Der Bailout für Griechenland:
Schäuble setzt sich über Merkels Vorgaben hinweg

Die Finanzminister des Euro-Raums haben am Sonntag beschlossen, dass Griechenland im Falle eines Falles im ersten Jahr einen Dreijahreskredit von bis zu 30 Milliarden Euro zu einem Zins von etwa 5 Prozent erhalten soll. Finanzminister Schäuble hat dem zugestimmt. Der Beschluss ist unvereinbar mit der Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom 25. März. Dort heißt es:

„Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind bereit, im Rahmen eines Pakets, das eine erhebliche Finanzierung durch den Internationalen Währungsfonds und einen Mehrheitsanteil aus europäischen Finanzmitteln umfasst, zu koordinierten bilateralen Darlehn beizutragen. Dieser Mechanismus, der die Finanzierung durch den Internationalen Währungsfonds ergänzt, ist als Ultima Ratio zu betrachten, was insbesondere bedeutet, dass die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht … Die Zinssätze werden nicht-konzessionär sein, d.h. sie werden kein Subventionselement enthalten.“

Der Marktzins für griechische Anleihen mit dieser (Rest-)Laufzeit beträgt zur Zeit etwa 7 Prozent. Der von den Finanzministern vereinbarte Zins von 5 Prozent enthält daher ein deutliches Subventionselement.

Selbst der derzeitige Marktzins von sieben Prozent dürfte nicht zugrunde gelegt werden, wenn die Erklärung der Staats- und Regierungschefs gilt. Denn danach sollen die koordinierten bilateralen Darlehn nur gezahlt werden, wenn „die Finanzierung über den Markt nicht ausreicht“. Wenn sich Griechenland am Markt nicht mehr ausreichend finanzieren kann, also kein Geld mehr bekommt, ist der marginale Marktzins für Kredite an Griechenland unendlich. Folglich muss auch der Zins für die nicht subventionierten koordinierten bilateralen Darlehn der Euro-Staaten unendlich sein. Das heißt, die Euro-Staaten dürfen unter diesen Umständen keine Kredite an Griechenland vergeben.

Wie mittlerweile allgemein bekannt ist, widersprechen die in Aussicht gestellten Darlehn auch dem Bailout-Verbot des Artikels 125 Abs. 1, Satz 2 AEUV:

„Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierung … eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein“.

Die Europäische Kommission beruft sich demgegenüber auf Artikel 136 AEUV. Dort heißt es:

„Im Hinblick auf das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion erlässt der Rat für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, Maßnahmen … um
(a) die Koordinierung und Überwachung der Haushaltsdisziplin zu verstärken,
(b) für diese Staaten Grundzüge der Wirtschaftspolitik auszuarbeiten…“

Die in Aussicht gestellten koordinierten bilateralen Darlehn stellen jedoch weder die Haushaltsdisziplin her – ganz im Gegenteil! – noch sind sie als Grundzüge der Wirtschaftspolitik zu betrachten. Außerdem geht die Lex Specialis des Artikels 125 vor.

Darf der Internationale Währungsfonds (IWF) einem Land wie Griechenland Kredite zur Haushaltsfinanzierung gewähren? Die Bedingungen für eine Zuständigkeit des IWF sind in Artikel V, Abs. 3.b.ii der Articles of Agreement festgelegt:

„A member shall be entitled to purchase the currencies of other members from the Fund … subject to the … condition (that) it has a need to make the purchase because of its balance of payments or its reserve position or development of its reserves“.

Länder, die – wie Griechenland – Mitglied einer Währungsunion sind, intervenieren nicht am Devisenmarkt. Ihre Devisenbilanz ist immer ausgeglichen, denn sie können keine eigene Wechselkurspolitik betreiben. Zur Haushaltsfinanzierung ist der IWF nicht berechtigt. Dennoch hat der derzeitige Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, seine Bereitschaft erklärt, mit der griechischen Regierung über einen Kredit zu verhandeln. Die Tatsache, dass der IWF bereits einem Mitglied einer anderen Währungsunion ein Darlehen gewährt hat, macht die Sache nicht besser, sondern nur schlimmer. Auch die Deutsche Bundesbank bestreitet dem IWF das Recht, zur griechischen Haushaltsfinanzierung beizutragen. Sie ist direkt tangiert, denn die Kredite des IWF werden durch Geldschöpfung in den Gläubigerländern finanziert.

Alles dies sind Zeichen einer zunehmenden Rechtlosigkeit im Bereich der internationalen Organisationen. Leider sind internationale Organisationen nicht nur der demokratischen, sondern auch der rechtlichen Kontrolle weitgehend entzogen. Zum Teil – im Fall des IWF – fehlen Organe der Rechtsdurchsetzung ganz. Zum Teil – dort, wo es wie in der EU einen Gerichtshof gibt – sind seine Richter selbst daran interessiert, die Macht ihrer Organisation zu mehren. Den Bürgern ist es meist verwehrt, gegen Rechtsbrüche zu klagen

Pacta sunt servanda?

3 Antworten auf „Der Bailout für Griechenland:
Schäuble setzt sich über Merkels Vorgaben hinweg“

  1. „Pacta sunt servanda?“

    Vergessen Sie es. Es geht inzwischen so weit, daß man sagen muß. Im Privatbereich ja, sobald „öffentliche Stellen“ ins Spiel kommen ein „je nach Kassen/Interessenlage“. Bin mal gespannt wie es mit langlaufenden Verträgen weitergeht, was wird z.B. mit Erbpachtverträgen und/oder den „garantierten“ Einspeisepreisen für „regenerative“ Energien, oder vielleicht noch einfach was wird wohl die staatliche „Rente“ noch wert sein?

  2. Mit dem gestrigen Tag wissen wir es ganz genau:
    „Verträge müssen von Politkern nicht eingehalten werden.“

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,690771,00.html

    Es wird wohl nur eine Frage der Zeit sein, bis weitere Verträge der Willkür anheimfallen.

    Ach ja besonders nett die Schlagzeile dazu in den BNN von heute. Die „Spekulanten“ sind schuld. Also nicht der Betrüger ist schuld sondern diejenigen die die Betrüger „erwischten“.

    Die Schöne Neue Welt war gestern, heute haben wir dazu unsere Politiker.

  3. Ich denke mir ist von einem Juristen die Lücke aufgezeigt worden. Zwar kann kein Land von einem anderen fordern die Schulden zu übernehmen. Aber freiwillig darf man sicher Kredite vergeben. Zwar läuft es dann auf eine Verpflichtung hinaus, aber dieist , im aktuellen Fall von Griechenland einzuklagen. Wenn wir aber unsere Kredite „abschreiben“ müssen dann haben wir halt „Pech“ gehabt. Es wird wohl auf eine „freiwilliges“ Kreditangebot hinauslaufen. Es wird zwar damit auch gegen §126 verstoßen wo man lesen darf:
    (1) Die Mitgliedstaaten vermeiden übermäßige öffentliche Defizite.

    Aber das ist ja bekanntlicherweise „straffrei“ also kostet es nichts hiergegen zu verstoßen.

    Es ist damit zu rechnen, daß was mein einem gewährt, jemanden anders nicht verwehren wird können. Nur bedeutet daß auch etwaige andere Schulden könnte auch „freiwillig“ übernommen werden. Das Ende ist dann natürlich absehbar. Aber es schert unsere Politker anscheinend nicht.

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