Einst hatte ich einen schönen Traum: In einer feierlichen Prozession zogen die stärksten Befürworter der Subventionierung eines Wirtschaftszweigs zu ihren Volksvertretern, nicht um mehr, sondern um weniger Geld zu fordern. Weil sie befürchteten, der Unmut der Öffentlichkeit könne ansonsten allzu groß werden und das Subventionsprogramm insgesamt hinwegfegen. Genau dieser Traum ist jetzt wahr geworden.
In einem Schreiben vom 15. Dezember an mehr als siebzig Abgeordnete des deutschen Bundestages fordern führende Energiewissenschaftler, die sich bislang als vehemente Befürworter einer Subventionierung des Solarstroms profiliert hatten, eine grundlegende Revision des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG). Die dort geregelte Förderung der Photovoltaik und die Begünstigung des Öko-Stroms führen ihrer Ansicht nach zu derart hohen Belastungen der privaten Haushalte, dass mit massiven Widerständen gegen einen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien zu rechnen sei.
Tatsächlich erhalten die allermeisten deutschen Haushalte in diesen Tagen Post von ihren Energieversorgern, in denen Preiserhöhungen für das kommende Jahr angekündigt werden mit der Begründung, die EEG-Umlage sei so stark gestiegen. Ein Durchschnittshaushalt wird im Jahr 2011 eine Ökostrom-Umlage von rund zwölf Euro pro Monat zahlen, gegenüber sieben Euro im Jahr 2010. Und ein Ende ist nicht in Sicht, denn der Öko-Boom ist ungebrochen. In Bayern ist schon jetzt nahezu jede verfügbare Dachfläche mit Solaranlagen gepflastert, so dass manche Beobachter argwöhnen, das Land wolle sich auf diese Weise von anderen Ländern zurückholen, was es beim Länderfinanzausgleich draufzahle. Doch auch anderswo boomt die Photovoltaik, und die Kosten für die EEG-Umlage könnten endgültig aus dem Ruder laufen, wenn es bei der gegenwärtigen üppigen Förderung bleibt. Die Energiewissenschaftler prophezeien in ihrem Schreiben sogar „einen Scherbenhaufen des Ausbaus der Erneuerbaren Energien insgesamt“, falls nicht gegengesteuert würde.
So weit ist die Argumentation der Energieexperten nachvollziehbar. Weniger nachvollziehbar sind ihre Vorstellungen dazu, wie denn gegengesteuert werden soll. Sie empfehlen nicht nur, die Solarstromförderung stärker als geplant zurückzufahren, sondern plädieren auch dafür, den Bau neuer Photovoltaikanlagen auf 3,5 Gigawatt pro Jahr zu kontingentieren. Die Defekte im dirigistischen EEG sollen also mit einem noch dirigistischeren Markteingriff repariert werden. Es bedarf keiner großen prophetischen Gaben, um vorherzusehen, dass eine solche Kontingentierung nicht mehr sein kann als ein rostiger Notnagel.
Sowohl aus ökologischer als auch aus industriepolitischer Sicht ist ohnehin fraglich, ob das EEG überhaupt noch eine Existenzberechtigung hat. Zunächst zur ökologischen Dimension: Da die CO2-Emissionen der Stromerzeugung gemeinsam mit den Emissionen von fünf Industriezweigen über das europäische Emissionshandelssystem reguliert werden, führt ein Ausbau des Ökostroms zu keiner Reduzierung des CO2-Ausstoßes insgesamt, sondern nur zu einer Verlagerung in andere Bereiche, die die in der Stromerzeugung nicht mehr benötigten Zertifikate nutzen können.
Zwar wird mit der Inbetriebnahme einer Solaranlage nicht unmittelbar ein CO2-Zertifikat für andere Emittenten frei, denn zertifikatspflichtig sind nur größere Anlagen mit einer Jahresproduktion von mehr als 20 MWh. Soweit der Solarstrom aber Strom aus konventionellen Kraftwerken ersetzt (und das ist ja der Sinn), stehen deren Zertifikate für andere Nutzer zur Verfügung. Analoges gilt für die Stromerzeugung aus Windkraft und anderen regenerierbaren Energiequellen, die ebenfalls nach dem EEG gefördert werden. Wenn für den Klimaschutz wirklich etwas erreicht werden soll, dann muss bei der Menge der Zertifikate insgesamt angesetzt werden und nicht bei den Emissionen eines einzelnen Wirtschaftszweigs.
Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien
Ungeachtet ihres Bedarfs müssen die Betreiber öffentlicher Netze allen Strom, der von Anlagen nach dem EEG gewonnen wird, abnehmen, und zwar zu gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen und mit Vorrang vor dem Strom, der aus anderen Energiequellen erzeugt wird. Begünstigt wird die Stromerzeugung aus Windenergie, Wasserkraft, Deponiegas, Klär- und Grubengas, Biomasse, Erdwärme und solarer Strahlungsenergie. Die Vergütungssätze sind nach Technologien und Standorten differenziert und sind so kalkuliert, dass sie einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen ermöglichen sollen. Sie sind degressiv ausgestattet und werden für 20 Jahre zuzüglich des Jahres der Inbetriebnahme gewährt (15 Jahre bei großen Wasserkraftanlagen). Gezahlt werden die Vergütungen von den Betreibern öffentlicher Stromnetze. Diese wiederum überwälzen die bei der Vermarktung des Ökostroms entstehenden Mehrkosten nach einem komplizierten Ausgleichsmechanismus auf die Versorgungsunternehmen, welche das Recht haben, die Mehrkosten an die Endverbraucher weiterzugeben. Insbesondere bei der Photovoltaik klaffen die Vergütungssätze und die tatsächlichen Kosten immer weiter auseinander. Deshalb wurden die Fördersätze bereits im Juli 2010 gesenkt, allerdings in wesentlich geringerem Maße, als angesichts der tatsächlichen Kostenentwicklung angemessen gewesen wäre.
Die industriepolitische Dimension: Insbesondere von der Solarindustrie, aber auch von der Bundesregierung wird argumentiert, mit der Solarstromförderung könne der deutschen Industrie langfristig ein strategischer Wettbewerbsvorteil verschafft werden, der über die daraus entstehenden Exporterfolge die Fördersubventionen mühelos wieder einspielen würde. Tatsächlich hat die deutsche Solarindustrie eine Führungsposition in der Welt. Aber vielleicht nur deshalb, weil der hochsubventionierte deutsche Markt für Solaranlagen zu weiten Teilen identisch ist mit dem Weltmarkt? Obwohl nicht von der Sonne verwöhnt, befinden sich auf deutschen Dächern mehr als fünfzig Prozent aller weltweit installierten Solaranlagen.
Schlecht ins Bild der strategischen Vorteile passen auch die Klagen der deutschen Solarindustrie, nach denen man bei einem Wegfall der Staatsförderung völlig hilflos der übermächtigen Konkurrenz aus China ausgeliefert sei. Schon heute fassen chinesische Hersteller von Solaranlagen, die die nötige Technik offenbar mühelos beherrschen, auch auf dem deutschen Markt immer stärker Fuß, da sie weitaus kostengünstiger produzieren als deutsche Hersteller. Die immerhin schon seit zehn Jahren anhaltende Förderung hat den deutschen Anbietern also keine nachhaltigen Technologievorsprünge verschafft.
Eine ökonomisch effiziente und ökologisch effektive Klimapolitik sollte sich darauf konzentrieren, die gesamtwirtschaftlichen Kosten der CO2-Emission den Verursachern anzulasten – sei es über ein Zertifikatssystem wie beim europäischen Emissionshandel, sei es über eine äquivalente CO2-Steuer. In jedem Fall sollte sich aber der Staat aus der Wahl förderungswürdiger und weniger förderungswürdiger Technologien heraushalten. Wenn die Rahmenbedingungen hinreichende Anreize zur CO2-Einsparung setzen, kann die Wahl der dazu geeigneten Technologien getrost den Unternehmen überlassen werden. Das EEG ist somit zur Gänze entbehrlich.
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