„Geld schießt keine Tore“ (Otto Rehhagel)
Die Welt ist seit dem Fall von Lehman Brothers wirtschaftlich aus den Fugen geraten. Eine Branche nach der anderen kommt in ernste wirtschaftliche Schwierigkeiten. Trotz vielfältiger staatlicher Hilfe gehen Unternehmen reihenweise Pleite. Die Angst vor massenhafter Arbeitslosigkeit geht um. Spätestens nach den Bundestagswahlen wird sich zeigen, die Party ist endgültig vorbei. Nach jahrelangen Exzessen in der Finanzbranche herrscht nun reale Katerstimmung. Überall ist Krise, nur nicht im europäischen Fußball. Die Fans strömen weiter in Scharen in die Stadien, Vereine geben das Geld wie bisher mit vollen Händen aus, Transfersummen erreichen immer neue Rekordhöhen. Viele europäische Spitzenclubs drehen weiter ein großes finanzielles Rad. Die Partystimmung ist ungebrochen.
Europa und die Königlichen
Den Vogel abgeschossen hat wieder einmal Real Madrid. Es hat für die neue Saison keine Kosten gescheut, der vergangenen, titellosen Saison eine erfolgreichere folgen zu lassen. Zunächst wechselte der Brasilianer Kaká wechselte für 65 Mio. Euro vom AC Mailand zu den Königlichen. Wenige Tage später wurde der Portugiese Cristiano Ronaldo von Manchester United verpflichtet. 94 Mio. Euro wurden noch nie als Ablöse für einen Kicker gezahlt. Für 35 Mio. Euro wechselte schließlich das französische Talent Karim Benzema von Olympique Lyon zu den Königlichen. Das ist möglicherweise noch nicht alles. Vielleicht nimmt Uli Hoeneß von den Bayern bei 80 Mio. Euro doch noch den Hörer ab, wenn Real Madrid wegen Franck Ribéry anruft.
Der Eindruck, die Primera División sei das finanzielle und sportliche Nonplusultra der europäischen Spitzenligen, täuscht allerdings. In der Rangliste der Umsätze liegt die Premier League weiter deutlich vor der Bundesliga und der Primera División. Gemessen an der Marktwerten der Spieler dominiert die Premier League, vor der Primera División und der Serie A. Die deutsche Bundesliga folgt erst auf dem vierten Platz, knapp vor der Ligue 1. Ein Blick auf die Fünfjahreswertung der UEFA dokumentiert die sportlichen Machtverhältnisse in Europa. Die Vereine der Premier League dominieren, allerdings ist Spanien fast gleichauf. Mit großem Abstand folgt die Serie A und die Bundesliga. Obwohl die Bundesliga zwar die profitabelste Liga in Europa ist, sportlich fehlt aber noch einiges zur europäischen Spitze.
Party für wenige
Die Party des europäischen Vereinsfußballs ist exklusiv. Stargäste sind Vereine der Premier League, der Primera División, der Serie A, der Bundesliga und der Ligue 1. Zaungäste sind die vielen kleinen Ligen in Europa. Deren Topvereine, wie etwa Ajax Amsterdam, der RSC Anderlecht oder Roter Stern Belgrad, die noch bis in die 90er Jahre in der europäischen Spitze mitspielten, sind finanziell und sportlich in der Versenkung verschwunden. Aber auch in den europäischen Spitzenligen profitieren nur einige wenige Clubs. In England und Italien sind es vier, in Spanien und Frankreich nur zwei Vereine, die alles dominieren. Die Bundesliga ist finanziell etwas ausgeglichener, trotz des FC Bayern. Auch ein VfL Wolfsburg kann schon mal deutscher Meister werden.
Eine Antwort auf die Frage, warum die Bundesliga sportlich hinter den europäischen Spitzenligen herhinkt, ist nicht einfach. Zweifellos spielen hausgemachte Gründe eine wichtige Rolle. Ganz vorne auf der Liste der Verdächtigen stehen Zentralvermarktung und Finanzausgleich. Beide Institutionen sind für die Bundesliga im Wettbewerb der europäischen Ligen ein Klotz am Bein. Der Zielkonflikt zwischen internationaler Wettbewerbsfähigkeit der Vereine und nationaler Solidarität zwischen den Vereinen wird hierzulande stärker als in anderen Ligen zugunsten der Solidarität entschieden. Zwar verteilen sich die Einkommen der Kicker in der Bundesliga gleichmäßiger als in England oder Spanien. Das Ziel der größeren sportlichen Ausgeglichenheit in der Liga wird allerdings trotzdem nicht erreicht. Auch die Bundesliga ist zweigeteilt.
Wettbewerbspolitische Defekte
Dennoch: Den Trend zu einer Dreiklassengesellschaft im europäischen Fußball können Zentralvermarktung und Finanzausgleich allein nicht erklären. Die Topliga in Europa, die Premier League, vermarktet die Fernsehrechte ebenfalls zentral und verteilt die Erlöse zwischen den Vereinen um. Anders als in der Bundesliga existieren aber dort andere Eigentumsstrukturen in den Vereinen. Viele Fußballclubs sind börsennotiert. Das stärkt die Eigenkapitalbasis der Vereine. Ausländisches Kapital fließt in die Liga und stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Vereine. Die Investoren abschreckende 50+1-Regel verhindert dies in Deutschland. Aber auch die Vorteile von Kapitalgesellschaften sind nur ein Mosaiksteinchen. Das zeigen die beiden erfolgreichsten spanischen Vereine, Real und Barca. Beide sind keine Kapitalgesellschaften.
Vielleicht liegt der wichtigste Grund, weshalb europäischen Spitzenligen auseinander driften, im mangelnden Wettbewerb auf den Spiele-Märkten. Trotz europäischem Binnenmarkt sind nationale Ligen noch immer Monopolligen. Ein Wechsel der Vereine zwischen den Ligen ist nicht möglich. Der AS Monaco und der FC Vaduz sind Ausnahmen. Damit haben Vereine kleinerer Ligen einen natürlichen Wettbewerbsnachteil und ihre Fans das Nachsehen. Mit ihrer geringeren Inlandsnachfrage kommen sie nicht gegen die Größenvorteile ihrer Konkurrenten aus größeren europäischen Ländern an. Die UEFA öffnet zwar mit der Champions League die Monopolligen einen Spalt breit. Damit verzerrt sie aber den europäischen Wettbewerb weiter und vergrößert die finanziellen Ungleichgewichte in den nationalen Ligen.
Mehr Wettbewerb
Das institutionelle Design im europäischen Fußball zeigt, es führen viele Wege nach Rom. Wer nach vorne kommen will, tut allerdings gut daran, auf mehr und nicht weniger Wettbewerb auf den Fußballmärkten zu setzen. Die Vorschläge, die Spieler-Märkte protektionistisch abzuschotten, kurieren allenfalls an Symptomen. Es bleibt zu hoffen, dass der EuGH alles tun wird, Eingriffe von der Qualität der 6+5-Regel zu unterbinden. Wer wie Franz Beckenbauer im Fußball an Gehaltsobergrenzen denkt, hat die Ökonomie von Höchstpreisen nicht verstanden. Sie sind weder zielführend noch gerecht. Auch auf den Fußballmärkten gilt: Protektionismus ist wie ein Heizlüfter im Iglu. Zunächst wird es angenehm warm, bald darauf bricht einem das Dach über dem Kopf zusammen.
Trotz der Zeitenwende in der Ordnungspolitik gilt noch immer: Wettbewerbsfähig wird man im Wettbewerb. Das gilt auch für Fußballmärkte, auch sie müssen wettbewerblicher werden. Mehr Einzelvermarktung und weniger Finanzausgleich in nationalen Ligen stärken die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Vereine. Aber auch eine stärkere Öffnung der Kapitalmärkte muss auf der Wettbewerbsagenda stehen. Die 50+1-Regel ist ein Relikt aus einer versunkenen Welt. Offenere Fußballkapitalmärkte machen die Bundesliga für internationales Kapital attraktiver, die sportliche Qualität der Liga steigt. Schließlich führt kein Weg an einer Öffnung der nationalen Monopolligen vorbei. Eine offene europäische, keine geschlossene amerikanische Europaliga muss das Ziel sein, immer vorausgesetzt, die Fans ziehen mit. Die jüngsten Äußerungen von Florentino Pérez zeigen, die großen Vereine haben diese Ziel nie aus dem Auge verloren. Anders rechnen sich die enormen Transfers nicht.
Fazit
Wer nicht will, dass der europäische Fußball an finanziellen und sportlichen Ungleichgewichten zerbricht, muss für mehr Wettbewerb auf den Fußballmärkten sorgen. Offene Spiele-, Spieler- und Kapitalmärkte helfen, überlebensfähige Strukturen im Fußball zu installieren. Gefährliche strukturkonservierende Entwicklungen werden so verhindert, der Bildung finanzieller Blasen wird vorgebeugt. Vereine sind nicht „to big to fail“, auch die Königlichen nicht. Einige der allenfalls mittelständischen Vereinen werden deshalb im Wettbewerb nicht überleben. Auch wenn die Vatikan-Zeitung „Osservatore Romano“ vor den gefährlichen Folgen von Pleiten im Fußball warnt, ökonomisch ist das kein Beinbruch. Systemrelevant sind Fußballvereine nicht und werden es auch nie werden.
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Lieber Herr Berthold,
vielen Dank für Ihren neuen Fußball-Beitrag!
Neben den von Ihnen genannten Erfolgsfaktoren erscheint mir das Thema Managementqualität (im weiteren Sinne) von sehr hoher Bedeutung zu sein. Zumindest in Deutschland war und ist es so, dass Clubs mit einem guten Management auch sportlich besser dastehen als – ansonsten vergleichbare – Clubs mit einem schwachen Management. Leider ist es methodisch nicht einfach, die Managementqualität zu erfassen. Insofern hat die These von der „Managementqualität als Erfolgsfaktor im Profifußball“ immer etwas von anekdotischer Evidenz. Unterschätzen sollte man das Thema dennoch nicht.
Herzliche Grüße
Jörn Quitzau
Lieber Herr Quitzau,
ich stimme Ihnen zu, unterschiedliche Qualitäten des Managements haben sicher einen Einfluss auf die Stärke von Vereinen und möglicherweise auch Ligen. Stefan Kesenne untersucht in seiner Arbeit „Comparing management performances of Belgian Football clubs“ die belgische Liga. Abgesehen von anekdotischer Evidenz ist mir allerdings keine empirische Untersuchung bekannt, die sich auf ganze Ligen bezieht. Vielleicht kennen Sie oder andere Leser ja solche Arbeiten.
Beste Grüße
Norbert Berthold