“Wir haben keine Erfahrungen mit einer derartigen Geldpolitik in Friedenszeiten. Die Notenbankbilanz hat sich innerhalb kurzer Zeit von einer auf drei Billionen Euro verdreifacht. Das sind Dimensionen, die eher an die Kriegsfinanzierung erinnern. Damals hat sich die Bilanzsumme verzehnfacht.“ (Helmut Schlesinger, ehemaliger Präsident der Deutschen Bundesbank)
Die Regierenden und ihre Bürokraten wollen den Umsturz der Euro-Schuldenpyramide aufhalten. Schuldenvergemeinschaftung, mehr wirtschaftspolitische Koordination und Harmonisierung zwischen den Teilnehmerländern und einiges mehr stehen auf der zentralistischen Supranationalisierungsagenda. Die Europäische Zentralbank (EZB) – obwohl ihr im Maastricht-Vertrag ausdrücklich politische Unabhängigkeit zugewiesen ist – dient den „Euro-Rettern“ als wirkungsvoller Helfer. Sie gibt immer mehr billiges Geld an strauchelnde Staaten und Banken, weil diese nicht mehr willens oder in der Lage sind, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen.
Nationale Euro-Zentralbanken vergeben dabei still und heimlich vor Ort „Notfallkredite“ – in der Fachsprache „Emergency Liquidity Assistance“ oder kurz: „ELA“ genannt – an ihre maroden Banken. Details der Kredite – Empfänger, Beträge, Zinsen, Besicherung, Laufzeit etc. – bleiben im Dunkeln. Die Bundesbank vergab ELA-Kredite in 2008, irische Banken erhielten sie in 2010, griechische Banken in 2011 und wieder im Mai 2012.
ELA-Kredite müssen rückwirkend vom EZB-Rat genehmigt werden. Eine Zweidrittelmehrheit ist dabei erforderlich, um ELA-Kredite zu blockieren bzw. um eine Verlängerung von bereits ausstehenden ELA-Krediten zu verhindern und die Kredite fällig zu stellen. Wird diese Ratsmehrheit nicht erreicht, müsste die Bankenrefinanzierung in anderen Ländern gekürzt werden, damit die Euro-Basisgeldmenge nicht aus dem Ruder läuft.
Wenn nationale Zentralbankräte ihre heimischen Banken durch Geldverknappung aber nicht in Bedrängnis bringen wollen, kann der ELA-Kredit im Ergebnis eine permanente Ausweitung des Basisgeldes verursachen. Die mit ELA-Krediten verbundenen Risiken landen mit großer Wahrscheinlichkeit im Eurosystem – und damit auf den Schultern der Steuerzahler.
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Das ungezügelte Geldmengenausweiten durch den EZB-Rat zur Finanzierung der Zahlungsbilanzdefizite einer wachsenden Zahl von Krisenländern tritt in den berühmt-berüchtigten „TARGET2-Saldo“ der Deutsche Bundesbank in Erscheinung. Sie belaufen sich mittlerweile auf etwa 700 Mrd. Euro belaufen – oder 27 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Ökonomisch betrachtet ist der positive Saldo Vorbote eines Verlusttransfers von den Krisenländern auf Deutschland.
Doch nicht nur überbordende Staatschulden und Pleitebanken sollen von der EZB finanziert werden, auch die Konjunktur- und Beschäftigungslage soll die Geldpolitik in Gang halten, so fordern die Euro-Retter. Im Papiergeldsystem müssen dafür immer mehr Kredite und Geld zu künstlich tiefen Zinsen bereitgestellt werden, ein Weg, auf dem die monetären Verhältnisse zerrüttet werden.
Die deutsche währungspolitische Erfahrung zu Beginn der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts drängt sich auf. Damals entschied die Führung der Deutschen Reichsbank, der Zentralbank der Weimarer Republik, immer mehr Geld auszugeben, um den defizitären Staatshaushalt zu finanzieren – und das, obwohl die Reichsbank per Gesetz 1922 in die politische Unabhängigkeit entlassen wurde, auf Drängen der Alliierten, als Gegenleistung für eine vorübergehende Aussetzung der Reparationszahlungen.
Die Geldpolitiker der Reichsbank sahen, dass die junge Republik immer stärker auf Zentralbankkredite zurückgreifen musste, um nicht Pleite zu gehen. Weil es sich aus ihrer Sicht um eine Existenzfrage der jungen deutschen Republik handelte, gaben sie bereitwillig immer mehr Geld aus, um die überbordenden Ausgabeprogramme der Regierenden zu erfüllen.
Das Ergebnis war Hyperinflation der extremen Art, durch die die Deutsche Reichsmark nicht nur dramatisch entwertet, sondern als Geld sogar völlig zerstört wurde. Die politische Unabhängigkeit der Reichsbank erwies sich als unwirksamer Schutz gegen die Geldwertzerstörung.
Die Situation, auf die der EZB-Rat eingelassen hat, ist der der Deutschen Reichsbank zu Beginn der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht unähnlich. Die Entscheidung über den Fortbestand eines politischen Projektes – der Euro-Währungsunion – ist in die Hände des EZB-Rates gelegt. Auch heute lautet die Formel: Die Notenpresse muss notfalls angeworfen werden, damit der Euro-Papiergeldboom nicht endgültig kollabiert und das politische Euro-Projekt zu Grabe getragen wird.
Eine Inflationspolitik kann die Einheitswährung jedoch nicht retten. Sie übertüncht bestenfalls kurzfristig die wirtschaftlichen und politischen Schäden, rächt sich aber mit einer noch schwereren Krise in der Zukunft. Schließlich muss jeder Papiergeldboom letztlich in der Depression enden. Auch die Weimarer Hyperinflation endete im Wirtschaftszusammenbruch, die vorangehende Inflationspolitik hat sie nur noch schwerer gemacht.
Die aktuelle Misere steht letztlich für den Niedergang des Euro-Papiergeldstandards und seines politischen Urhebers, des chronisch auf Pump finanzierten, ausufernden Umverteilungsstaates. Regierungen, Zentralbanken und ihre Einflüsterer aus der „Mainstream Ökonomik“ werden sie mit ihren Maßnahmen und Ratschlägen nicht lösen, sondern eher noch verschlimmern, weil sie sich auf die Spur der Deutschen Reichsbank begeben haben.
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Eine Antwort auf „Der deutschen Reichsbank auf der Spur“