Irland ist nicht Griechenland
Der Europäische Währungsfonds erhält neue Funktionen

Auf den Bail-out Griechenlands folgt nun ein subventionierter Euro-Kredit für Irland. Die Bilder gleichen sich, aber dahinter verbergen sich drei wichtige Unterschiede.

Erstens gingen die irischen Haushaltsdefizite – ganz anders als die griechischen – vor der Finanzkrise fast nie über die Drei-Prozent-Grenze hinaus. Stattdessen wurde Irland von der Finanzkrise deshalb besonders heftig getroffen, weil sein Bankensektor relativ zum Rest der Wirtschaft besonders groß ist und relativ zu seinem Eigenkapital besonders hohe Verluste erlitt. Deshalb musste der irische Staat die Banken mit großen Summen stützen. Er trägt viel weniger Mitschuld an den Haushaltsproblemen als der griechische Staat.

Zweitens jedoch macht Irland – anders als Griechenland – nicht geltend, dass es sich im Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren könnte. Der irischen Regierung geht es lediglich darum, die Risikoaufschläge zu vermeiden, die sie am Markt zahlen muss. Wird durch diesen Präzedenzfall eine vernünftige Regel geschaffen? Sollen EU-Staaten in Zukunft keine Risikoprämie mehr zahlen müssen, weil die anderen für sie haften? Risikoaufschläge sind ein Disziplinierungsinstrument. Soll die Haushaltsdisziplin geschwächt werden? Das entspräche nicht den Zielen des „Stabilitäts- und Wachstumspakts“.

Drittens wurden die Kredite Irland förmlich aufgedrängt. Während die griechische Regierung die anderen Ratsmitglieder nach allen Regeln der Kunst unter Druck setzte, weil deren Banken sonst Verluste erlitten hätten, wurde der irischen Regierung von der EU-Kommission, dem EZB-Präsidenten und Politikern anderer Mitgliedstaaten geradezu nahe gelegt, einen EU-Kredit zu beantragen. Weshalb?

An einem EU-Kredit für Irland sind zunächst einmal alle diejenigen interessiert, die den europäischen Bail-out-Mechanismus zu einer Dauerinstitution machen wollen. Dazu gehören zum Beispiel die EU-Kommission, der französische Präsident Sarkozy (als Führer der Mittelmeerunion) und Finanzminister Schäuble (als geistiger Vater des Europäischen Währungsfonds).

Darüber hinaus scheint EZB-Präsident Trichet zu fürchten, dass seine Zentralbank andernfalls in eine Schieflage geraten könnte. Im September 2010 – so die letzten verfügbaren Zahlen – standen die irischen Banken mit 121 Mrd. Euro oder 78 Prozent des irischen Bruttoinlandsprodukts bei der EZB in der Kreide. Gegenüber den griechischen und portugiesischen Banken beliefen sich die EZB-Forderungen „nur“ auf 95 Mrd. Euro (40 Prozent) bzw. 50 Mrd. Euro (29 Prozent).

Schließlich versuchen verschiedene EU-Regierungen (angeführt von der französischen) und die EU-Kommission (angeführt von Kommissar Rehn) über das Lockmittel eines billigen EU-Kredits die Iren dazu zu bringen, als Gegenleistung den niedrigen irischen Körperschaftssteuersatz zu erhöhen. Für die Kommission fällt dies unter das Ziel „Steuerharmonisierung“. Für die anderen Mitgliedstaaten ist es die „strategy of raising rivals‘ costs“.

Bisher ist diese Strategie mit qualifizierter Mehrheit und über Regulierungen durchgesetzt worden. Die Mehrheit der hochregulierten Mitgliedstaaten zwang der liberaleren Minderheit ihr hohes Regulierungsniveau auf, um die Wettbewerbsfähigkeit der Minderheit zu schwächen. Die bekanntesten Beispiele sind die Arbeitsmarktregulierungen der EU, das Folgerecht für den Kunstmarkt und jetzt – nach der Finanzkrise – die europäische Regulierung der Finanzmärkte. Einheitliche oder Mindeststeuersätze darf der Rat jedoch nur einstimmig beschließen, und eine Angleichung der direkten Steuern ist in den Verträgen überhaupt nicht vorgesehen. Im Bereich der Besteuerung funktioniert die „strategy of raising rivals‘ costs“ daher nur, wenn eine Mehrheit von Hochsteuerländern die Notlage eines Niedrigsteuerlandes ausnutzen kann. Damit erhält der europäische „Rettungsschirm“ eine ganz neue Funktion.

2 Antworten auf „Irland ist nicht Griechenland
Der Europäische Währungsfonds erhält neue Funktionen

  1. „Deshalb musste der irische Staat die Banken mit großen Summen stützen. Er trägt viel weniger Mitschuld an den Haushaltsproblemen als der griechische Staat.“

    Diese Schreibweise enthält eine ganz klare Botschaft.
    musste = „hatte keine Wahl“.

    Was wäre denn gewesen wenn nicht?

    Und was ganz außen vor bleibt sind diverse Paragraphen die ein (F)Bailout untersagen. Dieser eklatante Rechtsverstoß wird offenbar einfach „abgetan“…

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