Der Gesetzgeber hat mit der für Grundgesetzänderungen erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit beschlossen, dass sich der Bund für Verteidigungsausgaben ab einer Höhe von 1 Prozent des BIPs unbegrenzt verschulden kann. Auch soll ein 500 Mrd. Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur etabliert werden, in dem 100 Mrd. Euro für Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität reserviert sind. Damit ist eine neue Pfadabhängigkeit geschaffen worden, die Deutschland noch weiter auf die schiefe Bahn bringen und das weitere Abrutschen in den internationalen Rankings verstärken kann. Freilich gibt es andere Einschätzungen. So wird der Milliardendeal als „Gamechanger“ gepriesen oder als Anlass, um „in die Hände zu klatschen“, weil die Politik endlich vom „Fetisch der Schuldenbremse“ abgerückt ist.
Sicher war es richtig, Putin die Finanzkeule zu zeigen. Der eingeschlagene Weg war freilich nicht ratsam. Besser wäre nach Lars P. Feld gewesen, angesichts der auch durch Trumps unberechenbares Agieren akut gestiegenen Bedrohung die Notfallklausel der Schuldenbremse als Reißleine zu ziehen. Doch ist die von der Politik geschaffene Pfadabhängigkeit nun einmal da und wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen: Welche kreativen Lösungen und politischen Schritte sind erforderlich, um das drohende Unheil in eine Chance umzumünzen?
Die CDU/CSU muss aus dem eigenen Überlebensinteresse heraus verhindern, dass sich das Mega-Schuldenpaket als Konjunkturprogramm für die AfD entpuppt, dass ihr die Wähler verstärkt davon laufen und dass sich keine mehrheitsfähigen Koalitionen zwischen den „Altparteien“ mehr finden lassen. Denn es sind Wahlversprechen gebrochen und Hypotheken aufgenommen worden, für die die junge Generation gerade stehen muss. Freilich war der Sinneswandel angesichts der durch Trump abrupt geänderten Sicherheitslage Europas nachvollziehbar. Gebot der Stunde sind deshalb vertrauensbildende politische Maßnahmen, die Deutschland wieder eine Langfristperspektive geben. Gebot der Stunde ist, den gesamten Bundeshaushalt zu durchforsten und den Rotstift anzusetzen, um den gestiegenen Zins – und Inflationsrisiken entgegenzuwirken.
Schranken für die Staatswirtschaft erforderlich
Bislang war es in der Politik immer en vogue, mit fremden Geld gönnerhaft Staatsgeschenke in Form von Sozialleistungen und Finanzhilfen zu verteilen. Diese Zeiten sind jetzt vorbei. Die Bedrohung durch Putin ist durch das Agieren Trumps akut gestiegen. Wir erleben bereits einen Cyberkrieg und unter den zahlreichen Asylanten tummeln sich vermutlich Putins Kolonnen. Unsere verantwortlichen Politiker müssen erkennen, dass angesichts der nötigen Aufstockung der Verteidigungsausgaben Selbstbeschränkung des Staates auf breiter Front geboten ist. Der Staat muss sich selbst Fesseln auferlegen und seinen Ausgabeappetit zügeln. Während die Marktkräfte durch Gesetze, Wettbewerb und Kartellaufsicht diszipliniert werden, fehlen in der Staatswirtschaft die für effiziente Leistungserstellung erforderlichen constraints völlig. Der Wahlmechanismus sorgt nicht für Effizienz, die in einer Welt der Knappheit aber unabdingbar ist. Als natürlicher Monopolist muss sich der Staat deshalb jetzt selbst Schranken setzen, damit die Ausübung von Macht nicht aus dem Ruder läuft und sich Deutschlands Talfahrt beschleunigt. Erforderlich ist jetzt ein kräftiger Tritt auf die Ausgabenbremse. Dies muss durch verbindliche und nachhaltige Reformprogramme und Regelbindungen geschehen, so wie es die (nunmehr aufgeweichte) Schuldenbremse eine ist.
Steuersenkungen statt Staatsgeschenke
Durch die Schaffung des Sondervermögens für Infrastruktur und den Freifahrtschein für eine nach oben unbegrenzte Kreditaufnahme für Verteidigungszwecke ab 1 Prozent des BIPs sind wieder Finanzspielräume im regulären Haushalt geschaffen worden, weil Ausgaben aus dem offiziellen Budget in den Sonderhaushalt verlagert werden können. Um zu verhindern, dass Kasse sinnlich macht, ist im Sinne der iron lady Margaret Thatcher in der sich wieder füllenden Badewanne sofort der Stöpsel herauszuziehen. Und zwar durch ein Weiterleiten der Mittel an die Marktkräfte, die die Steuern verdient haben. Dabei sollte die Einkommensteuersatzkurve gesenkt und die Progression abgeflacht werden, damit sich Leistung wieder lohnt. Wichtig ist auch, das Herauswachsen aus dem System der sozialen Grundsicherung anreizfördernd zu gestalten. Bei Arbeitsaufnahme muss deutlich mehr Netto vom Brutto verbleiben. Weiterhin ist die Körperschaftsteuer deutlich zu senken, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und um im Ausland ansässige Firmen anzulocken bzw. inländische im Inland zu halten.
Beherzter Tritt auf die Ausgabenbremse erforderlich
Gleichzeitig zum Steuersenkungsprogramm ist ein Subventionsabbauprogramm geboten, um weitere Finanzierungsmittel freizusetzen und um dafür zu sorgen, dass der Schuss mit dem Mega- Milliarden-Programm nicht nach hinten, sondern vielmehr nach vorne losgeht. Allein das Streichen der Steuervergünstigungen erbrächte. 74,8 Mrd. Euro (Laaser, Rosenschon und Schrader 2025), wovon freilich ein Teil des so realisierbaren steuerlichen Mehraufkommens bei Ländern und Gemeinden anfällt. Das geplante Finanzhilfevolumen des Bundes betrug im Jahr 2024: 127,3 Mrd. Euro. Damit der Bund die Sondervergünstigungen für wenige Lobbyisten finanzieren kann, wird rein rechnerisch fast das gesamte Aufkommen des Bundes aus der Lohn- und Einkommensteuer verschlungen.
Freilich lassen sich nicht alle Finanzhilfen kürzen oder streichen. So muss der Bund wohl weiterhin die Pensionslasten zugunsten der ehemaligen Bahnbeamten (2024: 5,1 Mrd. Euro) übernehmen. Diese und weitere durch Vertrauensschutz gebundene Zahlungen stehen also nicht zur Disposition. Aber die meisten Positionen sind disponibel. So lassen sich etwa die Agrarsubventionen des Bundes, die 2024 rund 4,5 Mrd. Euro betragen sollten (davon Finanzhilfen 2,9 Mrd. Euro), durchaus von heute auf morgen einsparen und durch gezielte Transfers ersetzen. Es besteht wohl gesellschaftlicher Konsens, dass die Bauern gefördert werden sollen, schon allein aus Gründen der Nahrungsmittelsicherheit und wegen der Landschaftspflege. Empfehlenswert wäre daher ein direkter Einkommenstransfer, statt eines Sammelsuriums an dirigistischen und ökonomisch ineffizienten und kaum mehr überschaubaren Subventionsmaßnahmen. Durch den Übergang von einem subventionspolitischen Instrumentenkasten auf gezielte Transfers könnte der Staat wohl eine beträchtliche Nettoersparnis realisieren. Doch nicht nur der Fiskus, sondern auch die Bauern selbst wären die Gewinner. Zumal im gegenwärtigen System gar nicht die Bauern als Pächter die Nutznießer der meisten Fördermaßnahmen sind, sondern die Bodenbesitzer (Schrader 2005). Sie kommen in den Genuss höherer Bodenrenten. Die Bauern würden also den Systemübergang in jedem Falle begrüßen und mit Wählerstimmen honorieren, weil nach der Reform ihr Geldbeutel praller gefüllt wäre.
180-Grad-Wende in der Umweltpolitik vonnöten
Auch die Umweltsubventionen des Bundes in Höhe von 42,6 Mrd. Euro (einschließlich des geplanten Entwurfs zum Nachtragshaushalt 2024: 51,4 Mrd. Euro) im Jahr 2024 gehören ebenfalls zu den Streichkandidaten: Die Umweltpolitik hierzulande ignoriert nämlich den Rat des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, zur Erreichung von Klimazielen den Weg über eine umfassende CO2-Bepreisung zu gehen und auf Subventionsvergabe zu verzichten (Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen 2023). Befolgte die Bundesregierung diesen Rat, könnte sie mit einem Schlag nicht nur Milliarden an Euro sparen. Zudem hätte der Fiskus wohl beträchtliche Mehreinnahmen. Auch der Umwelt wäre gedient, weil die Anreiz- und Strafmechanismen, die mit freien Preisen verknüpft sind, wieder zum Zuge kämen. Die von (nicht nur) manchen (Umwelt)-Ökonomen propagierte Meinung, Umweltsubventionen müssten sein, weil das Alternativkonzept politisch nicht durchsetzbar sei, überzeugt nicht. Warum zahlt man nicht einfach Einkommenstransfers an jene Einkommensschichten, für die die umfassende CO2-Bepreisung finanziell nicht verkraftbar wäre? Das käme wohl deutlich billiger als die Subventionen kosten.
Da Energiebeihilfen für untere Einkommensschichten erforderlich sind, um Widerstände zu minimieren und soziale Problemlösungen anzubieten, bietet sich an, diese nötigen Zuwendungen aus dem neu zu gründenden Sonderfonds Infrastruktur zu bestreiten. Auch wenn es sich dabei in vordergründiger Betrachtung um eine Transferzahlung handelt, für die kein Platz in einem Infrastrukturfonds ist, liegt bei dieser letztlich eine echte Investitionsausgabe vor. Sie ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass ein um Umweltbelastungen nach oben korrigierter Preis als ein flexibles Instrument eingesetzt werden kann, das Anreize setzt, Schädigungen der Umwelt zu vermeiden und neue umweltsparende Technologien zu entwickeln. Denn der Preismechanismus ist ein deus ex machina zur Überwindung von Knappheit. Die Energiebeihilfen sollten in jedem Fall aus dem neuen Sonderfonds bestritten werden, der Klima- und Transformationsfonds sollte damit obsolet sein. Die dort freigesetzten Mittel sollten für den Rückkauf von Anleihen für Verteidigungsfinanzierung verwendet werden.
Deutsche Bahn AG – ein Fass ohne Boden
Ein anderes subventionspolitisches Kapitel für sich sind die Verkehrssubventionen, vor allem jene zugunsten der mittlerweile hoch verschuldeten Deutschen Bahn AG, die sich als Fass ohne Boden oder Milliardengrab erwiesen hat und deren Preis-Leistungs-Verhältnis immer schlechter wird. Auch hier haben die verantwortlichen Politiker – wie auch in der Umweltpolitik – den Expertenrat in den Wind geschlagen und stattdessen verstärkt Geld auf die Probleme geworfen und mit sogenannten Eigenkapitalzuführungen Defizite aufgrund von Missmanagement kaschiert. Die Gutachten des Bundesrechnungshofes, in denen Strukturreformen angemahnt worden sind, wurden geflissentlich von der Politik ignoriert (Bundesrechnungshof 2019, 2023 a und 2023 b). Über der Deutschen Bahn AG schwebt das Damoklesschwert einer 7 Mrd. Euro Forderung in Verbindung mit Stuttgart 21 aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Süddeutsche Zeitung vom 7. Mai 2024). Und den einzig rentablen Geschäftszweig, die Tochter Schenker, hat die Deutsche Bahn AG vergangenes Jahr an die Dänen verkauft, weil der Liquiditätszufluss in Höhe von 14,3 Mrd. Euro (Süddeutsche Zeitung vom 13. September 2024) dringend vonnöten war, um die Bilanz zu schönen.
Die Netto-Finanzschulden der Deutschen Bahn AG lagen Ende des Jahres 2023 bei rund 34 Mrd. Euro (Statista Research Department 2024). Diese Zahl taucht in keiner Anlage des Bundeshaushalts auf (wohl aber Sonder„vermögen“ wie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der sich allerdings ausschließlich über Schulden finanzierte). Im Jahr 2023 hat die Deutsche Bahn AG 2 Mrd. Euro verloren (Wirtschaftswoche online 2024). Ohne die Quersubventionierung durch die profitable Logistiktochtergesellschaft Schenker wären es gar 3,1 Mrd. Euro gewesen (Verkehrsrundschau online vom 21.3.2024) Es kann nur davon gewarnt werden, die Deutsche Bahn AG unter den Schutzschirm des neuen Sonderfonds Infrastruktur zu stellen, ohne gleichzeitig die längst überfälligen Strukturreformen anzugehen und bei Investitionen Nutzen-Kosten-Analysen (Recktenwald 1971) zu erstellen. Ob der Sonderfonds Infrastruktur wohl für die nicht ausgewiesenen Schulden der Deutschen Bahn AG in die Pflicht genommen wird?
Der Ministerial-Soli: Wirksames Instrument zum Abbau der Sozialausgaben?
Der Bundeshaushalt besteht freilich nicht nur aus Finanzhilfen, wenngleich diese im Jahr 2024 bereits 21,3 Prozent des bereinigten Ausgabevolumens ausmachen sollten (Laaser und Rosenschon 2024). Im Jahr 2023 war es gar ein Viertel des Budgetvolumens gewesen. Vier Fünftel des Haushaltsvolumens sind verplant, wenn man auf die Summe von Umverteilungsausgaben, Finanzhilfen, Altlasten wie Zinsen und Pensionen, Ausgaben für Bundesämter, Bundesanstalten, sonstige Behörden, Exekutive, Legislative, Judikative sowie Zahlungen an das Ausland (u.a. an die EU) abstellt – allesamt Ausgaben, die nicht unter allzu hohem Produktivitätsverdacht stehen.
Wie kann man diesen Ausgabeblöcken wirksam zu Leibe rücken? Zunächst: Die Altlasten (Zinsen, Pensionen, Beihilfen) sind kurzfristig sehr invariant. Aber die anderen Ausgaben lassen sich durch einen „Ministerial – Soli“ als hoffnungsvolle „Innovation im deutschen Steuerparadies“ auch auf kürzere Sicht gut in den Griff bekommen (Rosenschon 2025, Laaser und Rosenschon 2025). Darunter ist eine globale Minderausgabe oder ein prozentualer Abschlag für die Budgets der einzelnen Ressorts zu verstehen, die nach Art des Rasenmähers pauschal oder selektiv, also nach Ministerien differenziert, ausfallen kann. Die Entscheidung, wie das Budget zu kürzen ist, bleibt jedem Fachminister und seinem Mitarbeiterstab vorbehalten. Das Budget des Verteidigungsministers sollte außen vor bleiben, oder mit einem nur unterdurchschnittlichen Ministerial-Soli belastet werden. Denn auch dort schlummern ungenutzte Effizienzreserven, die es zu mobilisieren gilt.
Klar ist, dass die hypertrophierten Sozialausgaben zurückgestutzt werden müssen. Der Griff zum Chirurgenmesser oder Skalpell kann nur dem Sozialminister und seinem Beamtenapparat gelingen. Reformen müssen von innen heraus realisiert und durch einen von außen auferlegten Deckel – der globalen Minderausgabe – erzwungen werden. Sind nämlich die Wähler an der Entscheidung beteiligt, ob etwa die Rente mit 63 wieder zurückgenommen werden soll, wird dieses Vorhaben wegen der demographischen Mehrheitsverhältnisse und der beschränkten Denkhorizonte vieler Zeitgenossen wohl niemals in die Realität umgesetzt werden. Das gilt auch für die Wiedereinführung des Demographie- Faktors in der Rentenformel. Besser ist, wenn erst nach der Wahl der Sozialminister verraten muss, welche Katze er aus dem Sack zu lassen gedenkt und wo er den Rotstift ansetzen will. Nur so kann eine Politik betrieben werden, die fair gegenüber der jungen Generation ist. Das ist letztlich auch im Interesse der alten Generation, weil so Wohlstandszuwächse generiert werden und verhindert wird, dass Deutschland zum pflegebedürftigen Altenheim wird, dem der zahlende Nachwuchs fehlt.
Abrundend noch ein paar Worte zu den Sozialausgaben aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht: Für eine gezielte und richtig dimensionierte sowie richtig ausgestaltete Umverteilung von oben nach unten gibt es neben humanitären auch handfeste ökonomische Gründe (Siehe Laaser und Rosenschon 2022 auf S. 15-16). Diese ökomischen Legitimationsgrundlagen sucht man bei der Sozialpolitik nach deutscher Art aber vergeblich. Diese ist eher ein Breitensport oder Volksspiel geworden mit dem Titel: „von der linken Tasche in die rechte Tasche und unter Abzug von Verwaltungskosten“. Historisch einmalig hohe Sozialausgaben auf historisch einmalig hohem Wohlstandsniveau sind anachronistisch und widersinnig. Ludwig Erhard würde sich im Grabe herumdrehen, würde er sehen, was aus seiner sozialen Marktwirtschaft geworden ist.
Wie der Ministerial-Soli beim Abbau der Bürokratie helfen kann
Der Ministerial-Soli hätte neben dem fiskalischen Effekt noch etwas Gutes: Die globale Minderausgabe würde nämlich jedes Ministerium zwingen, die ihm angegliederten Ämter, Anstalten, Institute und sonstigen Behörden auf ihre ökonomische Daseinsberechtigung hin zu hinterfragen, Organisationsmängel zu beseitigen und Effizienzreserven zu mobilisieren. Hier hat sich ein ganzes Sammelsurium an Institutionen herausgebildet (Näheres bei Laaser und Rosenschon 2024), bei denen oft unklar ist, ob und inwieweit sie volkswirtschaftlich wichtigen Funktionen nachgehen oder ob sie hoheitliche Produzenten von bürokratischem Ballast sind, die keine Rücksicht auf Nutzen und Kosten nehmen müssen und die der Wirtschaft hohe Folgekosten aufbürden. Man könnte also mit der fiskalisch motivierten Maßnahme des Ministerial-Solis gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen, indem so Impulse für den längst überfälligen Bürokratieabbau und die erforderliche Deregulierung ausgelöst werden würden. Wenn Bürokratiekosten durch Zurückstutzen des Behördendschungels gesenkt werden würden, könnte sich die Politik beim Konzipieren eines langfristig angelegten Steuersenkungsprogramms etwas Zeit nehmen. Denn bereits die Ankündigung eines solchen Programms würde den Standort Deutschland stärken, zu Investitionen ermuntern, Direktinvestitionen anlocken, der Abwanderungen qualifizierter Kräfte entgegenwirken und Zuwanderungen stimulieren. Finanzwissenschaftler sprechen von positiven Ankündigungswirkungen.
Mehr Wachstum durch mehr öffentliche Investitionen?
Ein Sparkommissar sollte sein wachsames Auge auch auf die Etats von Ministerien werfen, die nach herrschender Meinung als unantastbar gelten, weil das betreffende Ministerium einen Beitrag zur Lösung volkswirtschaftlich wichtiger Aufgaben leistet. Beispiele sind die Bereitstellung von Infrastruktur oder die Förderung von Grundlagenforschung und Bildung. Ausgaben in diesen Funktionsbereichen sollten nicht von vornherein sakrosankt sein und ungeprüft das Gütesiegel „produktiv“ verliehen bekommen. So dürfte es uns wohl kaum zurückwerfen, wenn ein paar Radwege weniger gebaut werden würden. Auch ist etwa der Straßenrückbau, der statistisch als öffentliche Investition verbucht wird, im Grunde Kapazitätsvernichtung, also das Gegenteil einer Investition. Vom Bau zahlreicher Sicht-oder Lärmschutzwälle, in den die beträchtlichen Investitionszuschüsse des Bundes an die Deutsche Bahn AG offensichtlich zu hohen Teilen geflossen sind, darf man sich wohl auch keinen fundamentalen Beitrag zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Deutschen Bahn AG erhoffen. Der im Jahr 1990 verstorbene Finanzwissenschaftler Horst Claus Recktenwald hat im Kontext der sogenannten öffentlichen Investitionen den Begriff der „primitiven Steine- und Mörtel-Philosophie“ geprägt. Die pauschale Einstufung von Bauwerken und sonstiger hardware als öffentliche Investition ist also fragwürdig, weil sie Unantastbarkeit suggeriert. Der Produktivitäts- und Kapazitätseffekt vieler Ausgaben ist zweifelhaft. Hinter dem Begriff der öffentlichen Investitionen verbergen sich oft Konsumausgaben wie Freizeiteinrichtungen, während wirkliche – mit einem Kapazitätseffekt einhergehende – Investitionen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) oft als Staatskonsum verbucht werden. Beispiele sind die Gehälter für Lehrer und Forscher (Rosenschon 1986). Freilich soll hier nicht bestritten werden, dass es viele öffentliche Investitionen gibt, die als Wachstumstreiber einzustufen sind und ihren Namen verdienen. Die aus diesen Ausführungen zu ziehende Schlussfolgerung ist: Unter das Dach des neuen Sonderfonds für Infrastruktur gehören nur Investitionsprojekte, die einer Nutzen-Kosten-Analyse (Recktenwald 1971) unterworfen und als rentabel eingestuft worden sind.
Auch innerhalb der Forschungsausgaben oder sonstiger volkswirtschaftlich wichtiger Aufgabefelder wie Bildung gibt es Sparpotentiale. So dürfte es uns wohl kaum zurückwerfen, wenn weniger über schöngeistige Dinge geforscht werden würde. Auch hier muss die Spreu vom Weizen getrennt werden. Freilich ist bei den sogenannten MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) -Fächern äußerste Vorsicht geboten, wenn es um das Streichen von Ausgaben geht. Doch auch innerhalb der Naturwissenschaften gibt es Fragestellungen, die zwar interessant sind, aber die die Menschheit nicht unmittelbar voranbringen. Die genannten Beispiele sind gewissermaßen keine Fundamente, auf denen das Haus ruht, sondern der Schmuck, der das Gebäude ziert. Und in Zeiten, in denen Kriegsgefahr besteht, sollte auch dieser Schmuck zur Disposition stehen. .
Fazit
Das abrupt auf Gozilla-Größe erweiterte Finanzkorsett des Staates war vermutlich eine geeignete Drohgebärde gegenüber dem russischen Despoten Putin, der offensichtlich imperiale Absichten hegt. Bei einem politischen „weiter so“ geht aber ein wirtschaftliches, politisches und gesellschaftliches Hochrisiko damit einher. Deutschlands maßgebliche Politiker haben jetzt eine letzte Chance, längst überfällige Fundamentalreformen anzupacken. Dies ist nicht unwahrscheinlich, weil die Altparteien erkennen müssten, dass Ihnen sonst die Felle davonschwimmen. Wenn sich Politiker schon nicht vom Expertenrat lenken lassen, muss man hoffen, dass sie wenigstens ihr Streben nach langfristigem Machterhalt zum Ergreifen der genannten Maßnahmen verleitet, die einen säkularer Aufschwung einläuten würden – gleichsam ein zweites deutsches Wirtschaftswunder. Die Welt wüsste, dass das Geld in Deutschland sicher und hoch rentabel angelegt ist. Dies wäre eine noch schlagkräftigere Waffe gegenüber dem russischen Despoten als der Mega-Schulden-Deal allein, der ihn in seinen kriegerischen Absichten sicherlich beeindruckt hat, der ihn aber vielleicht auch zur Beschleunigung seiner Aufrüstungsbemühungen ermuntert, weil er immer noch Siegeschancen sieht. Und sich ins Fäustchen lacht, wenn Deutschland noch weiter auf die schiefe Bahn gerät. Ein kräftiges Wirtschaftswachstum in Verbindung mit dem Milliarden-Deal hingegen signalisiert ihm, dass er keine Chance hat.
Die vorliegende Abhandlung hat gezeigt, wo die Hebel anzusetzen sind, um Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wieder auf eine aufwärts gerichtete Schiene zu setzen. Die erforderlichen Programme erscheinen auch mit einer Minderheitsregierung aus CDU und CSU realisierbar, weil die AfD den Sparvorhaben vermutlich zustimmen muss, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren.
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