„Trump’s approach to foreign policy is the opposite of President Theodore Roosevelt’s famous early-twentieth-century dictum: ‚Speak softly and carry a big stick.‘ Trump’s modus operandi could be described instead as, ‚Shout loudly and carry a white flag.'“ (Anatole Kaletsky)
Die Welt ist handelspolitisch im Umbruch. Der Multilateralismus bröckelt. Die WTO ist gelähmt. Seit dem Scheitern der Doha-Runde vor fast zwei Jahrzehnten ist sie handlungsunfähig. Neue handelspolitische Impulse fehlen. Sie sind auch nicht zu erwarten. Regionale Integrationsräume, wie Zollunionen und Freihandelszonen, beherrschen weltweit die handelspolitische Szene. Diese Entwicklung ist nicht neu. Sie beschleunigte sich seit dem unrühmlichen Ende der Doha-Runde. Aber auch bilaterale Vereinbarungen graben der multilateralen Handelsordnung das Wasser ab. Donald Trump forciert diese Entwicklung. Er agiert als multilaterale handelspolitische Abrissbirne. Allerdings ist die WTO den USA nicht erst seit Donald Trump ein Dorn im Auge. Der „schrumpfende Gigant“ (Jagdish Bhagwati) hat schon länger nur wenig Interesse an multilateralen Vereinbarungen. Der China-Schock verstärkt das Desinteresse. Die USA setzen stärker auf bilaterale handelspolitische Vereinbarungen. Was sind die Argumente, die Donald Trump für seine „neue“ Handelspolitik vorbringt? Sind Handelskriege tatsächlich leicht zu gewinnen? Helfen sie den USA, den Strukturwandel abzumildern? Oder unterliegt Donald Trump einem handelspolitischen Trugschluss? Was sind die Risiken und Nebenwirkungen von Handelskriegen? Wie sollte die Nicht-USA handelspolitisch reagieren?
Diffuse Symptome
In den USA läuft es gegenwärtig wirtschaftlich rund. Die Arbeitslosigkeit liegt mit 3,9 % auf einem 18jährigen Tief, die Inflationsrate wird für 2018 auf 2,5 % geschätzt, das reale wirtschaftliche Wachstum hat sich auf knapp unter 3 % erhöht. Warum zettelt Donald Trump in dieser blendenden wirtschaftlichen Situation einen Handelskrieg gegen Freund und Feind an? Eine Erklärung ist die regionale wirtschaftliche Heterogenität in den USA. Die wirtschaftliche Lage, vor allem auf den regionalen Arbeitsmärkten, ist nicht überall gleich gut. Vor allem die Gegenden, in denen der industrielle Sektor eine wichtige Rolle spielt, sind nach wie vor auf der Verliererstraße. Auch im „Rostgürtel“ der USA gehen die Arbeitslosenraten zwar auch (langsam) zurück. Sie sind aber noch immer hoch. Davon betroffen ist vor allem die (weiße) männliche Mittelschicht. Das ist aber eine wichtige Wählerklientel des Donald Trump. Ihr hat er im Wahlkampf nachhaltige Hilfe zugesagt. Allerdings ist der Strukturwandel im Industriesektor schon weit fortgeschritten. Die USA haben seit Anfang des Jahrtausends über ein Drittel der Arbeitsplätze in diesem Bereich verloren. Tatsächlich ist der Kampf um industrielle Arbeitsplätze längst verloren. Er lohnt nicht mehr.
Die Verluste an Arbeitsplätze im industriellen Sektor ist aber nur die eine Seite der Medaille des strukturellen Wandels. Der wachsende Dienstleistungssektor ist die andere. Er ist schon heute der eigentliche Wachstumsmotor. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen, dort entsteht der Wohlstand. Weltweit ist der Kampf um Marktanteile im Wissenssektor längst in vollem Gange. Bisher sind die USA der größte Profiteur dieser sektoralen Entwicklung. Sie haben im weltweiten Handel mit Dienstleistungen die Nase vorn. Den amerikanischen Unternehmen ist es bisher gelungen, mit den innovativsten Produkten und Dienstleistungen zu punkten. Das ist die wichtigste Quelle für die hohe Wertschöpfung, nicht der Industriesektor. Mit China kommt nun aber ein ernstzunehmender Konkurrent auf die Weltmärkte. Es ist zwar noch lange nicht so weit wie die USA. Mit einer aggressiven „Industriepolitik“ („Made in China 2025“) versucht China aber, die Zukunftstechnologien nicht allein den Amerikanern und Europäern zu überlassen. Sie wollen nicht länger nur die Werkbank der Weltwirtschaft sein. Den USA und Donald Trump geht es deshalb wohl auch darum, China in die Schranken zu weisen und amerikanische High-Tech-Giganten zu schützen.
Der amerikanische Präsident sieht doppelten strukturpolitischen Handlungsbedarf. Zum einen geht es um schon verlorene Arbeitsplätzen im industriellen Sektor, zum anderen um künftige, gut bezahlte Arbeitsplätze im Wissenssektor, die in großer Zahl entstehen werden. In beiden Fällen sieht er die Schuldigen im Ausland. Sie würden den Amerikanern jede Menge an Arbeitsplätzen mit unlauteren Mitteln stehlen. Die Schlimmsten seien die Chinesen. Allerdings wären die Europäer nicht viel besser, nur kleiner. Diesen strukturpolitischen Herausforderungen will Donald Trump mit handelspolitischen Maßnahmen begegnen. Er wählt das archaischste Mittel der Handelspolitik, Zölle auf Importe ausländischer Güter. Das soll der internationalen Wettbewerbsfähigkeit notleidender Unternehmen des industriellen Sektors wieder auf die Beine helfen. Es soll aber auch die Leistungsbilanzüberschüsse der Europäer, vor allem aber der Chinesen schrumpfen. Den Chinesen sollen damit die finanziellen Mittel gekürzt werden, mit denen sie weltweit auf Einkaufstour für neue Technologien und hoch innovative Unternehmen gehen können. Die wirtschaftliche Stärke der USA würde ausreichen, ausländische Konkurrenten in die Knie zu zwingen.
Umstrittene Diagnose
Die USA haben mit zwei Entwicklungen zu kämpfen, einem heftigen Strukturwandel und einer defizitären Leistungsbilanz. Aus beiden Größen strickt Donald Trump eine waghalsige Theorie. Die geht so: Die Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz sind ein wichtiger Treiber des strukturellen Wandels. Das Ausland „stiehlt“ amerikanische Arbeitsplätze. Gelingt es diese Defizite zu verringern, rostet der industrielle Gürtel in den USA weniger. Die Leistungsbilanzdefizite entstehen, weil ausländische Staaten den internationalen Wettbewerb zu Gunsten ihrer Unternehmen verzerren. Leidtragende sind amerikanische Unternehmen und arbeitslos gewordene inländische Arbeitnehmer. Es sei deshalb höchste Zeit, den ausländischen Staaten, vor allem China und der EU, handelspolitisch auf die Finger zu klopfen. Mit tarifären Handelshemmnissen sollen sie gefügig gemacht werden, ihre protektionistischen Aktivitäten – tarifäre und nicht-tarifäre – zu unterlassen. (Noch) reiche die wirtschaftliche Macht der USA aus, einen solchen Handelskrieg leicht zu gewinnen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die amerikanischen Defizite in der Leistungsbilanz kleiner ausfallen und die gestohlenen amerikanischen Arbeitsplätze wieder heimkehren würden.
Auch mit dieser Theorie ist es wie mit vielen Trump’schen Thesen. Er hat einige Punkte, die Richtung ist aber falsch. Es ist eine Binsenweisheit, der strukturelle Wandel wird angebotsseitig von der Produktivität getrieben. Der technische Fortschritt dominiert. Veränderte individuelle Präferenzen beeinflussen nachfrageseitig den Prozess. Treibende Kraft ist der wachsende Wohlstand. Beide Faktoren lenken den Strukturwandel in den Dienstleistungssektor. International handelbare Güter spielen empirisch eher eine untergeordnete Rolle (hier). Den Strukturwandel mit handelspolitischen Aktivitäten zu bekämpfen, ist deshalb wie Akupunktur mit der Gabel. Dennoch hat Donald Trump einen (chinesischen) Punkt. Die Hälfte der Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz kommt durch den Handel mit China zustande. Tatsächlich setzte der massenhafte Import chinesischer Güter amerikanischen Unternehmen zu, die Güter mit viel einfacher Arbeit produzierten (hier). Es ist sicher auch nicht falsch, dass China die Überschüsse, die es über die Leistungsbilanz erwirtschaftet, nicht nur nutzt, um amerikanische Staatsanleihen zu kaufen. Die finanziellen Mittel werden von (Staats-)Unternehmen auch eingesetzt, um weltweit an Know-how zu kommen.
Donald Trump leidet nicht nur unter einem China-Syndrom. Auch europäische (deutsche) Autos sind ihm seit langem ein Gräuel. Tatsächlich weist allerdings die amerikanische Leistungsbilanz gegenüber der EU keine Defizite sondern Überschüsse auf. Der Münchner Ökonom Gabriel Felbermeyer hat sich die Daten des Bureau of Economic Analysis näher angeschaut (hier). Dabei hat er festgestellt, dass die USA zwar ein Defizit mit der EU im Handel mit Gütern hat. Es belief sich im Jahr 2017 auf 153 Mrd. Dollar. Dem standen allerdings Überschüsse in der Dienstleistungsbilanz von 51 Mrd. Dollar, beim Primäreinkommen (Vermögenseinkünfte) von 106 Mrd. und beim Sekundäreinkommen von 10 Mrd. Dollar gegenüber. Summa summarum wies die Leistungsbilanz der USA einen Überschuss von 14 Mrd. Dollar gegenüber der EU aus. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Es ist aber seit der Finanzkrise 2007 durchgehend der Fall. Gegenüber Deutschland verhält es sich allerdings etwas anders. Die amerikanische Leistungsbilanz ist defizitär. Allerdings beläuft sich der Betrag im Jahr 2017 nur auf schlappe 64 Mrd. Dollar.
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Auch die zweite These, wonach die amerikanischen Defizite in der Leistungsbilanz auf unfaire Handelspraktiken des Auslandes zurückzuführen sind, steht auf wackligen Beinen. Es ist unbestritten, alle Länder arbeiten mit – tarifären und nicht-tarifären – Handelshemmnissen, die einen mehr, andere weniger. Alle haben handelspolitisch Dreck am Stecken, Freihändler sind sie alle nicht. Die Europäer treiben es bei den Agrarprodukten am wildesten, die Amerikaner bei Dienstleistungen und die Chinesen beim geistigen Eigentum. Ob sich in der WTO im Laufe der Zeit ein handelspolitisches Ungleichgewicht zu Lasten der USA herausgebildet hat, ist umstritten. Sicher ist allerdings, die Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz sind zu einem erheblichen Teil hausgemacht. Die USA leben seit langem über ihre Verhältnisse. Es wird privat und staatlich zu wenig gespart. Die Sparlücke und die Haushaltsdefizite sind ein wesentlicher Grund für die hohen Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz. Sie werden durch Zuflüsse von ausländischem Kapital gedeckt, auch durch chinesisches. Es ist ein schlechter Witz, wenn Donald Trump wegen der Leistungsbilanzdefizite einen Handelskrieg beginnt, gleichzeitig aber mit einer kreditfinanzierten Steuerreform zur konjunkturellen Unzeit die amerikanischen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite vergrößert.
Falsche Therapie
Der Strukturwandel ist in vollem Gang. Er lässt sich nicht aufhalten. Der Einfluss des internationalen Handels ist begrenzt. Die Politik müsste eigentlich alles tun, den strukturellen Wandel nicht zu behindern. Es geht nicht um traditionelle (konservierende) Strukturpolitik, sondern um eine Politik für den Strukturwandel. Zweierlei ist notwendig: Zum einen müssen die Märkte offen bleiben, zum anderen muss den Verlierer des Wandels geholfen werden. Das erste gelingt nicht, wenn man wie Donald Trump mit Handelshemmnissen operiert. Das behindert nur den unvermeidlichen Strukturwandel. Ressourcen werden in ineffizienten Produktionsstrukturen gefangen gehalten. Ein leichterer, kontinuierlicherer Übergang in neue sektorale Bereiche wird blockiert. Das zweite, die Hilfe für die Verlierer, ist schwer zu bewerkstelligen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, im Dienstleistungssektor werden zwar mehr Arbeitsplätze geschaffen als im Industriesektor verloren gehen. Es kann also keine Rede davon sein, dass uns die Arbeit ausgeht. Oft passen allerdings Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot regional, sektoral und qualifikatorisch nicht zusammen. Diesen Mismatch gilt es zu verringern. Die traditionelle aktive Arbeitsmarktpolitik hat sich nicht als große Hilfe erwiesen, ganz im Gegenteil. Tatsächlich reduziert meist erst der Generationenwechsel den Mismatch.
Der amerikanische Präsident huldigt einem Fetisch: Der Leistungsbilanz. Er ist der Meinung, internationaler Handel sei ein Nullsummenspiel. Was die einen gewinnen, verlieren andere. Die Leistungsbilanz ist für ihn die G+V-Rechnung eines Landes. Amerikanische Leistungsbilanzdefizite signalisieren ihm, dem genialen privaten Unternehmer aus dem Nichts, dass die USA seit langem vom Ausland über den Tisch gezogen werden. Das will er als erfolgreicher Dealmaker in merkantilistischer Manier ändern. In Handelshemmnissen sieht er ein erfolgversprechendes Mittel, die amerikanische Schmach einer defizitären Leistungsbilanz zu tilgen. Das alles ist „fake news“. Internationaler Handel ist ein Positiv-Summenspiel. Millionen von Haushalten, Unternehmen und Wähler entscheiden weltweit freiwillig, wie sie ihre knappen Ressourcen einsetzen. Das geschieht über ökonomische und politische Märkte. Die Salden in der Leistungs- und Kapitalbilanz sind das Ergebnis. Eine staatliche Korrektur wäre nur angemessen, wenn die individuellen Entscheidungen verzerrt wären und die Politik wüsste, was die „wahren“ Präferenzen der Menschen sind. Das wissen aber nur paternalistische (grüne) Politiker. Donald Trump ist sicher keiner von ihnen. Die Aufgabe des Staates besteht deshalb darin, dafür Sorge zu tragen, dass die ökonomischen und politischen Märkte offen bleiben.
Mit seiner handelspolitischen Obsession erreicht Donald Trump keines seiner lauthals verkündeten wirtschaftspolitischen Ziele. Er holt weder „gestohlene“ industrielle Arbeitsplätze dauerhaft heim in die USA, noch trocknet er die finanziellen Quellen der Chinesen für ihre weltweite Einkaufstour von unternehmerischem Know-how aus. Tatsächlich schädigt er nicht nur ausländische Unternehmen, auch amerikanische leiden, von den Konsumenten ganz zu schweigen. Die Zeiten, in denen man mit plumpem Protektionismus international weniger verflochtene heimische Unternehmen (temporär) begünstigen und ausländische (vorübergehend) schädigen konnte, sind längst vorbei. Heute optimieren international agierende Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten weltweit. Protektionistische Maßnahmen schädigen sofort alle, in- und ausländische Akteure. Kommt es zu wechselseitiger Vergeltung nehmen Fremd- und Eigenschädigung weiter zu. Die Eigendynamik der Vergeltung trägt dazu bei, dass sich der Protektionismus wie ein Ölfleck ausbreitet. Der Handelskrieg läuft Gefahr, einen Währungskrieg zu entfachen. Die Große Depression zeigte, wie (ökonomisch und politisch) verheerend die Wirkungen sein können, wenn kombinierte Handels- und Währungskriege die weltweite Arbeitsteilung beeinträchtigen.
Protektionistische Epidemie?
Der von Donald Trump entfachte Handelskrieg hat das Zeug, die multilaterale Handelsordnung endgültig zu zerstören. Das ist auch ein Ziel amerikanischer Handelspolitik. Donald Trump ist kein amerikanischer handelspolitischer Solitär. Er steht in einer (schlechten) alten Tradition. Nur haben frühere Präsidenten ihren handelspolitischen Furor nicht über Twitter der Welt kundgetan. Die USA stehen schon lange mit der WTO auf Kriegsfuß. Spätestens seit der gescheiterten Doha-Runde sabotieren die USA sie. Donald Trump verstärkt mit seinem Leistungsbilanz-Fetisch diese Entwicklung. Mit bilateralen Vereinbarungen will er für die USA günstigere Handelsverträge unter Dach und Fach bringen. Damit balkanisiert er die internationale Handelspolitik. Die USA nutzen dabei ihre wirtschaftliche Stärke in den Verhandlungen skrupellos. Einen Vorgeschmack liefern die Vereinbarungen, die Donald Trump mit Südkorea und Mexiko getroffen hat. Südkorea begrenzte ihre Stahlimporte in die USA nachdem Trump mit Stahlzöllen gedroht hatte. Mexiko musste höheren Durchschnittslöhnen pro Stunde für die Automobilindustrie zustimmen. Das schmälert die eigene Wettbewerbsfähigkeit.
Wie soll nun aber die EU auf die aggressive Trump’sche Handelspolitik reagieren? Die Meinung gehen auseinander. Eine große Mehrheit der Ökonomen vertritt die Ansicht, dass nur eine „Tit-for-tat-Strategie“ Aussicht auf Erfolg verspricht. Mit handelspolitischer Vergeltung werden die Kosten für die USA in die Höhe getrieben, mögliche Erträge reduziert. Die Anreize für Donald Trump nehmen zu, handelspolitisch abzurüsten. Bei dieser Strategie ist allerdings nicht auszuschließen, dass der handelspolitische Rüstungswettlauf eine Eigendynamik entwickelt. Die desaströsen Erfahrungen in der Großen Depression sind warnendes Beispiel. Eine liberale Minderheit der Ökonomen ist der Meinung, dass nur unilaterale handelspolitische Abrüstung zum Erfolg führen kann. Eine unilaterale Abrüstung hätte zwei Vorteile: Sie würde die ökonomische Effizienz erhöhen und Donald Trump unter Druck setzen, seine Handelspolitik zu überdenken. Realistisch ist das aber nicht. Die protektionistisch geschützten Branchen in der EU, wie der Agrarsektor, werden Himmel und Hölle in Bewegung setzen, dass die europäischen Zollmauern nicht eingerissen werden.
Die Zeichen für eine vernünftige weltweite Handelspolitik stehen gegenwärtig nicht gut. Es wäre verheerend, wenn es Donald Trump schaffen würde, die (unvollkommene) multilaterale Ordnung zur Strecke zu bringen. Unbestritten ist, es steht nicht gut um die gegenwärtige WTO. Sie ist seit Ende der gescheiterten Doha-Runde gelähmt. Das verwundert nicht. Der „alte“ Handel in Containern verliert an Bedeutung. Immer mehr „neue“ Dienstleistungen und Ideen werden international handelbar. Zölle, Kontingente, local content-Regeln und Antidumping spielen eine geringere Rolle. Der Schutz geistigen Eigentums wird wichtiger. Die WTO muss runderneuert werden und diese Entwicklungen aufgreifen. Einige befürchten, dass sie dazu nicht in der Lage sein wird. Sie sei zu groß, zu komplex und zu müde (Gabriel Felbermayr). Kein Wunder, dass der handelspolitische Weg schon seit einiger Zeit in eine andere Richtung führt. Es werden immer mehr Freihandelsabkommen installiert. Der Konflikt von Handelsschaffung im Innern und Handelsablenkung nach außen ist damit aber nicht gelöst. Paul Krugman hat schon vor langer Zeit darauf hingewiesen, dass dies kein wirklich erfolgversprechender Weg zu einer multilateralen Handelsordnung ist.
Fazit
Die breitbeinige Trump’sche Handelspolitik gibt Rätsel auf. Hat es Donald Trump wirklich darauf abgesehen, die alles andere als vollkommene multilaterale Handelsordnung endgültig zu zerstören? Vieles deutet darauf hin: Sein irrationaler Leistungsbilanz-Fetisch, seine Meinung das Ausland „stehle“ heimische Arbeitsplätze und die amerikanische Abneigung gegen die WTO. Die heftigen verbalen Attacken des amerikanischen Präsidenten jüngst vor der UN-Vollversammlung gegen multilaterale Vereinbarungen versprechen nichts Gutes. Wenn es so ist, wird die EU den amerikanischen Angriff auf den Multilateralismus nicht verhindern können. Das würde der Globalisierung nicht gut tun. Vor allem Deutschland würde leiden. Aber vielleicht ist ja alles ganz anders. Vielleicht will Donald Trump der WTO neues Leben einhauchen. Er zockt nur. Weder die USA noch die EU und China können ein Interesse an einem Zusammenbruch der WTO haben. Mit der Drohung auszusteigen, bauen die USA ein Szenario der „kalkulierten Eskalation“ auf. Niemand will, dass die Amerikaner aussteigen. Das könnten die USA nutzen, um die Schwellenländer zu Zugeständnissen bei den Zöllen, die Europäer zum Abbau der Agrarprotektion und die Chinesen zu weiteren Marktöffnungen, Zugeständnissen beim Schutz geistigen Eigentums und Korrekturen bei der „Industriepolitik“ zu bewegen. Das wäre, wie Martin Braml und Gabriel Felbermayr es ausgedrückt haben, „Spieltheorie at its best!“ (hier). Deutschland, das auf weltweit offene Märkte angewiesen ist, hätte eine Sorge weniger. Ich glaube es nicht!
Hinweis: Das ist die schriftliche Fassung eines Vortrages auf dem 6. Würzburger Ordnungstag am 10. Oktober 2018 in Frankfurt.
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Ich glaube es auch nicht, denn Trump weiß vermutlich nicht einmal, was Spieltheorie ist!