Kurz kommentiert
Die verlorene Unabhängigkeit der EZB
Zu mächtig oder nur scheinriesig?

„Ihr könnt darauf vertrauen, dass der Euro eine stabile Währung sein wird. Das funktioniert.“ (Wolfgang Schäuble, 1996)

Der Europäischen Zentralbank bläst ein heftiger Wind der Kritik ins Gesicht. Vor allem in Deutschland hat sie einen schweren Stand. Viele Ökonomen und immer mehr Politiker lassen kein gutes Haar an ihrer unkonventionellen ultra-expansiven Geldpolitik. Mit der Negativ-Zins-Politik schädige sie die (deutschen) Sparer. Über die Anleihekauf-Programme verteile sie massiv Vermögen von Arm zu Reich um. Der massenhafte Kauf von Staatspapieren sei verbotene monetäre Staatsfinanzierung. Für ihre fiskalische Geldpolitik habe sie auch kein politisches Mandat. Politische Unabhängigkeit der EZB hin oder her:  Es sei allerhöchste Zeit, sie stärker an die Kandare der Politik zu nehmen.

Das hört sich an wie ein Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB. Und das ist es auch. Der alte Konsens unter Ökonomen bröckelt, dass Notenbanken politisch unabhängig sein sollten. Seit der Finanzkrise mehren sich die Stimmen auch renommierter Ökonomen, dieses geldpolitische Dogma aufzugeben. Den Kritikern der EZB gefällt auch nicht, dass sie sich eine Machtfülle angeeignet habe, wie kaum eine große Notenbank zuvor. Nach der Euro-Krise entstand ein politisches „Machtvakuum“. Nationale Regierungen taten nicht, was notwendig gewesen wäre: Strukturelle Reformen und konsolidierte Haushalte. Mit ihrer fiskalischen Geldpolitik verhinderte die EZB, dass die EWU kollabierte.

Es scheint, als habe die EZB zu viel Macht (Isabel Schnabel). Kann sie machen, was sie will? Ist die EZB politisch zu unabhängig? Oder ist sie nur ein Scheinriese? Tatsächlich ist die EZB abhängiger von der Politik als ihr formaler Status im Vertrag von Maastricht erwarten lässt. Der Grund ist einfach: Scheitert die EWU, ist ihre Existenz bedroht. Sie wird abgewickelt. Keine verlockende Aussicht für die Bürokraten der EZB. Das ist bei nationalen Notenbanken nicht der Fall. Keine noch so gravierende Krise ist für sie existentiell. Im dümmsten Fall verlieren sie ihre politische Unabhängigkeit. Das ist bei der EZB anders. Sie wird deshalb alles tun, um zu verhindern, dass die EWU scheitert.

Die Verantwortlichen der EZB wissen natürlich, dass die EWU längerfristig nur überleben kann, wenn relative Preise flexibel und Produktionsfaktoren mobil sind. Beide Bedingungen sind in der EWU nicht erfüllt. Diese fundamentalen Defizite lassen sich temporär über finanzielle Transfers kaschieren. Langfristig geht es allerdings nicht ohne Transferunion. Das macht eine Politische Union notwendig. Dafür spricht allerdings nichts. Der Trend geht nicht zu weniger, sondern zu mehr nationaler Souveränität. Damit führt aber an tiefgreifenden strukturellen Reformen und konsolidierten staatlichen Haushalten kein Weg vorbei. Ansonsten scheitert die EWU schon auf mittlere Sicht.

Nach der Euro-Krise waren die nationalen Regierungen zu zögerlich, die notwendigen Reformen auf den Weg zu bringen. Auch die staatlichen Haushalte warten weiter darauf, konsolidiert zu werden. Beides ist ohne Härten für die Bürger nicht zu haben. Die Politik weiß allerdings, dass kurzfristig gilt: „Wer reformiert, der verliert“. Sie kennt aber auch die Existenzängste der EZB. Und sie nutzt sie. Die Politik nimmt die EZB in Geiselhaft. Um zu verhindern, dass die EWU kurzfristig zerbricht, wird die EZB (fast) alles tun. Sie wird das ganze Arsenal unkonventioneller Geldpolitik nutzen. Anleihekauf-Programme und Target 2-Salden gibt es schon, Helikopter-Geld ist kein Tabu mehr.

Die EZB ist in einer Zwickmühle, aus der es keinen Ausweg gibt. Der Zerfall der EWU lässt sich so nicht aufhalten. Mit ihrer ultra-expansiven Geldpolitik verhindert die EZB zwar, dass die EWU schon auf kurze Sicht kollabiert. Sie leistet (notgedrungen) Beihilfe zu einer Politik der Reformverweigerung der nationalen Regierungen. Ihre politische Unabhängigkeit hat sie längst verloren. Mit der gegenwärtigen Politik zerstört sie Hand in Hand mit den nationalen Regierungen die ökonomischen Grundlagen der EWU auf längere Sicht. Das wird sie ihre eigene Existenz kosten. Aus diesem Dilemma könnte ihr nur eine Politische Union helfen. In ihr könnte die EZB nicht untergehen. Die ist aber nicht in Sicht. Eine Kern-EWU wäre ein Rettungsanker.

Blog-Beitrag zum Thema

Uwe Vollmer: Notenbankunabhängigkeit – ein Auslaufmodell?

3 Antworten auf „Kurz kommentiert
Die verlorene Unabhängigkeit der EZB
Zu mächtig oder nur scheinriesig?

  1. Haben sich Fanatiker auch nur ein einziges Mal in der Geschichte um Vernunft geschert? Was hat hier mit Fanatismus betrieben wird gilt weder Europa noch dem Demokratie, am wenigsten dem Wohle der Bevölkerungen…

    …danke für die Arbeit.
    Grüße

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