Mit der permanenten Übertretung selbstgesetzter und zumeist lauthals angekündigter „roter Linien“ der nationalen Haftungsbegrenzung, die die politischen Euro-Retter in Deutschland  bei ihrem Rettungsschirmexpansionswettlauf auf keinen Fall überschreiten wollten, dies aber schon nach wenigen Tagen oder Wochen ohne Bedenken und mit verbalen Erläuterungskraftakten dann doch taten und offensichtlich weiter zu tun gedenken, hat die politische Klasse nicht nur ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Verlässlichkeit verloren, sondern ist zudem dabei, den Steuerbürger mit immer höheren Zahlungen und Haftungsrisiken zu belasten.
Haushaltskonsolidierung? Sie kann und wird so nicht gelingen. Schuldenbremse? Die politische Phantasie wird Wege finden, auch dieses Vorhaben auf die unbestimmte Zukunft zu verschieben, zu unterlaufen oder gar – mit verfassungsändernder Mehrheit – wieder außer Kraft zu setzen. Die diesbezüglich schlechten Erfahrungen mit der Schuldenbremse des Art. 115 GG sprechen Bände. Der Weg der „rule of law“ ist längst dem Irrweg der „rule by law“ gewichen: Situativ biegt sich die Politik ein neues Recht zurecht, mit dem sie das geltende Recht unterläuft oder außer Kraft setzt. Ein diesbezügliches neues „Glanzstück“ ist die Konstruktion des ESM als Fonds außerhalb des Europa-Vertrages mit der zentralen Aufgabe des „bail out“ der Krisenländer bei gleichzeitiger (Noch-)Existenz von Art. 125 AEUV, der den „no bail out“ bekanntlich geradezu vorschreibt. Die Politik kann Plus oder Minus wählen, was immer sie tut: Sie ist oder fühlt sich immer im Recht.
In diesem Szenario der zunehmenden Rechtsunsicherheit, der steigenden Risiken explodierender Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen stellt sich das Problem, dass das Rechtsgut der am Gemeinwohl orientierten Verwendung des staatlichen Steueraufkommens in eine dramatische Gefährdung geraten ist. Die Dramatik liegt darin, dass das – eigentlich altbekannte – Problem der Verschwendung öffentlicher Mittel inzwischen im Hinblick auf die gigantischen Rettungsschirme in um mehrere Quantensprünge verschärfter Form akut geworden ist.
Steuerverschwendung mindert die Verwendungseffizienz und -effektivität der Staatsfinanzen. Ihre Erfassung ist an den Tatbestand der Haushaltsuntreue gekoppelt. Der Strafjurist Professor Bernd Schünemann, LMU München, registriert in seinem neuesten Gutachten für den Bund der Steuerzahler, dass die Tauglichkeit des Untreuetatbestandes zur Erfassung und Verhütung der Verschwendung öffentlicher Mittel „durch höchstrichterliche Rechtsprechung entscheidend reduziert“ und in manchen Bereichen „geradezu marginalisiert“ worden ist. Im Gegensatz dazu seien die strafrechtlichen Mechanismen „auf der Seite der Steuererhebung in Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in einer vorher unbekannten, radikalen Weise verschärft“ worden. Die Gesetzeslage habe sich im Sinne eines immer intensiveren Schutzes der Steuereinnahmen und einer Verstärkung des auf den Steuerbürger ausgeübten Sanktionsdrucks dramatisch verändert bei gleichzeitiger unzureichender Verfolgung und Sanktionierung der Steuerverschwendung durch Amtsträger.
Mit anderen Worten: Steuerverschwendung wird in ihren Strafrechtsfolgen signifikant relativiert, aber im krassen Gegensatz dazu wird die Strafverfolgung der Steuerverkürzung „auf allen Ebenen intensiviert“. Als Beispiel sei hier die jüngste Entscheidung des BGH zitiert, nach der Steuerhinterziehung ab einer Million Euro zukünftig nicht mehr nur mit einer Geldstrafe, sondern ausnahmslos mit einer Haftstrafe zu ahnden sei. Die Frage des Steuerbürgers erscheint sofort legitim, ob denn auch Steuerverschwendung durch staatliche Amtsträger in derselben Höhe mit ihrer prinzipiell ähnlichen Wirkung der Bedrohung der Staatsfinanzen in derselben Weise sanktioniert wird und, falls nicht, welches denn dafür die Begründung ist. Hinzu kommt, dass der Staat seine Strafverfolgung zunehmend durch strafrechtlich dubiose Geschäfte mit kriminellen Informationsbeschaffern unter Missachtung rechtsstaatlicher Verhältnisse durchsetzt und damit hohe Anreize für die Expansion privater Beschaffungskriminalität aussendet.
Diese zunehmende Asymmetrie in der Rechtsfolgenbehandlung der Steuerverkürzung einerseits und der Steuerverschwendung andererseits ist für den Steuerbürger eines liberalen Rechtstaates nicht hinnehmbar. Sie atmet den Geist einer Staatsauffassung, die den Bürger als Untertan und den Staat als hierarchisch über ihm stehend behandelt, der dem Bürger die Steuerzahlung per Zwang und ohne eigene Rechtsfolgenbindung verordnen darf. Ein solcher Staat verletzt den Gleichheitsgrundsatz bei der Verhinderung von Steuerverkürzung und Steuerverschwendung und öffnet die Tür zur staatlichen Willkür.
Eine besondere Dimension erhält diese Willkür durch die gegenwärtige Regierungspraxis der Euro-Rettungspolitik: Die gigantische Expansion der Rettungsschirme, für die letztlich die Steuerbürger haften müssen, schleusen Finanzmittel zu Banken und Staaten, deren Akteure in Finanz- und Regierungsgeschäfte verwickelt sind, die in vielfältiger Weise den objektiven Untreuetatbestand in bisher unbekannten Ausmaßen erfüllen. Ein Staat, der den alles finanzierenden Steuerbürger mit immer schärferen Belastungen und Sanktionen belegt, die in hohem Maße der Finanzierung von Untreuetatbeständen dienen, und zugleich seine eigenen Akteure mit der Folgelosigkeit eines expansiv laxeren Finanzgebarens ausstattet, geht einen falschen Weg. Er gefährdet die rechtsstaatliche Struktur des Landes, des Steuerbürgers Loyalität wird schwinden.
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Meine volle Zustimmung!
Wenn es um solche Dinge wie Steuerverschwendung geht,ist Justita eben
NICHT unabhängig!Seit Kohl ist der Bürger für den Staat immer mehr zu einem unvermeidbaren Übel mutiert.Motto:Friss oder stirb!