Der Europäische Rat hat nun doch (am 16.12.10) einen dauerhaften Mechanismus für Haushaltshilfen an die Mitgliedstaaten der Eurozone beschlossen. Im Frühjahr hatte es noch geheißen, eine Umschuldung Griechenlands müsse verhindert werden, weil manche Banken die Krise noch nicht ganz überwunden hätten. Statistiken über griechische Staatsanleihen im Besitz deutscher und anderer Banken wurden präsentiert, und der „Rettungsschirm“ wurde ausdrücklich auf drei Jahre begrenzt. Diese Argumentation ist nun hinfällig und erscheint als vorgeschoben. Oder sind die im Europäischen Rat versammelten Politiker der Meinung, dass auch in drei Jahren noch systemrelevante Banken auf wackligen Beinen stehen werden? Dann hätten sie nicht im Basel III-Abkommen umfangreiche Maßnahmen beschließen dürfen, die die Kreditinstitute schon bald stark belasten werden. Oder erwartet der Rat, dass sich Finanzkrisen wie die gerade überstandene nun häufen werden? Damit ist nicht zu rechnen. Was sich – gerade wegen des nun auf Dauer beschlossenen Fonds – häufen dürfte, sind jedoch die Haushaltskrisen in der Eurozone.
Scharfe haushaltspolitische Auflagen sollen dies verhindern. Aber viele der geforderten Maßnahmen sind den Regierungen durchaus willkommen – ein Sündenbock wie der Euro-Fonds kommt da gerade recht. Aus dem gleichen Grund stellen mehrere ökonometrische Untersuchungen fest, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mit seinen Mitgliedsregierungen signifikant häufiger nach Wahlen – wenn die Grausamkeiten begangen werden müssen – Abkommen vereinbart und Kreditlinien eröffnet.
Außerdem sind die Kredite des Euro-Fonds (wie die des IWF) hoch subventioniert. Auch nach Ankündigung ihrer Sanierungsprogramme können sich Staaten wie der griechische oder der irische nicht für 5,8 Prozent Zinsen am Weltkapitalmarkt finanzieren. Sie müssten um die 9 bzw. 8 Prozent zahlen.
Eine kuriose Rechnung hat dazu kürzlich der Verwalter des Euro-Fonds, Klaus Regling, aufgemacht. Er sagte am 9. Dezember in Singapur: „Die Zinsen, die Griechenland oder Irland zu zahlen haben, liegen höher als die (deutschen) Kapitalkosten. Also ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Deutschland damit einen Gewinn macht, als dass es einen Verlust schreibt.“ Der deutsche Staat kann sich am Kapitalmarkt für weniger als 5,8 Prozent verschulden, weil er kreditwürdiger als der griechische oder der irische ist. Wenn er nun dieses Geld zu 5,8 Prozent an den griechischen und den irischen Staat verleiht, obwohl der Markt aufgrund der Risikoprämien 8 oder 9 Prozent verlangen würde, so ist für den deutschen Steuerzahler nicht ein Gewinn, sondern ein hoher Verlust zu erwarten. Marktgerechte Risikoprämien werden die Haushaltpolitiker der Euro-Staaten nicht mehr zahlen müssen.
Im November noch bestand die Bundesregierung darauf, dass die EU nur dann Haushaltshilfe leisten würde, wenn gleichzeitig die Gläubiger der Empfängerstaaten – also vor allem die Banken – mit einem partiellen Forderungsverzicht zur Linderung der Finanzierungsprobleme beitragen würden. Die automatische Beteiligung der Banken ist nun vom Tisch. Wie die bisherige Geschichte des sogenannten „Stabilitäts- und Wachstumspakts“ gezeigt hat, kommt es jedoch ohne Automatismus nicht zu Sanktionen. Deshalb haben französische Regierungen schon immer jede Form des Automatismus abgelehnt. Umschuldungen der Euro-Staaten wird es nicht geben.
Wenn die Regierungen der Euro-Staaten keine marktgerechten Risikoprämien mehr zahlen müssen und vor Umschuldungen geschützt sind, sind sie und ihre Gläubiger offensichtlich massiven Fehlanreizen ausgesetzt.
Finanzminister Schäuble hat sich den Euro-Fonds schon lange gewünscht, und das war in Brüssel, Athen und Paris bekannt. Er hat die Europäische Währungsunion schon zu einer Zeit gefordert, als Präsident Mitterand sie noch gar nicht zur Bedingung für die deutsche Wiedervereinigung erklärt hatte. Ursprünglich hatten Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl ja die Unabhängigkeit der deutschen Geldpolitik im Tausch für die „Politische Union“ – eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik – aufgeben wollen, in der Deutschland ein erhebliches Mitspracherecht haben sollte. Wolfgang Schäuble forderte damals sogar „eine nukleare Komponente“. Daraus ist nach dem Fall der Mauer nichts geworden.
Wolfgang Schäuble ist bekanntlich Jurist und in ökonomischen Dingen nicht selten beratungsresistent. Das zeigte sich schon 1990, als er gegen den Rat der Deutschen Bundesbank und praktisch aller Ökonomen als Verhandlungsführer für die deutsche Wiedervereinigung den Umrechnungskurs von 1:1 aushandelte und verteidigte. Von dieser verhängnisvollen Weichenstellung hat sich die ostdeutsche Wirtschaft bis heute nicht erholt. Hatte Kohl mit den „blühenden Landschaften“ die De-industrialisierung Ostdeutschlands gemeint?
Seit Mai dieses Jahres verbreitet Finanzminister Schäuble die Botschaft, die Haushaltsprobleme Griechenlands und der anderen Problemländer gefährdeten „die Stabilität des Euro“. Zahlreiche Ökonomen haben dem widersprochen und darauf hingewiesen, dass der Geldwert und der Wechselkurs des Euro letztlich von der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bestimmt werden. Schäuble lässt sich jedoch nicht beirren. Versteht er die ökonomischen Zusammenhänge nicht, oder ist er bereit, die Bürger bewusst in die Irre zu führen?
Wolfgang Schäuble ist 68 Jahre alt. Die Vermutung liegt nahe, dass er sich in der ihm noch verbleibenden Zeit ein möglichst dauerhaftes Denkmal setzen wollte. Deshalb hat er darauf gedrungen, den „Schäuble-Fonds“ zur Dauereinrichtung zu erklären.
2 Antworten auf „Schäuble-Fonds Forever“