1. Das Bundesverfassungsgericht war Ende Juli 2019 wieder einmal in Sachen EZB-Kompetenzen gefragt. Bevor in Karlsruhe die Anhörung zum Anleihekaufprogramm begann, wurde unter großem medialem Interesse das Urteil zu zwei der drei Säulen der sogenannten Bankenunion verkündet (vgl. für eine Zusammenfassung https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2019/bvg19-052.html): Die für bedeutende Kreditinstitute geltenden Vorgaben des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus durch die EZB (SSM = Single Supervisory Mechanism) und des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (SRM = Single Resolution Mechanism).
In beiden Bereichen sah das Bundesverfassungsgericht zwar keine offensichtlichen Kompetenzüberschreitungen oder anderweitigen offensichtlichen Verstöße gegen höherrangige Rechtsquellen, doch wurde immer wieder das Einhalten dieser Vorgaben angemahnt. Unter vielen Bedingtheiten und formaljuristischen Erwägungen entsteht für den Leser der unverkennbare Eindruck eines „gerade noch“, das unter anderem deshalb gerade noch zustande kommen konnte, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai vorinstanzliche Aussagen des Gerichts der Europäischen Union (EuG) so weit zurückgenommen hatte, dass die vom Bundesverfassungsgericht klar angesprochenen roten Linien nicht überschritten wurden (vgl. hierzu bspw. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/bankenunion-bundesverfassungsgericht-1.4546078).
2. Im Rahmen der medialen Berichterstattung meldete sich unter anderem Robert Habeck bei der Süddeutschen Zeitung zu Wort (vgl. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/habeck-bankenunion-einlagensicherung-1.4546738). Er begrüßte die Entscheidung nachdrücklich und nahm ihr Ergebnis zum Anlass für aus seiner Sicht gebotene Weiterungen:
„Darüber hinaus brauchen wir eine europäische Einlagensicherung und einen Abwicklungsfonds, damit nicht wieder der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Die Vollendung der Bankenunion muss ein wichtiger Bestandteil des neuen Kommissionsprogramms werden.“
Indessen muten beide Aussagen merkwürdig an.
3. Was den Abwicklungsfonds angeht, so sind er und seine Weiterentwicklung bis zum 31.12.2023 bereits weitgehend festgeschrieben (vgl. https://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Europa/Stabilisierung_des_Euroraums/Bankenunion/Bankenabwicklung/bankenabwicklung.html).
Anfängliche Kritik richtete sich nicht zuletzt dagegen, dass die Fondsmittel nur für die Abwicklung der von der EZB überwachten bedeutenden Kreditinstitute vorgesehen sind, aber die zu ihrer Aufbringung erhobene Bankenabgabe von allen Kreditinstituten gezahlt werden muss. Damit ist die Bankenabgabe für die bedeutenden Institute ein Beitrag und für die weniger bedeutenden eine Steuer, auch wenn die dabei geltende Differenzierung des Tarifs die Größenordnung dieser Verwerfung reduziert (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=15562). Unabhängig davon ist der Abwicklungsfonds jedoch von lediglich nachrangiger Bedeutung, denn der Widerstand hat sich angesichts der rechtlichen Implementierung weitgehend zurückgebildet. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erscheint Habecks Verweis darauf also irrelevant.
4. Ganz anders sieht es mit der europäischen Einlagensicherung (EDIS = European Deposit Insurance Scheme) aus. Hier sind die Würfel noch nicht gefallen – vor allem weil die Bundesrepublik Deutschland und andere Länder mit einem funktionierenden nationalen Einlagensicherungssystem sich bislang heftig gegen die von den südlichen Euro-Ländern propagierte Lösung gestemmt haben. Hintergrund ist dabei nicht nur ein höherer Fundus an Mitteln aus dem bisherigen System, sondern auch ein absehbar geringerer Mittelbedarf wegen eines geringeren Anteils an Problemkrediten (NPL = Non Performing Loans), die im Allgemeinen als wichtigste Gefahrenquelle für das unmittelbare Überleben von Banken gelten (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21983). Als deutscher Spitzenpolitiker eine Einlagensicherung nach dem Geschmack der Euro-Staaten am Mittelmeer zu unterstützen, heißt nichts Anderes als einen REGULATORISCHEN RAUBÜBERFALL (http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=18496) zu befürworten – wohlgemerkt aus der Position der Opfer!
5. Was hat sich Robert Habeck also dabei gedacht, als er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass nahm, eine irrelevante und eine zumindest aus deutscher Sicht masochistische Weiterung in Sachen Bankenunion zu fordern? Bei EDIS hat er möglicherweise die schon länger von seiner Partei vertretene Position (hier) neu anzustoßen versucht und beim Abwicklungsfonds eine elementare institutionelle Zuordnung übersehen. Jedenfalls gibt die Haltung des Bundesverfassungsgerichts nichts für politische Forderungen solcher Art her.
Vielleicht sollte sich politischer Mitteilungsdrang aber auch selbst stärker zu disziplinieren versuchen. Robert Habeck hat hierzu ja schon einmal Konsequenzen gezogen, als er nach einem verunglückten Video zukünftigen Twitter- und Facebook-Aktivitäten abschwor. Damals hatte er die Bemühungen seiner Partei propagiert, dass Thüringen, in dem die GRÜNEN Teil der Koalitionsregierung sind, „ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird, ein ökologisches Land“. Dagegen mag die aktuelle Äußerung weniger spektakulär erscheinen, ein Fauxpas bleibt sie gleichwohl. Allerdings darf man wohl nicht hoffen, dass uns jetzt vorschnelle Kommentare grüner oder anderweitiger Politprominenz erspart bleiben werden – vielleicht auch besser so, denn damit ginge ja auch ein erheblicher Unterhaltungswert verloren!
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Ein aktuelles P.S. in Sachen politischer Mitteilungsdrang
https://www.focus.de/politik/deutschland/in-zdf-wahlsendung-technische-panne-im-zdf-habeck-kann-die-frage-nicht-hoeren-und-will-antworten-was-ihm-einfaellt_id_11095211.html,
das einerseits noch in ungeahnter Weise „einen draufsetzt“ und andererseits den bisherigen Schlusssatz eindrucksvoll bestätigt.