Schweizer Nationalbank zieht die Reißleine
Franken wird an den EURO gekoppelt

Am 6. September verkündete die Schweizerische Nationalbank (SNB) einen Mindestkurs des Frankens gegenüber dem Euro. Durch unbegrenzte Devisenmarktinterventionen will sie garantieren, dass der Wechselkurs nicht unter 1,20 Franken für einen Euro fällt. Zu sehen ist diese Maßnahme vor dem Hintergrund einer (weiteren) starken Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro in den letzten Monaten. Abbildung 1 zeigt, dass der Franken in der Zeit von 2003 bis 2007 zunächst stetig abwertete, was Carry Trades in großem Umfang auslöste. Neben dem Zinsvorteil zu Gunsten einer Anlage in der Euro-Zone wurde darüber hinaus ein Aufwertungsgewinn bei Anlagen in Euro (durch den weiter steigenden Wechselkurs) erwartet und auch in vielen Fällen realisiert. Da sich der Wechselkurs in dieser Phase aber immer weiter von der Kaufkraftparität (hier berechnet auf der Basis des Zeitpunkts Januar 1999) entfernte, war es nur eine Frage der Zeit, wann es zu einer Trendumkehr kommen würde. Die Abwertung des Euros bzw. die Aufwertung des Frankens begann im Jahre 2008 und setzt sich seither stetig fort.

KKP
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In der Zeit von März 2009 bis Juni 2010 kam es bereits zu einer ersten Runde von Devisenmarktinterventionen durch die SNB. Sie verkaufte in diesem Zeitraum etwa 70 Mrd. Franken im Gegenzug zu einem entsprechenden Ankauf von Euro. Da der Euro allerdings in den folgenden Monaten weiter an Wert verlor, führten diese Aktionen zu einem erheblichen (Buch-)Verlust der SNB, der ihr herbe Kritik eintrug. Bis zum Beginn des Jahres 2010 war der Euro jedoch (bezogen auf die Kaufkraftparität) noch über- und der Franken unterbewertet, so dass Devisenmarktinterventionen aus Gründen der „Kurspflege“ nicht notwendig gewesen wären. Seit dem Beginn der Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone hat sich die Aufwertung des Frankens durch seine Funktion als „sicherer Hafen“ allerdings deutlich beschleunigt und mittlerweile ist der Franken erheblich über- und der Euro unterbewertet.

Die nun vorliegende Überbewertung des Frankens gegenüber dem Euro wirkt sich wiederum negativ auf die Schweizer Wirtschaft aus, die in starkem Maße in die Euro-Zone exportiert (siehe hierzu auch Abbildung 2). So verteuert sich auf der einen Seite der Urlaub für ausländische Touristen in der Schweiz, während auf der anderen Seite die Exportbranchen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Mittlerweile fahren Schweizer Konsumenten in großem Umfang ins (deutsche) Euro-Ausland, um sich dort günstig mit entsprechenden Waren zu versorgen. Dies führte wiederum dazu, dass die Schweizer Anbieter auf ihren Waren sitzen blieben. Als Ergebnis dieser Entwicklungen stagniert die Schweizer Wirtschaft im Moment und die Verbraucherpreise sanken im August sogar um 0,3 Prozent.

Exporte
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Ein zweites Argument, das sowohl bei der Begründung der aktuellen Maßnahme als auch in der Interventionsphase 2009/2010 eine Rolle spielt(e), ist somit die Ankurbelung der heimischen Wirtschaft sowie die Vermeidung einer drohenden Deflation, die man mit Hilfe einer expansiven Geldpolitik erreichen will. Nachdem die SNB im Zusammenhang mit der Finanzkrise und zur Entlastung des Interbankenmarktes den Zinssatz auf ein Niveau von nahe Null gesenkt hatte, stand dieses Instrument im Jahre 2009, als die heimische Wirtschaft unterstützt werden sollte, nicht mehr zur Verfügung. Ähnlich wie der amerikanischen Zentralbank (Fed) blieb der SNB daher nur ein Quantitative Easing (QE), um weitere expansive geldpolitische Impulse auszulösen. In einer Volkswirtschaft, in der auf der einen Seite die Staatsverschuldung vergleichsweise niedrig ist und damit wenige Staatsschuldpapiere umlaufen, auf der anderen Seite aber auch nur ein begrenztes Maß an Unternehmensanleihen zur Verfügung steht, lässt sich ein solches QE aber nur über Devisenmarktinterventionen durchführen. Dies setzt allerdings voraus, dass deren geldpolitische Wirkungen nicht sterilisiert, sondern in vollem Umfang wirksam werden. Da die SNB bereits während der letzten Wochen eine sehr expansive Geldpolitik betrieben hat, um eine Abwertung des Frankens herbeizuführen, kann man vermuten, dass gegenwärtig der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und damit auch von Arbeitsplätzen in der Schweiz das primäre Ziel des Mindestwechselkurses darstellt.

Dieser Mindestwechselkurs wurde in Höhe von 1,20 Franken für einen Euro festgelegt und die SNB will ihn – nach eigenen Aussagen – mit allen Mitteln, d.h. mit unbeschränkten Devisenkäufen durchsetzen. Dabei unterliegt sie keinerlei Beschränkungen, da sie die zum Kauf der Devisen notwendigen Franken selbst schaffen kann. Die Frage ist allerdings, welche Kosten möglicherweise mit einer solchen Garantie verbunden sind. Im Vordergrund steht dabei die Aufgabe oder zumindest Einschränkung einer autonomen Geldpolitik, da bei einem Wechselkursziel das nationale Gleichgewicht (in Form der Preisniveaustabilität) dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht hier im Sinne eines Mindestwechselkurses untergeordnet werden muss. Devisenmarktinterventionen zugunsten der eigenen Währung führen nämlich stets dazu, dass Devisen – in diesem Fall Euro – angekauft werden müssen und im Gegenzug heimische Währung verkauft werden muss. Diese Aktion lässt wiederum die (internationale Komponente der) Geldbasis ansteigen, die die Grundlage der Geldschöpfung bildet. Ohne weitere Aktionen führt daher die Ausweitung der Geldbasis zu einem Anstieg der Geldmenge und – mit entsprechenden zeitlichen Wirkungsverzögerungen – längerfristig zu einem Anstieg der Inflationsrate.

Je länger die Devisenmarktinterventionen andauern und je größer das Ankaufsvolumen ausfällt, desto stärker wird aber die Inflation in der Schweiz ansteigen. Damit verliert die Schweizer Wirtschaft aber auch in diesem Fall ihre Wettbewerbsfähigkeit – nun allerdings nicht durch die Aufwertung des Frankens, sondern durch die steigende Inflation in der Schweiz. Diese Inflation betrifft auch nicht nur die Exportbereiche, sondern die gesamte Volkswirtschaft. Das Volumen der Interventionen und damit auch die Zunahme der Inflation hängen dabei in starkem Maße von der Glaubwürdigkeit des festgelegten Mindestwechselkurses ab. Forderungen von Schweizer Unternehmen und Gewerkschaften, den Mindestwechselkurs bei 1,30 oder besser noch 1,40 Franken gegenüber dem Euro festzulegen hätten den Wechselkurs kurzfristig zwar näher an die Kaufkraftparität herangeführt, zugleich aber auch in der aktuellen Situation zu Interventionsverpflichtungen geführt, deren Geldmengenwirkungen kaum akzeptabel wären. Dies wird umso deutlicher, wenn man bedenkt, dass – nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich – der tägliche Umsatz am Euro-Franken-Devisenmarkt bereits im April 2010 ein Volumen von 72 Mrd. USD aufwies. Im Gegensatz dazu beträgt der tägliche Umsatz an der Schweizer Börse (Aktien, Obligationen und Fonds) nur etwa zehn Prozent davon. Längerfristig ist allerdings – vor dem Hintergrund der Kaufkraftparität – durchaus mit einem Wechselkurs deutlich über 1,20 Franken zu rechnen. Damit entfällt auch die Befürchtung, die in nächster Zukunft angekauften Euro würden bei einer späteren Aufhebung des Mindestwechselkurses zu umfangreichen Verlusten bei der SNB führen – es ist vielmehr damit zu rechnen, dass die längerfristig zu erwartende Aufwertung des Euros ihr sogar Gewinne bescheren wird.

Das Kernproblem sind daher die mit dem Mindestwechselkurs verbundenen Inflationsgefahren. Um dieser Gefahr entgegenzutreten, versuchen Zentralbanken häufig, die interventionsbedingte Erhöhung der internationalen Komponente der Geldbasis durch entgegengesetzte Transaktionen im Bereich der nationalen Komponente der Geldbasis zu neutralisieren (sterilisieren). Gelingt es, die zufließende Liquidität in Form der angekauften Devisen etwa durch restriktive Offenmarktoperationen wieder vom Markt zu nehmen, dann bleiben die Geldbasis, die Geldmenge und am Ende auch die Inflationsrate unverändert. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass eine solche Politik – insbesondere bei hoher internationaler Kapitalmobilität – bestenfalls für eine (kurze) Übergangszeit Erfolg verspricht. Es ist ferner damit zu rechnen, dass die SNB einer steigenden Inflation auch nicht durch eine restriktive Geldpolitik entgegentreten kann, da die hierzu notwendige autonome Geldpolitik – wenn denn der Mindestwechselkurs noch besteht – nicht möglich sein wird. Die einzige Hoffnung wäre, dass sich der Wechselkurs zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Kaufkraftparität zubewegt und damit deutlich über 1,20 Franken für einen Euro liegen würde.

In der Schweiz wurde im Vorfeld der Wechselkurskopplung häufig auf die (vermeintlich guten) Erfahrungen mit einer solchen Maßnahme im Jahre 1978 verwiesen. Zum 1. Oktober 1978 setzte die SNB ein Wechselkursziel von mindestens 80 Rappen für eine DM fest. Bei unbegrenzter Interventionsbereitschaft der Zentralbank ist ein positives Ergebnis in Form des erreichten Wechselkursziels allerdings nicht verwunderlich. So kaufte sie in diesem Rahmen Devisen im Gegenwert von etwa 10 Mrd. Franken, wodurch die Geldmenge M1 im Jahre 1978 um 16 statt der angekündigten 5 Prozent und 1979 um 8,5 Prozent anstieg. Weniger häufig wird allerdings darauf verwiesen, dass nachfolgend die Inflationsrate von 1 Prozent im Jahr 1978 auf 6,5 Prozent im Jahr 1981 anstieg. Die abschließende Frage ist daher nicht, ob die SNB ein Wechselkursziel erneut erfolgreich durchsetzen kann, sondern vielmehr, wie hoch die Kosten sind, die damit einhergehen.

1978 geriet die DM unter Abwertungsdruck, weil die deutsche Regierung zuvor bei einem Wirtschaftstreffen eine expansivere Finanzpolitik angekündigt hatte, die künftige Abwertungserwartungen auslöste. Doch schon bald stellte sich heraus, dass der Ausgabenanstieg deutlich geringer ausfiel und damit die Erwartungen fehlerhaft waren. Dies führte dazu, dass die notwendigen Interventionen seitens der SNB zur Schwächung des Frankens nur von begrenzter Dauer waren und damit auch der Inflationsanstieg nicht noch stärker ausfiel. In der gegenwärtigen Situation erheblicher Fluchtgelder aus dem Euro in den Franken scheint eine Wende allerdings nicht in Sicht zu sein. Zu groß sind die Unsicherheiten, ob und wie die Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone gelöst werden kann. Daher muss man befürchten, dass die Interventionsverpflichtungen der SNB umfangreich sein und zudem länger andauern werden. Als Ergebnis steigt die Inflationsgefahr für die Schweiz in den nächsten Jahren deutlich an, während gleichzeitig die Geldpolitik ihre Autonomie nicht zurückgewinnen wird, um diesen Entwicklungen rechtzeitig entgegenzutreten.

Damit hat man bestenfalls Zeit für die Schweizer (Export-)Wirtschaft erkauft, doch möglicherweise auf Kosten einer künftig deutlich höheren Inflationsrate, die dann nicht nur die internationale Wettbewerbsfähigkeit untergräbt, sondern die gesamte Volkswirtschaft auf vielfältige Weise – wie etwa durch Allokationsineffizienzen, Vermögens- und Umverteilungsverluste – belastet.

3 Antworten auf „Schweizer Nationalbank zieht die Reißleine
Franken wird an den EURO gekoppelt

  1. Ich finde man hätte auch darauf eingehen können, das damit den Schweizern die Möglichkeit genommen wurde sich „günstig“ im Ausland mit allem einzudecken was es so gibt. Auch die Schweiz dürfte reichlich viel Öl kaufen müssen. Geht der Euro gegenüber den USA herunter, können die Schweizer sich für Ihre Franken reichlich weniger Öl kaufen.

    Sollten die Schweizer auch Kredite im Euro Bereich haben (und das haben alle größeren Firmen) hätten Sie das Gele nehmen können und billig Ihre Schulden ablösen.

    Hätten diverse Firmen einiges an Barem in Ihren Kassen, wäre es günstig geworden im Ausland zu investieren und auch dort zu produzieren. All das erinnert mich an Bastiats: „Die Dinge die man sieht, und die man nicht sieht“.

    Das mit der Inflation finde ich sogar noch untertrieben. Denn wer profitiert von einer steigenden Inflation? Der größte Schuldner…. und wer wird betrogen der Sparer. Es gab schon vor der Entscheidung Niedrigste Zinsen wahrscheinlich seit Jahrzehnten….

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