Vom Sinn und Unsinn eines Währungskrieges

Der Hauptkrisenherd im Währungskonflikt ist bereits seit geraumer Zeit die Diskussion zwischen den USA und China über eine Aufwertung des Renminbi, der bisher mehr oder weniger fest an den US-Dollar gebunden war. Die – aus Sicht der USA – bewusste Unterbewertung der chinesischen Währung ist demnach der Grund für das hohe bilaterale Handelsdefizit der USA gegenüber China. Nachdem China dem amerikanischen Druck auf eine substantielle Aufwertung (bisher) nicht nachkam, stimmten die Abgeordneten des amerikanischen Repräsentantenhauses am 28.9.2010 für Schutzzölle gegenüber chinesischen Exporten. Begründet wird diese Entscheidung damit, dass die „fundamentale Unterbewertung“ der Währung wie eine Exportsubvention wirkt und damit gemäß Art. VI des GATT durch Vergeltungszölle kompensiert werden kann. Auch wenn diese Entscheidung noch der Zustimmung des amerikanischen Senats bedarf, zeigt sie doch den hohen Stellenwert dieses Konflikts.

Parallel dazu hatte die Schweizerische Nationalbank bereits im Frühjahr 2009 begonnen, am Devisenmarkt zu intervenieren – angeblich, um mit einer Abwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro einer drohenden Deflation entgegenzuwirken. Doch auch hier hatte im Vorfeld der Interventionen die schweizerische Exportwirtschaft nachhaltig vor den Gefahren eines immer stärkeren Frankens gewarnt.

Endgültig verschärft wurde diese Diskussion durch die am 15. September 2010 – nach sechsjähriger Abstinenz – durchgeführten Interventionen des japanischen Finanzministeriums an den Devisenmärkten, um auf diese Weise die andauernde Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar zu stoppen. Dies führte wiederum dazu, dass der brasilianische Finanzminister Ende September – mit Verweis auf das japanische Vorgehen – ankündigte, die nachhaltige Aufwertung des Real zu stoppen, um einem drohenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit zu begegnen. Notfalls sollen für die Interventionen sogar Kredite von Seiten des Staates aufgenommen werden. Der brasilianische Finanzminister warf den entwickelten Ländern in diesem Zusammenhang (pauschal) vor, ihre Währungen bewusst zu schwächen.

Immer mehr Länder scheinen mithin Abwertungen bzw. Unterbewertungen ihrer Währung erzwingen zu wollen, um Wettbewerbsvorteile und positive Beschäftigungseffekte zu Lasten ihrer „Nachbarn“ zu erlangen. Damit stellt sich aber die Frage, wie erfolgreich ein Land eine solche Strategie verfolgen kann? Hierbei muss man zwischen einem Währungssystem fester und einem solchen flexibler Wechselkurse unterscheiden, wie die zuvor erläuterten Beispiele deutlich gemacht haben. Bei flexiblen Wechselkursen gilt es, nach der Wirksamkeit von (freiwilligen) Devisenmarktinterventionen zu fragen, während bei festen (aber fehlbewerteten) Wechselkursen mögliche Anpassungsprozesse im Vordergrund des Interesses stehen.

Nach dem Zusammenbruch des Festkurssystems von Bretton-Woods ist es immer wieder zu freiwilligen Interventionen an den Devisenmärkten gekommen. Besonders aktiv waren in diesem Zusammenhang etwa die Schweiz, Japan, Australien, aber auch Deutschland. Während in den ersten Jahren flexibler Wechselkurse Interventionen primär gegen kurzfristige Wechselkursschwankungen (Volatilität) gerichtet waren, rückten im Laufe der Zeit zunehmend Korrekturen gravierender Ungleichgewichte (Misalignment) in den Vordergrund. Auch gegenwärtig geht es insbesondere um deutliche Fehlbewertungen von Wechselkursen. Dabei stellt sich aber zunächst die Frage, woran ein solches Ungleichgewicht überhaupt gemessen werden kann oder soll. Es geht um einen adäquaten Maßstab für den „richtigen“ bzw. „fairen“ Wechselkurs. Eine mögliche Definition des richtigen Wechselkurses könnte dem Marktkurs entsprechen. In diesem Fall wäre die Diskussion aber bereits an dieser Stelle beendet; denn warum sollte man am Devisenmarkt intervenieren, also in einen Markt eingreifen, wenn zu jedem Zeitpunkt der gleichgewichtige – und damit richtige – Kurs zustande kommt? In der Praxis wird jedoch in aller Regel der „richtige“ bzw. „faire“ Wechselkurs mit dem Kaufkraftparitätenkurs gleichgesetzt. Er beruht hauptsächlich auf güterwirtschaftlichen Einflussfaktoren und erklärt als Wechselkurstheorie die längerfristige Wechselkursentwicklung. Kurz- und mittelfristig kann es jedoch – primär aufgrund von Kapitaltransaktionen – zu mehr oder weniger großen und anhaltenden Abweichungen von der Kaufkraftparität kommen, die sich dann als Misalignment interpretieren lassen.

Akzeptiert man diesen Maßstab, stellt sich als nächstes die Frage nach der Wirksamkeit von Devisenmarktinterventionen. Dabei muss zwischen sogenannten sterilisierten (neutralisierten) und nicht sterilisierten Interventionen unterschieden werden. Nicht sterilisierte Devisenmarktinterventionen werden in aller Regel als wirksamer mit Blick auf die Wechselkursentwicklung angesehen, weil es sich im Kern um eine geldpolitische Maßnahme handelt, die dann über Zins- und Inflationsdifferenzen auf den Wechselkurs wirkt. Interveniert nämlich ein Land, um die eigene Währung zu schwächen und damit die Fremdwährung zu stärken, so muss es eigene Währung verkaufen und Devisen ankaufen. Der Verkauf eigener Währung wirkt in diesem Fall wie eine expansive Geldpolitik und schwächt über die üblichen Kanäle die heimische Währung. Dies zeigt zugleich, dass eine expansive Geldpolitik – wie etwa gegenwärtig in den USA – die gleiche Wirkung auf den Wechselkurs auszuüben vermag wie entsprechende Devisenmarktinterventionen.

Weniger eindeutig ist die Wirkung von Devisenmarktinterventionen, wenn deren geldpolitische Einflüsse sterilisiert werden. Während man durch die oben erläuterten Devisenmarktinterventionen die heimische Geldmenge ausweitet, würde man zur Sterilisation im Gegenzug zum Beispiel mit Hilfe einer restriktiven Offenmarktoperation dieses zusätzlich geschaffene Geld wieder vom Markt nehmen. Im Idealfall bleibt die Geldmenge konstant – und damit auch die Wirkung auf die Wechselkursentwicklung aus? Zahlreiche empirische Studien sind in den vergangenen Jahren zu dem Ergebnis gekommen, dass sterilisierte Devisenmarktinterventionen – wenn überhaupt – nur sehr kurzfristig für einige Stunden oder bestenfalls Tage wirken. In all diesen Studien hat sich aber kaum eine nachhaltige Trendumkehr nachweisen lassen. Dies erscheint auch kaum verwunderlich. Zum Einen signalisieren sterilisierte Devisenmarktinterventionen ja gerade, dass ein Land keine geldpolitische Trendwende anstrebt. Zum Anderen erscheinen die Interventionsvolumina selbst bei koordinierten Interventionen mehrerer Notenbanken viel zu gering im Verhältnis zu den täglichen Umsätzen an den Devisenmärkten, um eine nachhaltige Wirkung ausüben zu können. Ist diese Politik aber nicht erfolgreich, wertet die heimische Währung also (weiter) auf, dann erleidet die betroffene Zentralbank Verluste, weil die angekauften Devisen zunehmend an Wert verlieren. Dieser Situation sah sich in den zurückliegenden Monaten die Schweizerische Nationalbank gegenüber, weil sie versuchte, gegen den Markttrend zu intervenieren, der den Schweizer Franken in Richtung Kaufkraftparität korrigierte.

Auch ein „Herunterreden“ des Wechselkurses von politischer Seite verspricht wenig (nachhaltigen) Erfolg. Selbst wenn der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds bekundete, der Euro sei heute zu stark, und daraufhin der Euro um einen halben US-Cent fiel, wird dies kaum die weitere Entwicklung des Wechselkurses beeinflussen. Warum auch? Die Aussage von Juncker wird (hoffentlich) weder dazu führen, dass die unabhängige Europäische Zentralbank am Devisenmarkt interveniert, noch ihre Geldpolitik ändert, um den Wechselkurs zu beeinflussen. Daher besteht für die privaten Marktteilnehmer auch kein Anreiz, ihre eigenen Erwartungen zu revidieren und damit den Wechselkurs dauerhaft in eine andere Richtung zu lenken. Viel bedenklicher erscheint hingegen der politische Sinneswandel bezüglich der Eurobewertung. Während es im Mai dieses Jahres noch galt, den „Euro zu retten“ und die „anhaltende Abwertung“ aufzuhalten, geht es wenige Monate später bereits darum, den Euro bewusst zu schwächen.

Worin liegt also der Vorteil für das agierende Land bei flexiblen Wechselkursen? Führt es sterilisierte Interventionen durch, so wird es kaum gelingen, den Wechselkurs nachhaltig im eigenen Interesse und gegen den Markttrend zu beeinflussen. Werden die geldpolitischen Wirkungen der Interventionen nicht sterilisiert oder betreibt das agierende Land eine „reine“ Geldpolitik, dann lässt sich der Wechselkurs beeinflussen. Der mit der Abwertung der heimischen Währung verbundene Vorteil für die Exporteure besteht aber in der Regel bestenfalls temporär – und zwar so lange, bis die expansive Geldpolitik zum Anstieg der Inflation und damit zur Kompensation eines anfänglichen (Wettbewerbs-)Vorteils führt.

Im Rahmen eines Festkurssystems oder einer (einseitigen) Wechselkursbindung führt eine unterbewertete Währung zu einem Ungleichgewicht am Devisenmarkt. Es kommt zu einem Überschussangebot an Devisen, dem eine Überschussanfrage nach heimischer Währung gegenübersteht. Zum Ausgleich muss – bei einseitiger Bindung – die Zentralbank des sich bindenden Landes Devisen ankaufen und heimische Währung verkaufen. Die damit verbundenen Wirkungen entsprechen wiederum einer expansiven Geldpolitik, wie zuvor bereits erläutert. So weit entspricht dies auch der Situation in China. Die expansive Geldpolitik sollte jedoch – wenn auch mit einer zeitlichen Wirkungsverzögerung – zu einem Anstieg der chinesischen Inflationsrate führen, die dann mittel- bis längerfristig den (Preis-)Wettbewerbsvorteil der unterbewerteten Währung automatisch wieder kompensiert. Somit könnte auch eine unterbewertete Währung in einem Festkurssystem bestenfalls vorübergehend zu Wettbewerbsvorteilen im Außenhandel führen.

Dieses Prinzip der automatischen Anpassung hat auch in Deutschland während der Zeit fester Wechselkurse stets funktioniert. Die Unterbewertung der DM kam aber typischerweise durch niedrigere Inflationsraten im Verhältnis zu vielen anderen Ländern bei gleichzeitig fixierten Wechselkursen zustande. Die von Seiten der Deutschen Bundesbank notwendigen Devisenmarktinterventionen führten immer wieder zu einer Ausweitung der Geldmenge, so dass eine importierte (Anpassungs-)Inflation drohte. Um ihrem Ziel der Preisniveaustabilität zu entsprechen, hat sie sich jedoch – spätestens wenn eine Sterilisation aufgrund der hohen Interventionsvolumina nicht mehr möglich war – in der Regel gegen die Inflation und für eine Aufwertung der DM entschieden. Diese Aufwertungen – aber auch alternativ die importierte Inflation – korrigierten dann stets den temporären Wettbewerbsvorteil Deutschlands. Dieses Argument gilt aber auch in umgekehrter Richtung. Als in den späten 1990er Jahren diskutiert wurde, wer Mitglied der Europäischen Währungsunion werden sollte, war immer wieder das Argument zu hören, dass Italien auf jeden Fall aufgenommen werden solle, damit es seine Währung nicht mehr abwerten könne. Dabei wurde jedoch übersehen, dass den Abwertungen der italienischen Lira stets eine höhere Inflationsrate in Italien als in Deutschland vorauslief. Die Abwertungen der italienischen Lira haben also nur den zuvor aufgestauten inflationsbedingten Wettbewerbsnachteil Italiens – der einem Wettbewerbsvorteil Deutschlands entsprach – kompensiert.

Abweichungen von dem oben abgeleiteten Ergebnis sind jedoch dann möglich, wenn es der agierenden Notenbank gelingt, die mit den – nun obligatorischen – Interventionen verbundenen Einflüsse auf die Geldmenge zu sterilisieren. Bei kompletter Sterilisation bliebe die Inflationsrate unverändert und der Vorteil der unterbewerteten Währung könnte voll durchschlagen. Die Sterilisation fällt dabei umso leichter, je geringer die internationale Kapitalmobilität zwischen den beteiligten Ländern ausfällt. Kapitalverkehrsbeschränkungen können daher dazu führen, dass die Sterilisation umso eher und länger möglich ist, weil die Interventionsbeträge aufgrund des güterwirtschaftlichen Ungleichgewichts vergleichsweise niedrig sein werden. Eine zweite Ausnahme von den oben erläuterten Anpassungsprozessen ist dann vorstellbar, wenn administrative Eingriffe in die Preisbildung dazu führen, dass die Inflationsrate nicht in entsprechendem Umfang ansteigt und damit die Anpassung verhindern.

In China mögen diese Effekte zusammen wirken. Auf der einen Seite greift man (immer noch) in starkem Maße auf Kapitalverkehrsbeschränkungen zurück und erleichtert damit der vom Staat komplett abhängigen Notenbank die Sterilisation von Devisenzuflüssen. Auf der anderen Seite lässt eine durchschnittliche Inflationsrate (Konsumentenpreisindex) von null Prozent in den letzten Jahren trotz zweistelliger Wachstumsraten des BIP Zweifel an funktionierenden Marktmechanismen aufkommen. Die zufließenden Währungsreserven und die damit verbundene Ausweitung des Zentralbankgeldes (Geldbasis) hatten nämlich ein deutlich höheres Ausmaß als für die „Finanzierung“ des realwirtschaftlichen Wachstums notwendig gewesen wäre. Dass es bisher gleichwohl nicht zu einem deutlichen Anstieg des Konsumgüterpreisindexes gekommen ist, deutet auf administrative Preiseingriffe (insbesondere in den Bereichen Nahrungsmittel und öffentlichen Versorgung) hin. Die „Anpassungsinflation“ zeigt sich in diesem Fall wohl in erster Linie in Form von Vermögenspreissteigerungen, die als Indiz für Kassenhaltungs-„Inflation“ interpretiert werden könnte. Diese Form der Inflation kompensiert einen Unterbewertungsvorteil im güterwirtschaftlichen Bereich jedoch in keiner Weise, so dass das Handelsungleichgewicht zu Gunsten Chinas erhalten bleibt.

Fasst man die zuvor angestellten Überlegungen zusammen, so zeigt sich, dass sowohl (freiwillige) Devisenmarktinterventionen in einem System flexibler Wechselkurse als auch (bewusste) Fehlbewertungen des Wechselkurses bei festen Wechselkursen (Wechselkursbindung) – unter „normalen Umständen“ – keinen nachhaltigen Einfluss auf die internationale (Preis-)Wettbewerbsfähigkeit auszuüben vermögen. Der Euro droht daher auch nicht, zum Opfer eines Abwertungswettlaufs zu werden, weil sich die Europäische Zentralbank (bisher) nicht an den Devisenmarktinterventionen beteiligt hat. Ganz im Gegenteil – die jüngste Aufwertung des Euros gegenüber dem US-Dollar spiegelt vielmehr innere Stärke und Stabilität wider. Niedrige Inflation und hohes Wachstum sind die Gründe für den starken Euro, da gleichzeitig für die USA – insbesondere aufgrund der expansiven Geldpolitik – ein deutlich stärkerer Anstieg der Inflation erwartet wird. Versuchen trotzdem alle Länder gleichzeitig, ihre Währung abzuwerten, hat das im Grenzfall überhaupt keine Wirkung, da der Wechselkurs als relativer Preis nationaler Währungen konstant bleibt.

Dies zeigt nachdrücklich: Währungskriege ergeben keinen Sinn! Sterilisierte Devisenmarktinterventionen üben keine (nachhaltige) Wirkung auf die Wechselkursentwicklung aus. Sind die Interventionen hingegen mit einer Ausweitung der Geldmengen verbunden, dann führen sie zu steigenden Inflationsraten und damit einhergehenden Wohlfahrtsverlusten weltweit. Werden (zusätzlich) Vergeltungszölle als „Waffen“ eingesetzt, so steigen die Wohlfahrtsverluste noch weiter an, weil man unmittelbar in die Gütermärkte eingreift – mit der Gefahr eines induzierten Handelskrieges. Hinzu kommt, dass Wechselkursänderungen auf die gesamte Volkswirtschaft wirken, während handelspolitische Restriktionen wie Zölle typischerweise sektoral orientiert eingesetzt werden und damit ferner zu strukturellen Verzerrungen führen. Der politische Anreiz für einen Währungskrieg könnte also bestenfalls darin bestehen, dass man mögliche kurzfristige nationale (Preis-)Wettbewerbsvorteile höher einschätzt als die für alle Beteiligten längerfristig entstehenden Kosten.

Es konnte aber auch gezeigt werden, dass in einem System fester Wechselkurse bzw. einer (einseitigen) Wechselkursbindung die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Wechselkursentwicklung größer ist, weil auf der einen Seite die Manipulation leichter fällt und auf der anderen Seite die Anpassungsprozesse eher unterlaufen werden können. Um bewusste Fehlbewertungen auch in diesem Rahmen zu vermeiden, sollte man daher entweder auf eine Flexibilisierung der Wechselkurse oder aber auf ein ungehindertes Wirken der Marktkräfte – insbesondere auch der internationalen Finanzmärkte – dringen. Es wäre hingegen falsch, aus dem „Fall China“ den Schluss zu ziehen, dass eine Rückkehr zu einem Währungssystem fester Wechselkurse notwendig sei. Das war nämlich – unter anderem – die Begründung für das Festkurssystem von Bretton Woods, mit dem man die in der Zwischenkriegszeit aufgetretenen kompetitiven Abwertungen vermeiden wollte. Die aktuelle Situation zeigt jedoch, dass gerade ein solches System Währungsmanipulationen viel eher ermöglicht als ein System flexibler Wechselkurse. Und wenn Xia Bin, Berater der chinesischen Notenbank, in einem jüngst veröffentlichten Beitrag als Reaktion auf die expansive amerikanische Geldpolitik schreibt, die Volksrepublik müsse einen währungspolitischen Schutzwall errichten, um sich vor externen Schocks zu schützen, dann sollte er dabei nicht an protektionistische handelspolitische Maßnahmen denken, sondern an eine Freigabe des Wechselkurses – die einfachste und wirkungsvollste Maßnahme, um sich vor Auslandseinflüssen zu schützen.

3 Antworten auf „Vom Sinn und Unsinn eines Währungskrieges“

  1. Lieber Herr Smeets,

    In Ihrem Artikel kritisieren sie die Instrumente, welche gegen Chinas Unterbewertung der Währung eingesetzt werden können, als weitgehend ineffektiv. Auf dieser Basis sprechen Sie sich gegen gegensteuernde währungspolitische Maßnahmen der westlichen Industrieländer aus.

    Sie übergehen dabei aber die viel grundlegendere Frage, weshalb eine unterbewertete Währung Chinas überhaupt den übrigen Industrieländern zum Nachteil gereichen sollte!

    „Westliche“ Politiker stellen die (im Folgenden als tatsächlich gegeben angenommene) Unterbewertung von Chinas Währung als schädlich für den heimischen Markt dar. In der Realität ist die Lage genau umgekehrt. Chinas Unterbewertung der eigenen Währung stellt eine Subvention des Konsums in allen übrigen Volkswirtschaften der Welt dar. Denn Konsumenten in diesen Ländern können chinesische Importgüter dadurch billiger erwerben. Natürlich gehen in den importkonkurrierenden Industrien im Inland Arbeitsplätze verloren. Die freigesetzten Arbeitskräfte können aber in anderen Sektoren eingesetzt werden, wodurch sich die Menge an verfügbaren Konsumgütern in diesen Ländern erhöht. Die Möglichkeit, Güter, die man selbst herstellen könnte, nun billiger aus dem Ausland beziehen zu können, ist stets eine reine Besserstellung der betroffenen Konsumenten! Dies ist die Standardlogik des komparativen Vorteils im internationalen Handel.

    Dies gilt für die westlichen Industrieländer in diesem Falle auch dann, wenn die neue internationale Arbeitsteilung nicht auf „echten“ komparativen Vorteilen beruht, sondern auf einer chinesischen Währungsmanipulation: denn die Zeche für eine künstlich unterbewertete Währung zahlen allein die chinesischen Konsumenten durch eine implizite Steuer auf ihren eigenen künstlich verteuerten Konsum.

    Letztendlich sind die politischen Argumente zugunsten von Maßnahmen gegen eine chinesische Währungsmanipulation reiner Merkantilismus: Die elementare wirtschaftliche Logik, dass der Konsum der letztendliche Zweck jeder Produktion ist, wird auf den Kopf gestellt, indem nur die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Inhaber von Arbeitsplätzen in den importkonkurrierenden Industrien betrachtet werden. Eine solche merkantilistische Legitimation für Außenhandelsinterventionen ist aber nichts anderes als ein nur dünn verhüllter Protektionismus. Es scheint manchmal so, als ob Adam Smith seine Aufklärung über die Denkfehler merkantilistisch/protektionistischer Argumente nie publiziert hätte…

    Auch industriepolitische Argumente, wonach die chinesische Währungsmanipulation in der langen Frist zum Schaden der westlichen Industrieländer wäre, weil nach der Verdrängung der westlichen durch die chinesischen Exportindustrien China seine Währungspolitik normalisieren und dann die Gewinne nun wieder höherer Exportpreise einfahren und so die westlichen Konsumenten ausbeuten könnte, sind bei genauerer Betrachtung nicht schlüssig.

    Denn ein solcher Plan der Erringung einer langfristigen industriellen Vorrangstellung durch den kurzfristigen Einsatz währungspolitischer Mittel müsste daran scheitern, dass, wenn China seine Währungspolitik normalisieren und seine Exportgüter somit wieder verteuern würde, sich die Produktion von Exportgütern in den Industrieländern wieder lohnen würde. Wirtschaftliche Monopolgewinne könnten durch eine solche Strategie nicht erzielt werden – schon gar nicht in einem globalen Markt mit einer unüberschaubaren Anzahl wirtschaftlicher Akteure

    Freundliche Grüße,

    Bernhard Aubin

  2. Sehr geehrter Herr Aubin,

    ich stimme Ihren Ausführungen aus einer rein theoretischen Sicht überwiegend (wenn auch nicht vollständig) zu. Die Praxis ist aber leider etwas komplizierter:

    1.“In der Realität ist die Lage genau umgekehrt. Chinas Unterbewertung der eigenen Währung stellt eine Subvention des Konsums in allen übrigen Volkswirtschaften der Welt dar. Denn Konsumenten in diesen Ländern können chinesische Importgüter dadurch billiger erwerben.“

    Sehr richtig. Dies wird aber von vielen Menschen in unseren Breiten als selbstverständlich wahrgenommen. Die Gegenrechnung aber leider nicht:

    2. „Natürlich gehen in den importkonkurrierenden Industrien im Inland Arbeitsplätze verloren.“

    Logisch. Das Problem ist aber , dass die Menschen, die ihren Job verlieren, dazu tendieren, Forderungen an die Politik zu stellen.

    3. „Die freigesetzten Arbeitskräfte können aber in anderen Sektoren eingesetzt werden, wodurch sich die Menge an verfügbaren Konsumgütern in diesen Ländern erhöht.“

    Stimmt im Prinzip natürlich auch. Nun ist Arbeit aber kein homogenes Gut, und der hochqualifizierte, aber eben auch spezialisierte Facharbeiter aus der Exportindustrie sieht sich nach seiner Entlassung oft nicht in der Lage, einen adäquaten Alternativjob zu finden, in den er sein akkumuliertes „human capital“ einbringen kann. Nun könnte man sagen: Was soll’s, so ist halt der Markt. Aber es ist eben nicht der Markt, sondern die chinesische Währungsmanipulation, die sein vielleicht über Jahrzehnte aufgebautes „human capital“ entwertet. Und im Vergleich dazu ist der Vorteil, ein chinesisches T-Shirt besonders billig einkaufen zu können, in aller Regel zweitrangig.

    4. „Es scheint manchmal so, als ob Adam Smith seine Aufklärung über die Denkfehler merkantilistisch/protektionistischer Argumente nie publiziert hätte…“

    Das ist wohl so. Aber Smith wird – etwa, was seine Äußerungen über Unternehmer angeht – andererseits auch von Liberalen nicht immer gelesen oder so uminterpretiert, dass er im Grab rotieren müsste. Der Appell an Altmeister erscheint mir müßig; die Zukunft wird nicht von toten Ökonomen geschrieben.

    5. „Denn ein solcher Plan der Erringung einer langfristigen industriellen Vorrangstellung durch den kurzfristigen Einsatz währungspolitischer Mittel müsste daran scheitern, dass, wenn China seine Währungspolitik normalisieren und seine Exportgüter somit wieder verteuern würde, sich die Produktion von Exportgütern in den Industrieländern wieder lohnen würde.“

    Auch das sieht theoretisch besser aus als praktisch.Sehr kapitalintensive Produktionen, die sich erst nach vielen Jahren amortisieren, sind erfahrungsgemäß verloren, wenn sie einmal geschlossen wurden, und stehen nicht einfach wieder auf, nur weil sich Wechselkurse ändern. Man könnte z.B. an Flugzeughersteller, Stahlfabriken oder Werften denken.

    Gruß
    gb.

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