Rechtzeitig vor Weihnachten haben CDU/CSU und SPD die Neuauflage der großen Koalition (GroKo) besiegelt. Wie erwartet wurde Angela Merkel mit überwältiÂgenÂder Mehrheit erneut zur Bundeskanzlerin gewählt. Die SPD besetzt mit dem Wirtschaftsministerium und dem ArÂÂbeits- und Sozialministerium zwei wesentliche SchaltÂstellen für wirtschaftliche Belange. Das weiterhin CDU-geÂführte Finanzministerium sorgt bei budgetwirksamen EntÂscheiÂdunÂgen für den koalitionsinterÂnen MachtÂausÂgleich.
Der Koalitionsvertrag listet zahlreiche Vorhaben auf, deren ökonomische Auswirkungen zumindest bedenklich sind. Bereits während der Koalitionsverhandlungen sah sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der geÂsamtwirtschaftlichen Lage genötigt, seine Stimme mahÂnend zu erheben. Das haben nicht alle für guten Stil geÂhalten. Inhaltlich konnten seine Einwände jeÂdenfalls nicht entkräftet werden.
Wie viel das Papier wert ist, auf dem der KoalitionsverÂtrag geschrieben wurde, muss sich noch herausstellen. Im Wesentlichen werden dort „Wohltaten“ für alle gesellÂschaftlichen Gruppen angekündigt, ohne auf deren FinanÂzierung einzugehen. In der konkreten Umsetzung wird sich zeigen, wem die Rechnung präsentiert wird. Dabei ist mit erheblichen Widerständen zu rechnen. Es bleibt zu hoffen, dass im Umsetzungsprozess mehr wirtÂschaftliche Vernunft hinzugezogen wird.
Besser haushalten – Handlungsspielräume erhalten
Der Haushalt ist das zentrale Instrument der Politik. WelÂche katastrophalen Folgen mit schlechter HaushaltsfühÂrung verbunden sind, erfahren zahlreiche Mitgliedstaaten der EU zurzeit auf schmerzhafte Art. Zwar gibt sich Deutschland hier als Musterschüler und Lehrmeister, doch musste der Bund 2013 bereits rund jeden zehnten eingenommen Euro für Zinszahlungen ausgeben. Die gute Konjunktur wurde kaum zum Schuldenabbau genutzt. Sollte sich das Wirtschaftsklima eintrüben und die Zinsen von ihrem historischen Tief wieder auf ein normales NiÂveau ansteigen, drohen die Zinslasten die HandlungsspielÂräume der Politik noch deutlicher einzuschränken. Vor diesem Hintergrund ist es kein gutes Zeichen, dass der Koalitionsvertrag offen lässt, wie die vereinbarten MehrÂausgaben von geschätzt über 20 Mrd. Euro finanziert werden sollen. Es bleibt zu hoffen, dass die SchuldenÂbremse ernst genommen und nicht durch politische TaÂschenspielertricks ausgehebelt wird.
Werden neue Ausgaben für unabdingbar gehalten, muss die Finanzierung transparent und ehrlich kommuniziert werden. Eine Möglichkeit bestünde darin, die aktuelle Ausgabenstruktur grundsätzlich zu hinterfragen und bei konstantem Budget neue Ausgabenschwerpunkte zu bilÂden. Hierzu findet sich im Koalitionsvertrag kaum etwas. Nur die Förderung der erneuerbaren Energien soll auf den Prüfstand gestellt werden. Das ist löblich und überfällig, aber auch in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens sind Subventionen allgegenwärtig. Ende 2003 verfassten die damaligen Ministerpräsidenten von NRW und HesÂsen, Peer Steinbrück und Roland Koch, ein Papier mit dem Titel „Subventionsabbau im Konsens“, in dem ein Einstieg in den Subventionsabbau mit pauschalen KürÂzungen in den ersten drei Jahren von insgesamt zwölf ProÂzent gefordert wurde. Das Papier kann nach wie vor als Blaupause für einen sinnvollen Subventionsabbau geseÂhen werden.
Steuererhöhungen belasten – von wenigen allokationsÂverbessernden Steuern abgesehen (z.B. bei der BesteuÂerung negativer externer Effekte im Umweltbereich) – im Allgemeinen die Beschäftigung und das WirtÂschaftsÂwachsÂtum. Es braucht daher gute Gründe und eine sorgÂfälÂtige Abwägung der damit verbundenen „NebenÂwirÂkungen“, um zusätzliche Ausgaben durch weitere Steuern zu finanzieren. Dasselbe gilt für höhere Schulden, die nichts anderes als die höheren Steuern von morgen sind.
Gute Gründe für eine teilweise Schuldenfinanzierung können vorliegen, wenn „echte“ Investitionen in InfraÂstruktur (materielle oder Bildung) getätigt werden. Das setzt eine Ausweitung der Kapazitäten für zuÂkünftige Generationen voraus, die über die reine ErhalÂtung des Bestehenden hinausgeht. In diesen Fällen kann die ZahlÂlast (teilweise) in die Zukunft verschoben werÂden, um zukünftige Nutznießer auch an den Kosten zu beteiÂligen. Allerdings muss jeder Treuhänder bei solchen InvestitioÂnen äußerst vorsichtig agieren: Schließlich verÂsucht man im Interesse Dritter zu handeln, die nicht geÂfragt werden können und von denen man keinen Auftrag erhalten hat. Aber auch Ehrlichkeit ist hier gefordert. In der VerganÂgenheit diente die Neuverschuldung häufig der Deckung bestehender Verbindlichkeiten oder zur FinanÂzierung von konsumtiven Staatsausgaben.
Demografische Realitäten anerkennen
Die Deutschen werden älter und weniger! Das wird in jeder Talkshow wiederholt. Aber vor den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die umlagefinanzierten Sicherungssysteme verschließen Politik und Wähler weiÂterhin die Augen. Auch bei einem Renteneintrittsalter von 67 Jahren wird sich die Anzahl der Rentner bezogen auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter bis 2060 nahezu verdoppeln. Die Möglichkeiten für Rentenzahlungen im Umlageverfahren werden entsprechend drastisch eingeÂschränkt. Die Rentenbeschlüsse der letzten großen KoaliÂtion waren daher im Kern richtig – insbesondere die AnÂhebung des Renteneintrittsalters. Dass die aktuelle GroKo der politischen Versuchung nicht widerstehen kann und diese Beschlüsse teilweise zurücknehmen und neue LeisÂtungsansprüche generieren will, mehrt die Zweifel an der langfristigen Stabilität des gesetzlichen Rentensystems. Verantwortlich handelnde Politiker müssten den Mut aufbringen und den Bürgern erläutern, dass die demograÂfische Entwicklung keinen Spielraum für solche GeÂschenke lässt – zumal wenn sie mit überwältigender ParÂlamentsmehrheit regieren. Analog gilt dies auch für andeÂre umlagefinanzierte Systeme.
Preise nutzen
Das Preissystem steuert die unzähligen wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Marktwirtschaft. Es zeigt an, welche Ressourcen oder Fähigkeiten knapp sind und welche ProÂdukte in der Gesellschaft welche Wertschätzung erfahren. Wertschätzung meint dabei Zahlungsbereitschaft. In den Preisen drücken sich zum einen die moraliÂschen BewerÂtungen der Marktteilnehmer aus – etwa wenn die KonsuÂmenten bereit sind, für fair gehandelte oder bioloÂgisch hergestellte Produkte mehr zu bezahlen. Zum andeÂren werden im OrdÂnungsrahmen festgelegte gesellschaftÂliche Werte wirksam – zum Beispiel wird geregelt, wer geÂschäftsfähig ist, wann ein Vertrag unwirksam ist und welÂche Transaktionen grundsätzlich nicht zulässig sind. Auch das Preissystem kennt also Werte, lässt den MarktÂteilÂnehmern aber möglichst viele Freiheitsgrade. Nicht zuÂletzt hierin liegt der große Vorteil des PreissysÂtems. DieÂsen Vorteil gilt es möglichst vollständig auszuÂschöpÂfen.
Leider sieht der Koalitionsvertrag an zahlreichen Stellen weitreichende Einschränkungen des Preissystems vor. So sollen mit der Mietpreisbremse Höchstpreisvorgaben auf dem Mietwohnungsmarkt ausgeweitet und mit dem MinÂdestlohn Preisuntergrenzen auf dem Arbeitsmarkt vorgeÂgeben werden. In beiden Fällen will die Politik die Knappheiten nicht akzeptieren, wie sie in den Mieten bzw. Löhnen zum Ausdruck kommen. Selbst wenn man die zugrunde liegenden Motive teilt, werden beide InstruÂmente ins Leere laufen, weil die Knappheitsverhältnisse durch den Preiseingriff nicht verÂändert werden. Es wird zu entsprechenden AusweichreakÂtionen kommen. Im Falle der Mietpreisbremse sind zum Beispiel hohe AbÂschlagszahlungen für nahezu wertlose EinrichtungsgegenÂstände zu erwarten. Im Falle des MinÂdestlohns lehrt die Erfahrung, dass manche Stunden plötzÂlich mehr als 60 Minuten haben oder dass den ArbeitÂnehmern abgewirtÂschaftete Unterkünfte maßlos überteuert in Rechnung gestellt werden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Der Kontrollaufwand ist in den meisten Fällen maßlos.
Tatsächliche Abhilfe kann nur erreicht werden, wenn die Ursachen angegangen werden. Auf dem MietwohnungsÂmarkt muss zusätzliches Angebot geschaffen werden – und zwar dort, wo die Nachfrage besonders hoch ist. Das geht auf einem Bestandsmarkt nicht von heute auf morÂgen und nur, wenn langfristig verlässliche RenditeausÂsichten bestehen. Die Mietpreisbremse macht diese jeÂdoch zunichte und wird somit mittelfristig zur VerschärÂfung von regionalen Wohnungsengpässen beitragen.
Auf dem Arbeitsmarkt besteht das größte Problem in einer beachtlichen Anzahl an LangzeitarÂbeitslosen, deren Qualifikationen am Markt keinen ausÂreichenden Wert besitzen, als dass sich eine Nachfrage nach ihrer Tätigkeit entwickeln könnte. Ein Mindestlohn entfernt die BetrofÂfenen noch weiter von einer BeschäftiÂgung und dehnt deren Kreis aus. Abhilfe schaffen nur bedarfsgerechte QualifiÂkationsmaßnahmen und flexible EinstiegsmögÂlichkeiten, die den Betroffenen ermöglichen, ihre QualifiÂkationen im Betrieb unter BeÂweis zu stellen und zu erweiÂtern.
Bei hoher Arbeitslosigkeit besteht immer die Gefahr, dass einzelne Arbeitgeber „Aufstocker“ (Arbeitnehmer, deren Lohn durch Transfers ergänzt werden muss) missbräuchÂlich einsetzen, um das Lohnniveau niedrig zu halten. Aber auf der anderen Seite sind zahlreiche „Aufstocker“ bei Arbeitgebern, die keinen höheren Lohn zahlen können, in die Arbeitswelt inteÂgriert. Sie verdienen große Teile ihres Lebensunterhalts, haben Kontakte zu KolleÂgen und erÂhalten die MögÂlichkeit, sich für besser bezahlte AnstelÂlungen zu empfehÂlen.
Fazit
Die deutsche Wirtschaft hat sich bislang als stabil erwieÂsen. Es bleibt zu hoffen, dass der Koalitionsvertrag nicht eins zu eins umgesetzt wird, damit dies auch in Zukunft so bleibt.
Hinweis
Dieser Text ist auch als Nr. 01/2014 der Reihe Ordnungspolitischer Kommentar des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln und des Otto-Wolff-Instituts für Wirtschaftsordnung erschienen.
- Gastbeitrag
Der Planungswertausgleich
Mehr Geisterdebatte als substantieller Vorschlag - 18. Januar 2020 - Kölner Impuls zur Wirtschaftspolitik
Belastungswirkungen einer Grundsteuerreform für Länder und Gemeinden
Folgen einer Änderung der Umlagefähigkeit für das Mietspiegelsystem - 10. März 2019 - Ordnungspolitischer Kommentar
Gewinne sind nicht das Problem im Pflegemarkt, sondern die fehlende Transparenz - 14. November 2018