabhängige Formen der Entlohnung an Gewicht. Die Politik braucht also nicht das Geld der Steuerzahler in die Hand zu nehmen, um die Mitarbeiter an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu beteiligen. Eine ordnungspolitisch richtige Entscheidung reicht. Kein Wunder, dass man von der Politik dazu nichts hört.
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Sehr geehrter Herr Berthold,
es gibt durchaus Argumente für höhere Gewinnbeteiligung. Argumente hierfür nennen Sie ja. Aber das geht NUR in einer Kombination mit mehr innerbetrieblicher Mitbestimmung der Arbeitnehmer und Gewerkschaften.
Denn wenn der Gewinn des Unternehmens einen Teil des Arbeitslohnes ausmacht, dann ist es natürlich ein gutes Recht jedes Arbeitnehmers, dass er Einfluß auf die unternehmerischen Entscheidungen hat. Streiks mit der Forderungen, dass VW mehr Hybridfahrzeuge produziert, wären dann selbstverständlich berechtigt. Instrumente wie die gewerkschaftliche Mitbestimmung vor allem in Personengesellschaften gestärkt wird (in Kapitalgesellschaften ist dies einfacher), müssten als erstes angegangen werden.
Wollen Sie eine höhere Mitbestimmung nicht, dann ist sicherlich Gewinnbeteilung der falsche Weg. Mittels kreativer Unternehmensbilanzen kann leicht der Arbeitnehmerlohn diktiert werden. Ein Anreiz zu höherer Mobilität, wie Sie schreiben, ist dies übrigens nicht. Zur Zeit weiss man, dass der Arbeitslohn in Süddeutschland und bei Ingenieuren eher höher ist als in Norddeutschland und bei Geisteswissenschaftlern. Das wird auch in einigen Jahren noch so sein. Ob aber das Unternehmen, in dem ich arbeite, auch im nächsten Jahr noch einen Gewinn aufweist, ist unklar, so dass der Lohn variabel ist. Das mag für das Unternehmen vom Vorteil sein, für den Arbeitnehmer ist es das nicht. Aufgrund dieser Unsicherheit wird man eher nicht das Unternehmen wechseln (was ja immer mit Aufwand und Risiko verbunden ist), vor allem wenn dies auch einen regionalen Umzug bedingt. Man mag durch den Wechsel in diesem Jahr mehr verdienen, aber im nächsten Jahr kann dies schon wieder ganz anders aussehen. Da bleibt man doch besser im alten Unternehmen.
Auch volkswirtschaftlich macht dies keinen Sinn. In Boomzeiten (allgemein hoher Unternehmensgewinne) steigt der Arbeitnehmerlohn und die Binnennachfrage steigt mit inflationären Tendenzen. In Krisenzeiten (allegemein geringer Unternehmensgewinne bzw. hoher Unternehmensverluste) sinken die Arbeitnehmerlöhne und die Binnennachfrage sinkt (zusätzlich aufgrund hoher Arbeitslosigkeit).
Ergo: höhere Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer – ja, WENN es gleichzeitig mehr Mitbestimmung der Arbeitnehmer gibt.
Freundliche Grüße
Christian Holzer
> Auch volkswirtschaftlich macht dies keinen Sinn.
> In Boomzeiten (allgemein hoher Unternehmensgewinne)
> steigt der Arbeitnehmerlohn und die Binnennachfrage steigt mit
> inflationären Tendenzen. In Krisenzeiten (allegemein geringer
> Unternehmensgewinne bzw. hoher Unternehmensverluste) sinken die
> Arbeitnehmerlöhne und die Binnennachfrage sinkt (zusätzlich aufgrund
> hoher Arbeitslosigkeit).
Was sie beschreiben, ist der völlig normale Ablauf in einer freien Marktwirschaft: jeder kann sich nur das leisten, was er durch seine eigene Arbeit erwirtschaftet. Insofern stellt sich die Frage nach der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit gar nicht.
Sehr geehrter Herr Spengler,
wenn aufgrund der Struktur des Arbeitnehmereinkommens die konjunkturellen Extreme vergrößert und verlängert werden, dann stellt sich natürlich die Frage nach der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit.
Aber ich will auf dieses Argument gar nicht bestehen. Es war ja nicht mein Hauptgegenargument, da ich ja nichts gegen eine stärkere Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer habe, WENN gleichzeitig die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in diesen Betrieben (also auch in reinen Personengesellschaften, wenn diese auf Gewinnbeteilung ihrer Mitarbeiter setzen) drastisch ausgeweitet wird.
Freundliche Grüße
Christian Holzer