Die im Wahlkampf in Aussicht gestellten Steuergeschenke sind frohe Botschaften für die steuerzahlenden Bürger. Allerdings halten sich die Parteien bedeckt, was die Finanzierung anbelangt. Hier wird ein Streifzug durch den Bundeshaushalt unternommen. Es wird gezeigt, welche Budgetkategorien überhaupt zur Disposition stehen, und es wird dargelegt, dass kein Weg daran vorbei führt, Tabu-Themen in die öffentliche Diskussion einzubeziehen und sich an heilige Kühe heranzuwagen.
Die Bundestagswahl steht kurz bevor und der Wahlkampf geht in die heiße Phase. Die Parteien werben u.a. mit unterschiedlich hoch ausfallenden Steuersenkungsplänen um die Gunst der Wähler. Das Steuersenkungspaket der AfD hat mit 149 Mrd. Euro fast Doppelwumms-Charakter, die FDP verspricht eine Entlastung in Höhe von 138 Mrd. Euro, die CDU/CSU eine mit einem Volumen von 89 Mrd. Euro. Die geplanten Steuerentlastungen der Grünen beziffern sich auf 48 Mrd. Euro und die der SPD auf 30 Mrd. Euro.
Wie soll das bezahlt werden?
Die Parteien haben zwar teils detaillierte Vorstellungen über die Komponenten ihrer Steuersenkungspakete, doch halten sie sich sehr bedeckt, was die Frage nach der Mittelherkunft anbelangt. Diese Zurückhaltung ist aus wahltaktischen Gründen verständlich, sind Kürzungen doch unbeliebt und könnten Wählerstimmen kosten. Teils wissen die Parteiführungen vielleicht noch gar nicht, welche Ausgaben sie antasten wollen, um eine Deckungsgrundlage für die versprochenen Steuersenkungen zu schaffen. Es besteht daher Anlass für die Vermutung, dass ein ambitioniertes Steuersenkungspaket zu einem Reförmchen zurückgestutzt werden muss, weil es an Kürzungsphantasie und vermutlich auch an Mut mangelt, dort gezielt den Rotstift anzusetzen, wo es geboten erscheint.
Zu fragen ist: welche Ausgaben gehören auf die Streichliste und wo ist die Höhe der Ausgaben vorgegeben? Welche Ausgabearten sollten keinesfalls angetastet, sondern eher erhöht werden, weil sie zukunftswirksam sind?
Wo nicht gekürzt werden kann
Altlasten wie die Zinsen für die in der Vergangenheit aufgenommenen Kredite (Soll 2024: 38,3 Mrd. Euro) sind ein Datum, das der Finanzminister hinnehmen muss und das nur auf lange Frist änderbar ist. Bei einer Lockerung der Schuldenbremse, wie sie vielen vorschwebt, würden sich die Zinsausgaben in die falsche Richtung entwickeln. Auch die Ausgaben des Bundes für Pensionen und Beihilfen (Soll 2024: 15 Mrd. Euro) sind invariant und reagieren nur sehr langfristig auf einen Kurswechsel in der Personalpolitik. Bei den Ausgaben für Grundlagenforschung (Soll 2024: 14 Mrd. Euro) , für Bildung (Soll 2024: 11,4 Mrd. Euro) und für Infrastruktur mit öffentlichem Guts-Charakter wie Straßen- und Brückenbau (Soll 2024: 16,2 Mrd. Euro) besteht Aufstockungsbedarf ebenso wie bei den Verteidigungsausgaben (Soll 2024 in der Abgrenzung des Kieler Bundesausgabenmonitors: 62,9 Mrd. Euro) und den Hilfen für die Ukraine (2024: 8 Mrd. Euro). Freilich müssen auch in den genannten Aufgabefeldern potentielle Effizienzreserven ausgeschöpft werden.
Somit verbleiben – neben den auslandswirksamen Zahlungen (Soll 2024: 53,6 Mrd Euro), auf die hier nicht eingegangen wird – nur noch die Finanzhilfen, die Sozialausgaben und die Ausgaben des Bundes für die diversen staatlichen Institutionen.
Hohe Sparpotentiale vorhanden
Die Finanzhilfen bezifferten sich im Jahr 2024 auf 127 Mrd. Euro (Claus-Friedrich Laaser, Astrid Rosenschon und Klaus Schrader 2025, Kieler Subventionsbericht 2024). Hinzu kommen 8,8 Mrd. Euro aus dem noch nicht verabschiedeten Nachtragshaushalt 2024. Zwar gibt es auch bei den Finanzhilfen Positionen, die nicht angetastet werden können, wie vor allem die Pensionsleistungen an die ehemaligen Bahnbediensteten (2024: 5,1 Mrd. Euro). Aber das Gros der Finanzhilfen ist kürzbar und sollte kräftig zurückgestutzt werden. Im Beitrag „Subventionen – sinnvoll oder fragwürdig?“ wird begründet, warum das Letztere zutrifft (siehe Claus -Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon 2025). Subventionsabbau funktioniert nur mit der Rasenmäher-Methode im Rahmen eines langfristig angelegten Programms, das mit Steuersenkungen einhergeht. Entsprechende Modellrechnungen für Deutschland haben Alfred Boss und Astrid Rosenschon im Jahr 2011 vorgelegt.
Kürzungspotentiale finden sich auch bei den Sozialausgaben. Im Jahr 2024 hat der Bund Zuschüsse an die Rentenversicherung in Höhe von 105,8 Mrd. Euro gezahlt. Darunter sind durchaus Positionen, die nicht als Altlasten hingenommen werden müssen (wie etwa die nötigen Finanzspritzen an berufsspezifische Versorgungswerke mit schrumpfender Mitgliederzahl), sondern korrigierbar sind. So bezifferten sich der allgemeine Bundeszuschuss an die Rentenversicherung auf 56,9 Mrd. Euro und der zusätzliche Bundeszuschuss auf 30,8 Mrd. Diese Zuschüsse wurden erforderlich, weil die Rentenversicherung bestimmten Personen Rentenpunkte gutschreiben und Rentenbeträge auszahlen muss, für die keine Beiträge geleistet werden bzw. worden sind. Hierzu zählen eine höhere Bewertung von Rentenzeiten in den neuen Bundesländern und von Zeiten der Berufsausbildung, die Zahlung von Altersrenten vor Erreichen des regulären Rentenalters ohne entsprechende versicherungsmathematische Abschläge sowie die rentensteigernde Berücksichtigung der Fachschulausbildung und des Mutterschutzes. Neben dem Bundeszuschuss in Höhe von 105,8 Mrd. Euro leistet der Bund Beiträge an die Rentenversicherung für Kinder-Erziehungszeiten in Höhe von 18.1 Mrd. Euro. Es muss die Frage gestattet sein, welche der sozialen Errungenschaften wieder rückgängig gemacht werden sollten. Damit ist gemeint, dass – von Altfällen mit Vertrauensschutz abgesehen – keine neuen Ansprüche mehr eingeräumt werden. Die abschlagsfreie Rente mit 63 gehört sicher auf die Streichliste. Auch der Rentenbonus für Ausbildungszeiten und Mutterschutz könnte hinterfragt werden. Was die möglicherweise bevölkerungspolitisch motivierten Subsidien wie die Anrechnung von Erziehungszeiten anbelangt, so muss man wohl konstatieren, dass ein höherer Zielerreichungsgrad nicht erkennbar ist. Ein höherer Kinderfreibetrag und niedrigerer Einkommensteuertarif wären wohl besser geeignet, junge Paare zur Familiengründung oder – erweiterung anzuregen als die unsichere Hoffnung auf eine Belohnung in ferner Zukunft. Dann wäre auch das Elterngeld (Soll 2024: 8 Mrd. Euro) obsolet, zumindest teilweise. Freilich sollte auch die Altersgrenze schrittweise an die gestiegene Lebenserwartung angepasst werden, was aber nicht dem Bundeshaushalt, sondern den Beitragszahlern zugutekommen soll.
Bei der Frage, wie die Steuersenkungen zu finanzieren sind, wird in der öffentlichen Diskussion und in politischen Debatten der Focus auf das Bürgergeld (Soll 2024 26,5 Mrd. Euro) gerichtet, während die Finanzhilfen und der Bundeszuschuss an die Rentenversicherung nicht das Thema zu sein scheinen. In der Tat ist bei circa 4 Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldempfängern eine für sozial Schwache gedachte Hilfe zur „komfortablen Stallfütterung“ (Wilhelm Röpke) degeneriert, und es bedarf dringender Korrekturen. So müssen die Geldleistungen reduziert werden. Auch muss der Bezug einer Geldleistung mit einer Gegenleistungspflicht verknüpft werden. Dadurch würde die Nachfrage nach Staatshilfe wohl deutlich zurückgehen.
Zu bedenken ist aber, dass die reduzierten Geldleistungen an die im System Verbliebenen nicht unproblematisch sind. Diese wären gezwungen, zu noch billigeren Produkten vom Discounter zu greifen. Falsche Ernährung ist dem Ernährungsmediziner Matthias Riedl nach in der gesellschaftlichen Unterschicht besonders ausgeprägt. Empirische Studien haben gezeigt, dass dadurch die kognitive Fähigkeit in frühkindlicher Phase entscheidend beeinträchtigt wird. Auch entstehen durch ernährungsbedingte Krankheiten nicht unerhebliche Folgekosten. Sachtransfers wie Gutscheine für gesunde Lebensmittel würden dem entgegenwirken. Dies käme pro Kopf gerechnet, deutlich teurer. Überdies: soll soziale Mobilität gefördert werden, geht es auch um Bildung und kulturelle sowie sportliche Teilhabe benachteiligter Jugendlicher. Wieviel oder ob per Saldo bei den Zuwendungen an die unterste Bevölkerungsschicht gespart werden kann, ist ungewiss. Zu beachten ist, dass eine dort realisierte Ersparnis durchaus mit Folgekosten an anderer Stelle einhergehen kann, seien es Krankheitskosten, Kosten für Kriminalitätsbekämpfung etc.
Bei den Ausgaben des Bundes für die staatlichen Institutionen sind Sparpotentiale zu vermuten. Es gibt ein ganzes Sammelsurium an Bundesämtern, Bundesanstalten und Bundesinstituten. Sie tätigten laut Haushaltsplanung im Jahr 2024 Gesamtausgaben in Höhe von 11,3.Mrd. Euro ((Claus-Friedrich Laaser und Astrid Rosenschon (2024), Kieler Bundesausgabenmonitor 2024). Es bedarf einer gesonderten Überprüfung, ob oder in welchem Maße diese Institutionen volkswirtschaftlich sinnvollen und notwendigen Tätigkeiten nachgehen oder lediglich der Wirtschaft und den Haushalten unnötige Bürokratiekosten und überhöhte Steuern aufbürden. Die Ausgaben für Legislative, Exekutive und Judikative beliefen sich auf 5,4 Mrd. Euro. Auch hier sind Effizienzreserven zu vermuten.
Wie die Steuerbasis verbreitert werden kann
Nicht zuletzt geht es darum, die Steuerbasis zu verbreitern, um kräftige Steuersenkungen realisieren zu können. Hierzu bietet sich das Stopfen der zahlreichen Steuerschlupflöcher an, die Steuervergünstigen in Höhe von insgesamt 74,8 Mrd. Euro im Jahr 2024 verursachten, folgt man den Angaben im amtlichen Subventionsbericht. In diesem Betrag sind einige Steuervergünstigungen aber noch gar nicht enthalten, etwa die Steuerausfälle aufgrund des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Lebensmittel und des Dieselprivilegs sowie der Dienstwagenpauschale.
Mehr Steuereinnahmen könnten auch generiert werden, wenn die Unternehmen von Bürokratiekosten entlastet werden würden und wieder mehr investieren und forschen könnten. Nicht zuletzt würde eine umfassende Besteuerung von Emissionen, wie dies der wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium empfiehlt, zusätzliches Geld in die Bundeskasse spülen. (Die derzeitigen Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten betragen 18,5 Mrd. Euro (FAZ vom 8.1.2025)). Stattdessen bürden die umweltpolitisch motivierten Finanzhilfen den Steuerzahlern 51,4 Mrd. Euro (Zahl einschließlich Daten aus dem Entwurf zum Nachtragshaushalt) auf. Die Vielfalt der einzelnen Maßnahmen besticht. Mit 85 einzelnen Finanzhilfen wird versucht, die Umwelt zu verbessern. Ob bei einem solchen Mikrokosmos rationale Politik überhaupt möglich ist? Mitunter wird argumentiert, Umweltsubventionen müssten sein, weil eine konsequente CO2-Bepreisung wegen des höheren Energieanteils in unteren Bevölkerungsschichten politisch nicht durchsetzbar ist. Dem kann die Politik jedoch durch gezielte Geldtransfers entgegenwirken.
LITERATUR:
Boss, A. und A. Rosenschon (2011). Subventionsabbau in Deutschland. Gutachten im Auftrag der INSM-Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH. Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel Prognose-Zentrum.
Laaser, C.-F., A. Rosenschon und K. Schrader (2025). Kieler Subventionsbericht 2024. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, Kiel: Institut für Weltwirtschaft. Erscheint im Februar 2025.
Laaser, C.-F. und A. Rosenschon (2025). Subventionen – sinnvoll oder fragwürdig? In: Wirtschaftliche Freiheit. Erscheint demnächst.
Laaser, C.-F. und A. Rosenschon (2024). Der Kieler Bundesausgabenmonitor 2024: Eine empirische Strukturanalyse des Bundeshaushalts. Kieler Beiträge zur Wirtschaftspolitik, 47. Kiel: Institut für Weltwirtschaft. Via Internet (30.08.2024) https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-import/c877aa6f-2194-40cf-a074-ec03e313abf4-kd516-517_anhang.pdf< https:/.
Riedl, M. (2022). Unser Essen – Killer und Heiler. Was wir gegen die Katastrophe auf unseren Tellern tun können. München.
Rosenschon, A. (2024). Subventionen in Deutschland. Es ist 5 Minuten vor 12. In: https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=38152
Rosenschon, A. (2024).Deutschland – Sozialstaat mit ausgeprägter Wohlstandsspreizung. In: https://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=37217
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