1. Grundsätzliches zum monetären Wettbewerb
Spätestens seit Hayeks Vorschlag der Entnationalisierung des Geldes (1976), der den staatlichen Notenbanken das Monopol der Geldemission entziehen will, wird über monetären Wettbewerb kontrovers gestritten:
Die Entmonopolisierung der staatlichen Geldbereitstellung und die damit verbundene Installierung von Währungswettbewerb privater Emittenten sollte dem monopolistischen Missbrauch der Geldentwertung aufgrund monetärer Überexpansion entgegenwirken.
Die Idee des Währungswettbewerbs basiert auf den dem Wettbewerb auf Märkten grundsätzlich zugeeigneten Wirkungen: Effizienz, Machtbegrenzung, Entdeckung innovativer Lösungen, institutionelles Lernen.
A priori spricht nichts dagegen anzunehmen, dass dies auch für den Geldangebotswettbewerb zwischen Zentralbanken gilt.
2. Zentralbankenwettbewerb im internationalen Wechselkurssystem
In den spieltheoretisch ausgerichteten Modellen der internationalen Makroökonomik werden die Zentralbanken als Instanzen kooperativer und nicht-kooperativer strategischer Spiele behandelt. „Wettbewerb der Zentralbanken“ fokussiert sich besonders auf die nicht-kooperativen Ansätze.
Entscheidend ist das internationale Wechselkursregime: feste oder flexible Wechselkurse, irreversible Randlösungen, Bandbreitenregime, crawling pegs, currency boards, managed floating etc.? Das Wettbewerbsverhalten von Zentralbanken ist weitestgehend wechselkursdependent. Die Vielzahl der diesbezüglichen Modelle ist kaum noch überschaubar, die empirische Robustheit der theoretischen Aussagen ist oft genug gering.
Ein Blick auf die Diskussion um die zukünftige Entwicklung des internationalen Währungssystems kann diesbezüglich aber hilfreich sein. Die wichtigsten Vorschläge für eine Reform dieses Systems konzentrieren sich auf folgende Optionen: Welteinheitswährung, zurück zu Bretton Woods, zurück zum Goldstandard, hin zu einem neuen Rohstoffstandard, Ausbau der Sonderziehungsrechte (SZR). Alle diese Vorschläge unterliegen der Philosophie der Weltmonopolwährung, die den Währungs- und also Zentralbankenwettbewerb ausschaltet, aber nicht zu einer kompetitiven Weltwirtschaft passt.
Die Realität wird deshalb anders verlaufen: Es wird Währungswettbewerb zwischen verschiedenen Ankerwährungen geben. Das gegenwärtige 3-polarige enge Währungsoligopol (US-Dollar, Euro, Yen) wird sich erweitern, als erstes um den chinesischen Renmenbi. Um die einzelnen Ankerwährungen herum wird es regionale „Andockungen“ kleinerer Währungen über mehr oder weniger feste Wechselkurse geben: Also ein Mix aus Ankerwährungswettbewerb und regionalen Kooperationen der nationalen Zentralbanken.
In dieser Welt der multiplen monetären coopetition der Zentralbanken erscheinen einige grundsätzliche Überlegungen relevant, die sich in drei Optionen für die Konzeption einer Währungsordnung für ein einzelnes Land niederschlagen.
Die erste Option besteht in der politischen Wahl zwischen dem Preisniveau und dem Wechselkurs als nominalem Anker. Wenn das Land das Preisniveau wählt, dann ist der Wechselkurs eine resultierende Variable. Eine autonome Geldpolitik ist möglich, die Geldmenge ist der strategische Wettbewerbsparameter der Zentralbank. Fixiert das Land den nominalen Wechselkurs als Anker, dann entfällt die autonome Geldpolitik, das Preisniveau ist die resultierende Variable. Hier ist der Wechselkurs der strategische Wettbewerbsparameter.
Dies ist die Situation des vielfältig beobachtbaren Abwertungswettbewerbs zwischen Zentralbanken. So halten z. B. China und Japan ihre Währungen künstlich unterbewertet, um jeweils internationale handelsstrategische Vorteile zu realisieren.
Die zweite Option besteht in der politischen Wahl zwischen einem nominalen Anker und einer realen Zielvariablen. Der nominale Anker impliziert, dass reale Preisvariablen relevant sind, um internes und externes Gleichgewicht herzustellen: reale Wechselkurse, Reallöhne, Realzinsen. Der Ansatz der Fixierung einer realen Zielvariablen bedeutet, dass der nominale Wechselkurs eine wettbewerbsrelevante instrumentelle Variable ist.
Die dritte Option beinhaltet die Wahl zwischen einem unilateralen und multilateralen Wechselkurssystem. Im unilateralen Ansatz betrachtet das Land die internationalen Umfeldbedingungen als gegeben. Der multilaterale Ansatz bedeutet, dass Länder einem System von obligatorisch bindenden Regeln beitreten. Beispiele sind das Bretton-Woods-System sowie die Europäische Währungsunion (EWU). Im letzteren System besitzen die nationalen Zentralbanken prinzipiell keine geld- bzw. wechselkursstrategischen Wettbewerbsparameter . Allerdings installieren innerhalb des TARGET-Verrechnungssystems die nationalen Zentralbanken durchaus einen (begrenzten) Geldschöpfungswettbewerb.
3. Parallelwährungen
Da im multilateralen Ansatz der EWU der Zentralbankenwettbewerb über Geldmenge und Wechselkurs innerhalb der EWU ausgeschaltet ist, erscheint es angesichts der Krisenentwicklung der EWU sinnvoll, den Wettbewerb der nationalen Zentralbanken grundsätzlich wieder einzuführen.
Erstens ist monetärer Wettbewerb zwischen Zentralbanken innerhalb der EWU sinnvoll, wenn aufgrund der anhaltend expansiven Geldpolitik der EZB die Inflation in der Euro-Zone signifikant wird und die Euro-Mitglieder sich durch eine kaufkraftgesicherte Parallelwährung (indexierter Währungskorb) stabilitätspolitisch absichern wollen. Das war ja der britische Vorschlag für die Einführung einer europäischen Gemeinschaftswährung: Stabilitätswettbewerb der EWU-Zentralbanken .
Zweitens können Parallelwährungen sinnvoll sein, um den Bedarf an Wechselkursänderungen im multilateralen EWU-Ansatz zu befriedigen. Sie dienen dann als marktliche Anpassungssubstitute gegenüber dem politisch fixierten „Euro-Wechselkurs 1:1“ innerhalb der EWU sowie dem EZB-gesteuerten Euro-Kurs gegenüber Drittstaaten.
Die Fokussierung sei hier exemplarisch auf Griechenland fixiert, einem Krisenland, das durch einen überbewerteten Euro-Wechselkurs außenwirtschaftlich quasi „erdrückt“ und von den wettbewerbsrelevanten internationalen Preisrelationen abgeschottet wird. Der Einführung einer neuen Währung ND (Neue Drachme), die durch eine kräftige Abwertung die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Landes relativ rasch (wieder) herstellen könnte, stünde nicht entgegen, dass Griechenland den Euro als nicht abwertende Parallelwährung beibehält, also in der Euro-Zone verbleibt.
Ein solches Währungsarrangement impliziert gravierende Folgewirkungen auf die Gläubiger- und Schuldnerbeziehungen des Landes. Jede Abwertung bedeutet, dass alle bisher in Euro denominierten Bestandsgrößen (Forderungen und Verbindlichkeiten) sowie Stromgrößen (Löhne und Gehälter) mit der Abwertungsrate entwertet werden. Um einen bank run zu verhindern, in dem Inhaber von Sicht- und anderen Bankguthaben ihre Konten gegen Euro-Bargeld auflösen, müssen die Banken Garantien geben, dass Bankguthaben so gut wie Euro-Bargeld sind. Diese Garantien könnten über die EZB abgesichert werden.
Die mit der Wertgarantie auf der Passivseite der Bankbilanzen bei gleichzeitiger Abwertung der Forderungen auf der Aktivseite verbundenen Verluste der Banken müssten ausgeglichen werden, um einen möglichen internationalen Bankenkollaps zu verhindern.
In diesem Kontext gilt es, die monetären Beziehungen zwischen der ND-Zentralbank und der Euro-Zentralbank EZB zu gestalten. Zunächst ist zu klären, ob die Abwertung der ND marktmäßig, also relativ abrupt, oder zum Beispiel durch einen crawling peg zeitlich gestreckt erfolgen soll. Vieles spricht für eine über den Markt laufende schnelle Abwertung, um Griechenland rasch an die internationalen Wettbewerbsrelationen heranzuführen und über den Außenwirtschaftssektor Wachstumsimpulse zu generieren.
Ist der Abwertungsprozess einigermaßen abgeschlossen, dann beginnt die Phase des Wettbewerbs der beiden Zentralbanken um die stabilere Währung innerhalb des Landes: Inflationiert die ND gegenüber dem Euro, so wird sie – bei beweglichem Wechselkurs zwischen beiden Währungen – vom Euro verdrängt. Und entsprechend vice versa. Inflationieren beide Währungen, kommt als dritte Währungsalternative die erwähnte kaufkraftindexierte Parallelwährung in Betracht: Also multipler Währungswettbewerb.
4. Zukunftsszenario: Freebanking
Die Idee des multiplen Währungswettbewerbs zwischen staatlichen Zentralbanken verlängert sich in die Sphäre der privaten Geldproduktion (Ã la Hayek). Geld ist keine staatliche Erfindung , sondern ein Produkt des Marktes, es ist mithin (re)privatisierbar. In der globalisierten Welt kennt es zunehmend keine nationalen Grenzen mehr.
Das zeigen uns die wie innovative Pilze aus dem Boden sprießenden elektronischen Bezahlsysteme, wie wir sie bei Kreditkartenanbietern und Internetunternehmen (Amazon, Apple, eBay, Facebook, Google, Microsoft u. a.) oder auch durch Bitcoin-Algorismen erleben. Hier herrscht Wettbewerb zwischen privaten Geldanbietern, bei dem die nationalen Zentralbanksysteme zunehmend eher als einflusslose Zuschauer denn als wirkungsmächtige Mitspieler erscheinen. Zwar greifen die privaten Bezahlsysteme heute überwiegend noch auf die Basisdienstleistungen der staatlichen Geldinstitutionen zurück (Überweisungsverkehr etc.), aber das kann und wird sich ändern, bei Bitcoin ist dies bereits der Fall.
In diesem internationalen Wettbewerbssystem multipler Parallelwährungen, also dem Wettbewerb zwischen staatlichen Zentralbanken einerseits sowie zwischen diesen und privaten Geldanbietern andererseits, stellt sich die Frage nach der Vertrauensbildung: Ein dem staatlichen Geldsystem entsprechendes reines Privatzeichengeld wird nicht ausreichen, um im Vertrauenswettbewerb zwischen Staat und Privat bei den Nutzern zu bestehen. Privatgeld muss dann wohl materialgedeckt sein, am besten wohl in Gold.
Der Wettbewerb, den die privaten Geldanbieter zunehmend erzeugen, bezieht sich dann einerseits auf deren Glaubwürdigkeit, dass die Materialdeckung tatsächlich existiert, sowie auf die Qualität der privaten Zahlungssysteme. Beide sind private Aktionsparameter im Wettbewerb mit denen staatlicher Zentralbanken.Die geldsystemische Zukunft verspricht diesbezüglich ein hohes internationales Innovationstempo.
Beiträge des “1. Würzburger Ordnungstages“
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