Während in vielen Ländern die Inflationsraten weit über die Zielmarken der Notenbanken geschossen sind – z.B. im Euroraum in Juni auf 8,6% – ist die Inflation in Japan mit zuletzt 2,5% im Mai erstaunlich niedrig geblieben. Seit vielen Jahren liegt die Inflationsrate Japans deutlich unter anderen Industrieländern, obwohl die Bilanz der Bank von Japan sehr viel schneller gewachsen ist als die Bilanzen vieler anderer Zentralbanken. Seit dem Platzen der japanischen Blasenökonomie im Dezember 1989 ist die Geldmenge deutlich schneller gewachsen als die Menge aller Güter und Dienstleistungen, ohne dass die Konsumentenpreise stark gestiegen sind. Mayer und Schnabl (2022) suchen nach der Lösung des japanischen Inflationsrätsels und finden drei Gründe.
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Erstens hat die Bank von Japan mit ihrer zunehmend expansiven Geldpolitik die Finanzierungskosten der Unternehmen immer weiter abgesenkt. Sie hat auch mit umfangreichen Ankäufen von Staatsanleihen den japanischen Staat in die Lage versetzt in großem Umfang Güter und Dienstleistungen zu subventionieren. Murai und Schnabl (2022) schätzen, dass ca. 50% der Güter und Dienstleistungen im japanischen Warenkorb subventioniert sind. Seit 1990 haben sich die Subventionen des japanischen Staates ungefähr vervierfacht.
Zweitens hat die Bank von Japan mit ihrer sehr expansiven Geldpolitik das Zinsniveau in Japan stetig unter dem Zinsniveau der USA gehalten. Das hat dazu geführt, dass kontinuierlich Kapital in die USA und andere Länder abgeflossen ist. Beispielsweise haben private Haushalte Teile ihrer Ersparnisse in Dollar angelegt, Lebensversicherungen haben US-amerikanische Staatsanleihen gekauft und japaische Banken haben Kredite nach Südostasien vergeben. Das hat sowohl bei Gütern und Dienstleistungen als auch auf dem japanischen Kapitalmarkt den Inflationsdruck reduziert.
Da dadurch die Inflation im Inland gering geblieben ist, hat sich, drittens, bei sinkenden Zinsen auf Bankeinlagen der Anreiz erhöht Ersparnisse in Bargeld bzw. in sehr gering verzinsten Bankeinlagen zu halten. Da die meisten Japaner keinen Unterschied mehr zwischen Geldanlage und Geldhortung machen, konnte die Geldmenge steigen, ohne dass die offiziell gemessene Inflation nachgezogen ist (siehe Abbildung). Die geringe Inflation hat dazu beigetragen, dass die Lohnforderungen der Arbeitnehmer sehr verhalten geblieben sind.
Die Regierungen in den westlichen Industrieländern, die wegen stark steigender Inflationsraten unter Druck sind, könnten darüber nachdenken, das japanische Modell zu nachzuahmen. Doch die zentralbankfinanzierten Staatsausgaben haben die japanische Wirtschaft gelähmt, was maßgeblich zu den seit 1998 sinkenden Reallöhnen beigetragen hat. Zudem sind in vielen westlichen Industrieländern bereits Lohn-Preis-Spiralen losgetreten. Es wird schwer sein, diese mit Subventionen wieder einzufangen.
Literatur:
Mayer, Thomas / Schnabl, Gunther 2022: Japan’s Inflation Conundrum. CESifo Working Paper 9821.
Murai, Taiki / Schnabl, Gunther 2022: Japan’s Inflation Is Hidden behind Central Bank–Financed Subsidies. Mises Wire, 03.01.2022.