Nach dem Ende der Ampel-Regierung
Wirtschaftspolitischer Neustart nötig

Die deutsche Bunderegierung ist gescheitert. Nachdem Bundesfinanzminister Christian Lindner am Mittwochabend in der Sitzung des Koalitionsausschusses Bundeskanzler Olaf Scholz Neuwahlen vorgeschlagen hatte, entließ der Kanzler den Finanzminister. Der Bundeskanzler erklärte anschließend, er werde im Januar die Vertrauensfrage im Bundestag stellen, sodass es gegebenenfalls im März Neuwahlen geben kann. Das Aus der sogenannten Ampel-Regierung kommt nach mehreren Wochen schwerer regierungsinterner Differenzen. Insofern ist die Entwicklung keine Überraschung mehr.

Von Anfang an stand die Koalition unter keinem guten Stern, weil mit der FDP und den Grünen zwei Parteien miteinander umgehen mussten, die wirtschaftsphilosophisch und weltanschaulich meilenweit auseinanderliegen. Die FDP steht für Individualismus und marktwirtschaftliche Lösungen, die Grünen für kollektive und dirigistische Ansätze. Insofern war klar, dass der Koalition dauerhaft ein Spagat gelingen muss – und dieser Spagat war nun nach drei Jahren offensichtlich nicht mehr auszuhalten.

Alle drei Regierungsparteien liegen in Umfragen weit unter ihren Wahlergebnissen der Bundestagswahl von 2021 (SPD: 16% statt 25,7%; Grüne: 10% statt 14,8%; FDP: rund 4% statt 11,5%). Stärkste Partei wäre nach jüngsten Umfragen die bisherige Oppositionspartei CDU/CSU mit 32-33% (Bundestagswahl 2021: 18,9%). Die nächste Regierungskoalition wird also sehr wahrscheinlich von den Unionsparteien geführt werden.

Wirtschaftspolitik

Nach dem Scheitern der Ampel braucht Deutschland eine neue Wirtschaftspolitik. Deutschlands Wirtschaft stagniert. Das Land ist inzwischen ans Ende der Wachstumstabelle in Europa abgerutscht. Die Stagnation mag eine konjunkturelle Momentaufnahme sein, doch auch die langfristigen Perspektiven sind trüb: Das deutsche Potenzialwachstum sinkt auf nur noch magere 0,5%. Dies steht in starkem Kontrast zu dem von Bundeskanzler Scholz im März 2023 in Aussicht gestellten neuen Wirtschaftswunder mit Wachstumsraten wie in den 50er und 60er Jahren.

Was ist zu tun? Zunächst ist festzustellen: Der ökologische Umbau der Wirtschaft ist nicht der erhoffte Wachstumsmotor, sondern zunächst einmal eine schwere Belastung für den Standort Deutschland. Daraus folgt: Energiewende und ökologischer Umbau mit der Brechstange sind kontraproduktiv. Klimaschutz ist marktwirtschaftlich zu organisieren, um wertvolle Ressourcen zu sparen und die volkswirtschaftlichen Kosten zu begrenzen. Deutschland sollte sich zudem überlegen, ob es sinnvoll ist, die europäischen Klimaschutzziele in nationaler Eigenregie überzuerfüllen. Ein internationales öffentliches Gut wie der Klimaschutz gehört auf die europäische Ebene.

Wenn die deutsche Wirtschaft wachsen soll, braucht es – auch mental – eine grundlegende Neuausrichtung. Robert Habeck hat bereits kurz nach seiner Amtseinführung zu verstehen gegeben, dass BIP-Wachstum nicht alles ist – sehr erstaunlich für einen Wirtschaftsminister. Es war ihm wichtig, im Jahreswirtschaftsbericht dem Bruttoinlandsprodukt ein Indikatoren-Set zur Seite zu stellen, um andere Dimensionen des Wohlstandes messbar zu machen. Wenn sich eine solche Grundhaltung selbst im Bundeswirtschaftsministerium breit macht, darf die deutsche Wachstumsschwäche nicht überraschen.

Nicht nur in Deutschland hat in den letzten Jahren ein grundlegender Paradigmenwechsel stattgefunden. „Big government“ ist wieder angesagt. Wirtschaftspolitiker sehen sich als die besseren Unternehmer. Die neue Zuversicht in die Lösungskompetenz der Politik muss doch überraschen. Bei den Kernaufgaben des Staates – die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit – ist die schlechte Performance der deutschen Politik unübersehbar. Statt sich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren und hier gute Ergebnisse zu liefern, reißt die Politik aber immer mehr Aufgaben an sich. Mit einer Staatsausgabenquote von 48,6% im Jahr 2023 liegt die staatliche Aktivität auf einem historisch sehr hohen Niveau. Zumal in der Staatsausgabenquote nicht-monetäre Regulierungen überhaupt nicht erfasst werden. Das wahre Ausmaß der staatlichen Aktivität wird mit dieser Kennzahl somit noch gar nicht ausreichend erfasst.

Neben der grundsätzlichen Neuausrichtung gibt es einige Dauerbrenner einer wirtschaftspolitischen Reformagenda: Bürokratieabbau, Deregulierung, an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gesteuerte Zuwanderung, längere Lebensarbeitszeiten um den demografischen Wandel und die Arbeitskräfteknappheit abzufedern. Die Wirtschaft braucht einen verlässlichen und unternehmensfreundlichen Ordnungsrahmen, um sich an die Neuordnung der Weltwirtschaft anpassen zu können. Diese Punkte bedürfen keiner weiteren Analyse, sie warten schlicht auf Umsetzung. Ob eine neue Regierung die nötigen Reformen umsetzen kann, bleibt abzuwarten. Eine Lehre aus der Ampel-Regierung ist, dass Koalitionspartner eine gewisse inhaltliche Schnittmenge brauchen. Ob sich eine solche Koalition angesichts der fragmentierten Parteienlandschaft und der unterschiedlichen Unvereinbarkeiten überhaupt bilden lässt, ist die große Frage.

Wirtschaft, Gesellschaft und Politik

„It’s the economy, stupid“ – dieses Diktum von Bill Clinton gilt heute nur noch zur Hälfte. Die gesellschaftlichen Spannungen und die fragmentierte Parteienlandschaft gab es schon, als Deutschland noch die Wachstumslokomotive Europas war. Sie sind – wie in vielen anderen Ländern auch – das Ergebnis eines Vertrauensverlustes in größeren Teilen der Bevölkerung. Weit verbreitet ist die Vorstellung, dass sich die Politik nicht um die Themen kümmert, die den Bürgern besonders wichtig sind. Eine Kluft ist entstanden zwischen den Bürgern und der Regierung. Ob die Sichtweise der Bürger berechtigt ist oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden. Tatsache ist aber, dass sich ein derartiger Vertrauensverlust nicht einfach ausbügeln lässt. Vertrauen entsteht Stück für Stück. Vertrauensaufbau ist harte Arbeit.

Wirtschaftlicher Erfolg allein wird die gesellschaftlichen Spannungen nicht beseitigen können. Es sind auch die Erkenntnisse von Soziologen gefragt, um die gesellschaftliche Stimmung wieder zu befrieden. Aus Ökonomen-Sicht wäre ztumindest viel gewonnen, wenn die Bürger und Unternehmen wieder mehr Freiräume bekämen, um ihr Glück in die eigenen Hände zu nehmen. Politiker wären gut beraten, wenn sie die Menschen wieder so akzeptieren, wie sie sind. Wirtschaftspolitische Konzepte müssen auf die Eigenarten der Wirtschaftsakteure abgestimmt sein. Dagegen darf der Versuch, die Wirtschaftsakteure zu zwingen, sich an eigenartige wirtschaftspolitische Konzepte anzupassen, als gescheitert angesehen werden.

Und schließlich: Wie wäre es, mehr direkte Demokratie zu wagen? Was spricht dagegen, über weltanschauliche Fragen, die kein besonderes Expertenwissen erfordern, per Volksentscheid abstimmen zu lassen? Auch bei Volksentscheiden muss sich die Minderheit der Mehrheit beugen, insofern sind Volksentscheide kein Allheilmittel. Aber zumindest würden die Bürger das Gefühl bekommen, gehört zu werden und selbst entscheiden zu können. Vielleicht wäre das ein Rezept, das politische Klima wieder zu beruhigen.

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