Kurz kommentiert
Das Parlament, das sich nicht traut
Boris Johnson, irischer Backstop und territoriale Integrität
5. Update: What does the Conservative election victory mean for Brexit? (13. Dezember 2019)

Bild: Pixabay

„Ich habe immer klar gesagt, dass Brexit definitiv Brexit bedeutet.“ (Theresa May)

Die Wähler des Vereinigten Königreichs haben sich am 23. Juni 2016 in einem Referendum entschieden, sich von der Europäischen Union zu trennen. Am 29. März 2017 hat sich die Regierung in London entschlossen, die Scheidung einzureichen. Nach zähen Verhandlungen sind sich die Regierungen auf der Insel und in der Europäischen Union einig. Der Scheidungsvertrag ist unterschriftsreif, zum zweiten Mal. Nur das Parlament in Westminster stellt sich quer. Es ließ den Vertrag, den Theresa May ausgehandelt hatte, drei Mal scheitern. Nun hat es in der Sondersitzung am „Super Saterday“ auch die Abstimmung über den „neuen“ Scheidungsvertrag, den Boris Johnson kurzfristig initiiert hat, verschoben. Ob es überhaupt zustimmen wird, steht weiter auf des Messers Schneide. Der Eindruck drängt sich auf, das britische Unterhaus will gar keine Scheidung. Es konnte sich bisher mehrheitlich nur zu zweierlei durchringen: Kein ungeordneter Brexit und kein neues Referendum.

„Weicher“ Brexit

Das Ergebnis des Referendums war überraschend und knapp. Die gewählten Politiker wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Mit Ausnahme der Hardcore-Brexiteers, die gerne auch ohne Vertrag aus der Europäischen Union ausscheiden würden, wurde das Ergebnis mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Widerstand gegen die zentralistische Europäische Union ja, aber gleich ein Austritt? Das war den meisten dann doch unheimlich. Dieses Unbehagen spiegelte sich auch im Scheidungsvertrag, den Theresa May aushandelte. Es war allenfalls ein „weicher“ Brexit, faktisch eher ein „Exit vom Brexit“. Mit dem irischen Backstop im Rücken, der eine inner-irische Grenze ebenso ausschloss wie eine Grenze in der Irischen See, war allenfalls ein brexitfeindlicher „Handelsvertrag“ mit der Europäischen Union möglich. Eigentlich kamen nur eine Zollunion in unterschiedlichen Varianten mit der Europäischen Union und ein „Binnenmarkt 2.0“ in Frage. Eine autonome Handelspolitik war nicht möglich (hier).

Damit hätte sich das Vereinigte Königreich die gewünschten Freihandelsabkommen mit Ländern weltweit abschminken können. Die Handelspolitik wäre weiter in Brüssel und nicht in London gemacht worden. Schlimmer noch, das Vereinigte Königreich hätte nur ein bedingtes oder gar kein Mitspracherecht bei handelspolitischen Entscheidungen gehabt, hätte aber finanziell bluten müssen. Da die Regeln einer Zollunion und eines Binnenmarktes aber europäische sind, wäre auch der im Vereinigten Königreich ungeliebte Europäische Gerichtshof weiter im Spiel gewesen. Von einer Scheidung des Vereinigten Königreichs von der Europäischen Union hätte keine Rede sein können. Das Vereinigte Königreich wäre zwar formal von der Europäischen Union geschieden worden. Es hätte aber weiter unter einem Dach mit ihr gelebt. Das war für die Hardcore-Brexiteers ein rotes Tuch. Sie ließen Theresa May drei Mal auflaufen.

„Partielle“ Scheidung

Im „neuen“ Scheidungsvertrag wird Nordirland bei den strittigen Parametern – Regulierungen, Zölle, Steuern – faktisch wie ein Mitglied in der Europäischen Union behandelt. Es scheidet zwar formal aus dem Binnenmarkt aus, bindet sich aber an EU-Standards und Regeln des EU-Binnenmarktes. Der Regulierungswettbewerb auf der irischen Insel wird kastriert. Er entsteht aber zwischen Großbritannien und der Europäischen Union. Die regulatorische Grenze zwischen Nordirland und Großbritannien wird in die Irische See verlegt. Denselben Trick, die inner-irische Grenze zum Verschwinden zu bringen, wendet man für die Zölle an. Nordirland bleibt auch weiterhin in einer Zollunion mit der Europäischen Union, nur Großbritannien steigt aus. Damit hat es freie Hand in der künftigen Handelspolitik. Auf der irischen Insel ist der Zollwettbewerb eliminiert. Er besteht aber zwischen der irischen Insel und Großbritannien. Damit dieser Wettbewerb die EU-Zollunion nicht aushöhlt, wird die Zollgrenze in die Irische See verlegt.

Ein weiterer potentieller Störenfried ist die Mehrwertsteuer. Unterscheiden sich die Belastungen mit der Steuer auf der irischen Insel kaum, ist das Störpotential gering. Die Steuer wird beim Käufer erhoben. Um Verzerrungen zu vermeiden, gibt es einen Grenzausgleich. Mit einem automatischen Informationssystem zwischen den EU-Ländern versucht man, Betrug zu vermeiden. Während Großbritannien aus diesem System ausscheidet, bleibt Nordirland weiter im System und ist an die Mehrwertsteuer-Regeln der EU gebunden. Damit sind Grenzkontrollen für den inner-irischen Warenverkehr nicht notwendig, wohl aber für den Warenverkehr zwischen der irischen Insel und Großbritannien. Die steuerliche Grenze wird in die Irische See verlegt. Der „neue“ Scheidungsvertrag sieht eine partielle Scheidung vor. Großbritannien scheidet aus der Europäischen Union aus. Nordirland bleibt drin und entscheidet selbständig, ob und wann es ausscheidet.

Fazit

Dem Trilemma des irischen Backstops kann keine Regierung entkommen. Theresa May wollte einen „weichen“ Brexit. Sie hätte faktisch auf eine autonome Handelspolitik verzichtet. Das wäre auf einen „Exit vom Brexit“ hinausgelaufen. Es hätte keine Scheidung gegeben. Boris Johnson dagegen will auf eine eigenständige Handelspolitik keinesfalls verzichten. Im „neuen“ Scheidungsvertrag zahlt er mit der territorialen Desintegration des Vereinigten Königreichs allerdings einen hohen Preis. Das ist eine „partielle“ Scheidung. Nordirland tritt zwar formal aus der Zollunion mit der Europäischen Union und dem europäischen Binnenmarkt aus. Faktisch bleibt es aber Mitglied. Es hat allerdings ein Kündigungsrecht. Das nordirische Regionalparlament kann in eigener Verantwortung entscheiden, ob und wie lange es Mitglied der Zollunion mit der Europäischen Union und des europäischen Binnenmarktes sein will. Vor allem die Schotten werden diese Entwicklung aufmerksam registrieren. Das alles setzt die Zustimmung des Unterhauses voraus. Wenn nicht, kann es doch noch zu einer richtigen Scheidung kommen.

1. Update: Das Brexit-Theater geht weiter (23. Oktober 2019)

Das britische Unterhaus bleibt sich treu. Es ist immer für Überraschungen gut. Das gilt auch für den „neuen Scheidungsvertrag. Beide, das Vereinigte Königreich und die Europäische Union, haben den größten Stolperstein, den irischen Backstop, aus dem Weg geräumt. Es ist einer der typischen politischen Zaubertricks. Nordirland scheidet formal aus der Zollunion mit der Europäischen Union und aus dem europäischen Binnenmarkt aus. Faktisch bleibt es aber Mitglied in beiden Institutionen. Neu ist, der nordirischen Provinz wird ein Kündigungsrecht eingeräumt, ob und wie lange es in der Zollunion und im Binnenmarkt bleibt. Boris Johnson zeigt sich zufrieden. Es gibt keine „harte“ inner-irische Grenze. Das Vereinigte Königreich kann eine autonome Handelspolitik betreiben. Allerdings: Der Preis ist die territoriale Desintegration des Königreichs.

Man hätte vermuten können, dass mit dem „neuen“ Scheidungsvertrag auch das Unterhaus mehrheitlich auf Brexit-Kurs einschwenken würde. Das war allerdings nicht so. Die Parlamentarier bleiben ihrem Zickzack-Kurs treu. Die Angst vor weiteren schmutzigen Tricks des Premierministers hat das Parlament in einer samstäglichen Sondersitzung bewogen, die Entscheidung über den Austrittsvertrag über den 19. Oktober hinaus zu vertagen. Boris Johnson blieb nichts anderes übrig, in Brüssel den Verlängerungsantrag um drei Monate zu stellen. Das tat er dann unter kuriosen Umständen. Darunter scheint er nicht Politik zu machen. Dem – nicht unterschriebenen – Verlängerungsantrag, zu dem ihn das Parlament zwang, legte er einen Brief bei, indem er erläuterte, warum er als Premierminister eine abermalige Verlängerung der Austrittsfrist ablehnt.

Nach weiteren parlamentarischen Kapriolen des Speakers John Bercow, der eine Abstimmung am 21. Oktober über das Austrittsgesetz verhinderte, entschied das Unterhaus am folgenden Tag in zweiter Lesung über das Austrittsgesetz. Eine Mehrheit der Parlamentarier billigte grundsätzlich das Austrittsgesetz mit 322 Ja- und 299 Nein-Stimmen. Die Tories schafften eine Mehrheit, weil die meisten der rebellischen Abgeordneten, die Boris Johnson aus der Fraktion geschmissen hatte, dieses Mal für das Gesetz votierten. Ebenfalls bemerkenswert war, dass auch 19 Labour-Parlamentarier dafür stimmten. Nicht überraschend war dagegen, dass die nordirischen Unionisten (DUP) gegen den Gesetzentwurf zum „neuen“ Scheidungsvertrag waren. Ebenfalls keine Überraschung war der geschlossene Widerstand der schottischen Nationalisten.

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Nach dem ersten Abstimmungssieg von Boris Johnson in der Brexit-Sache kam gleich danach die kalte Dusche. Er wollte das Brexit-Ausführungsgesetz möglichst bis Freitag dieser Woche über die politische Bühne bringen. Dann wäre es noch zu schaffen gewesen, den Austritt bis zum 31. Oktober zu bewerkstelligen. Dazu kam es aber nicht. Eine Mehrheit votierte gegen den engen Zeitplan. 322 Abgeordnete stimmten dagegen, nur 308 Parlamentarier waren dafür. Die Drohung von Boris Johnson, den Brexit-Gesetzentwurf zurückzuziehen, wenn der Zeitplan nicht eingehalten wird, verfehlte seine Wirkung. Offensichtlich wollte eine Mehrheit eine Verlängerung des Austrittstermins über den 31. Oktober hinaus. Das Versprechen des Premierministers, so oder so zum 31. Oktober auszuscheiden, ist geplatzt. Der bevorstehende Wahlkampf lässt grüßen.

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Wie es nun weiter geht ist ungewiss. Boris Johnson hat das Austritts-Gesetz erst mal auf Eis gelegt. Der Gesetzgebungsprozess zum Brexit wird im Unterhaus erst fortgesetzt werden, wenn die Europäische Union über die Verlängerung des Austrittstermins über den 31. Oktober 2019 hinaus entschieden hat. Eine kurze, „technische“ Verlängerung von ein paar Tagen wird den Gesetzgebungsprozess im britischen Parlament schnell wieder auf Touren bringen. Verlängert die Europäische Union dagegen bis zum 31. Januar 2020, wie beantragt, wird der Zirkus im Unterhaus fortgesetzt. Die Gefahr nimmt dann zu, dass die Opposition versuchen wird, das Brexit-Austrittsgesetz um andere Aspekte zu ergänzen. Ganz vorne auf der Agenda steht die Forderung von Labour, das Gesetz erst nach einem neuerlichen Referendum in Kraft zu setzen.

2. Update: Auf dem Weg zu Neuwahlen? (25. Oktober 2019)

Die EU-Botschafter in Brüssel haben einer Verlängerung des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU grundsätzlich zugestimmt. Damit wird dem – widerwilligen – Antrag von Boris Johnson stattgegeben. Wie lange die EU-Regierungen verlängern wollen, ist allerdings noch unklar. Anfang nächster Woche wollen sie über ihre Botschafter in Brüssel darüber entscheiden. Es könnten ein paar Wochen sein. Eine solche „technische“ Verlängerung hat das Ziel, das Gesetzgebungsverfahren zum Brexit in geordneten Bahnen ablaufen zu lassen. Dafür hat sich vor allem Frankreich ausgesprochen. Es könnten aber auch einige Monate bis Ende Januar 2020 sein, wie vom Vereinigten Königreich beantragt. Diese längere Frist würde das Theater in Westminster verlängern. Daran hat weder die Europäische Union noch Downing 10 ein Interesse.

Die Gefahr, dass es am 31. Oktober 2019 zu einem „ungeordneten“ Brexit kommt, ist so oder so vom Tisch. Auch wenn das Unterhaus grundsätzlich dem „neuen“ Scheidungsvertrag mehrheitlich zugestimmt hat, ist das Parlament nach wie vor tief gespalten. Die Tories wollen (stark) mehrheitlich den Brexit, Labour fährt einen Zickzack-Kurs. Die Partei ist gespalten. Eine Mehrheit lehnt den Brexit ab. Eine (große) Minderheit befürwortet ihn, aber nur wenn das Gesetz in einem Referendum bestätigt wird. Das ist eigentlich die Stunde des Volkes. Es müsste den gordischen Knoten durchschlagen und sich dazu äußern, wie es mit dem Brexit weitergehen soll. Im Unterhaus gibt es aber keine Mehrheit für ein zweites Referendum. Damit bleibt wohl nur ein Ersatz. In Neuwahlen müssen die Wähler zwischen den beiden Positionen entscheiden.

Seit dem Jahr 2011 kann aber die Regierung das Parlament nicht mehr so ohne weiteres auflösen und Neuwahlen ausrufen. Sie braucht eine 2/3-Mehrheit. Boris Johnson hat zwar verkündet, dass er das Parlament am 12. Dezember 2019 neu wählen lassen will. Möglich ist das nur, wenn Labour auch zustimmt. Das dürfte der Opposition aber schwerfallen. Die Chancen, die Tories zu besiegen, stehen nämlich schlecht. Nach den neusten Meinungsumfragen führen die Konservativen mit einem komfortablen Vorsprung von 36 % zu 24 % vor Labour. Seit Boris Johnson das Amt angetreten hat, wächst der Vorsprung stetig. Für die Tories sprechen das Moment wachsender Stimmengewinne und das Abbröckeln der Brexit-Partei. Das sind, wenn es ernst wird, Stimmen für die Konservativen. Liberale und Labour stagnieren seit Johnsons Amtsantritt.

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Das britische Mehrheitswahlrecht begünstigt gegenwärtig die Konservativen. Sie erhalten wohl nicht nur die meisten Stimmen, die Konkurrenz kannibalisiert sich. Es ist unwahrscheinlich, dass die Wähler der Liberaldemokraten aus strategischen Gründen für Labour votieren. Viel wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Wähler der Brexit-Partei die „leaver“ wählen. Es spricht deshalb vieles dafür, dass es Boris Johnson gelingt, für seine Partei eine absolute Mehrheit der Sitze zu erzielen. Damit steht Labour vor einem unlösbaren Dilemma. Die Labour-Führung hatte versprochen, Neuwahlen zustimmen, wenn die Gefahr eines „ungeordenten“ Brexit am 31. Oktober 2019 gebannt ist. Das ist der Fall. Stimmt Jeremy Corbyn allerdings Neuwahlen zu, läuft Labour ernsthaft Gefahr, die nächste Legislaturperiode wieder auf den Oppositionsbänken zu sitzen.

3. Update: Wer durchschlägt den gordischen Knoten?

Der Brexit steckt in einer parlamentarischen Sackgasse. Es ist der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich zwar gelungen, einen neuen „Scheidungsvertrag“ auszuhandeln. Etwas, was Theresa May nicht zustande gebracht, Boris Johnson aber gegen alle Widerstände durchgesetzt hat. Das britische Unterhaus schafft es aber nicht, den Vertrag zu ratifizieren. Nach der ersten Lesung des Vertrages konnte man allerdings Hoffnung schöpfen. Eine Mehrheit votierte „grundsätzlich“ für ihn. Dann kam allerdings gleich die kalte Dusche. Das Parlament kippte den (knappen) Zeitplan für den weiteren parlamentarischen Prozess. Daraufhin legte Boris Johnson das weitere Verfahren in Unter- und Oberhaus erst einmal auf Eis. Er will es erst wieder aktivieren, wenn das Parlament bereit ist, Neuwahlen am 12. Dezember zuzustimmen.

Das ist allerdings schwieriger als in früheren Zeiten, als der Premierminister der Herr über das Verfahren war. Heute braucht es eine 2/3 Mehrheit, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Das geht ohne Labour, die größte Oppositionspartei, nicht. Jeremy Corbyn, der Oppositionsführer, ist sich allerdings unschlüssig, wie er weiter verfahren soll. Die Chancen von Labour, bei Neuwahlen zu gewinnen, sind denkbar schlecht. Das liegt an der Uneinigkeit der Partei, was den Brexit angeht. Es hat aber auch mit der anhaltenden Unbeliebtheit von Jeremy Corbyn bei den Wählern zu tun. Tatsächlich will die Parteiführung von Labour eigentlich erst ein neues Referendum zum Brexit. Bei einer Mehrheit für „leave“ würde sie nach neuen Verhandlungen mit der Europäischen Union den Brexit-Prozess parlamentarisch neu aufgleisen.

Der Zug für ein formales Referendum ist aber längst abgefahren. Auch wenn sich das Parlament nicht traut, einen Brexit unter Dach und Fach zu bringen. Für eines gibt es schon länger eine Mehrheit: Kein neues (formales) Referendum. Tatsächlich wären Neuwahlen ein guter Ersatz für ein solches Referendum. Die Parteien würden sich entlang von „leave“ (Cons, BP) und „remain“ (Lib Dems, SNP) positionieren. Labour wackelt. Eine einheitliche Linie aus einem Guss gibt es nicht. Wohl existiert eine Mehrheit für „remain“. Eine Minderheit plädiert allerdings für „leave“. Aber auch diese Minderheit will keinen „no deal-Brexit“. Kein Wunder, dass Labour in der Frage schwankt, ob sie für oder gegen Neuwahlen sein soll. Die Angst, von Boris Johnson, doch noch mit einem „no deal“ aufs Kreuz gelegt zu werden, führt zu einem Zick-Zack-Kurs.

Nach langem Hin und Her hat sich Labour entschlossen, für Neuwahlen zu votieren, wenn ein „ungeordneter“ Brexit nicht mehr möglich ist. Boris Johnson hat den Verlängerungsantrag an die Europäische Union abgeschickt. Die Europäische Union hat zugestimmt, den Austrittszeitpunkt auf den 31. Januar 2020 zu verlängern. Damit müsste Labour eigentlich Neuwahlen zustimmen. Allerdings ist ein „no deal“ nicht wirklich vom Tisch. Wird das Gesetzgebungsverfahren zum Brexit nicht bis zu den Neuwahlen abgeschlossen, kann der Ratifizierungsprozess des jetzigen Johnson-Deals noch immer scheitern. Es ist denkbar, dass das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 mit dem Brexit keinen Schritt weiter ist als augenblicklich. Ein „no deal“ bei den Austrittsverhandlungen ist deshalb immer noch möglich. Labour ist in der Zwickmühle.

Wie man es auch dreht und wendet, die Chancen, das Parlament mit einer 2/3 Mehrheit aufzulösen, stehen nicht gut. Labour hat seinen Abgeordneten empfohlen, sich bei der Abstimmung über Neuwahlen zu enthalten. Das haben sie auch getan. Der Antrag fand keine Mehrheit. Dennoch sind Neuwahlen wahrscheinlich, noch in diesem Jahr. Die Variante der 2/3-Mehrheit lässt sich durch ein einmaliges Gesetz des Parlamentes ausschalten. Dazu braucht es nur eine einfache Mehrheit. Die Tories allein können es allerdings nicht schaffen. Sie haben die Mehrheit längst nicht mehr. Aber die liberalen Demokraten und die schottischen Nationalisten haben angekündigt, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Die Konservativen waren von dieser Lösung immer wenig begeistert. Der Grund ist: Ein solches Gesetz kann mit Zusatzanträgen („Amendments“) versehen werden, wie etwa ein neues Referendum oder eine Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre, die den Tories nicht gefallen. Zumindest die Liberaldemokraten haben allerdings verlauten lassen, dass sie davon absehen werden. Und Labour hätte keine Mehrheit, solche Anträge durchzubringen.

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Setzen sich die Initiatoren dieses Weges (Lib Dems und SNP) durch und unterstützen die Tories dieses Vorhaben, wird wohl schon am 9. Dezember 2019 im Vereinigten Königreich neu gewählt. Der Verlierer wird Labour sein. Die Konservativen unter Boris Johnson werden gewinnen. Die liberalen Demokraten und die schottischen Nationalisten haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Vereinigte Königreich doch noch in der Europäischen Union bleibt. Das ist nur möglich, wenn die Tories keine absolute Mehrheit an Sitzen erringen, die liberalen Demokraten stark zulegen und Labour nicht zu stark gerupft wird. Alles das ist eher unwahrscheinlich. Neuwahlen als Ersatz für ein neues Referendum werden aller Voraussicht nach, den Brexit endgültig besiegeln. Ob er geordnet oder ungeordnet verläuft, ist aber weiter ungewiss.

4. Update: This is the Brexit General Election (1. November 2019)

by David Shiels (Open Europe)

A General Election in the UK has been confirmed for 12 December. The Early Parliamentary General Election Act 2019 received Royal Assent yesterday, and the campaign will formally begin after the dissolution of Parliament next week.

Although there is the potential for the campaign to take some unpredictable turns, Brexit is likely to be the major theme of this election in a way that it was not in 2017. Campaigners on both sides of the debate – Remainers and Leavers – will see it as their last chance to secure the outcome they want. Meanwhile, the positions of the main political parties have been clarified recently, and the campaign itself will demand that their Brexit message is explained clearly to the public.

Significantly, the Conservatives are going into the election as the pro-Brexit and pro-deal party. If Boris Johnson is returned with a majority, his Government will be in a strong position to ratify the revised Withdrawal Agreement. Many of the Conservative MPs associated with the anti-No Deal coalition in the present House of Commons will not be returning. Labour’s position is now also clearer than previously. If Jeremy Corbyn wins a majority, or if he can secure a confidence and supply arrangement with other parties, then his Government is likely to hold another referendum offering a choice between a soft Brexit or Remain. As with the Conservatives, Labour’s Brexit dissenters – namely their ‚pro-deal‘ MPs in Leave seats – are also likely to be a diminished force after the election, with several of them retiring.

Positioning themselves as the ultra-Remain party, the Liberal Democrats pledge to revoke Article 50 if they win a majority, but in practice their position is to back a referendum in any other situation. The fact that the current opposition parties – including the Scottish National Party – have all coalesced around a referendum in some form means that this is the likely outcome of a hung Parliament. Some uncertainty may arise if the Conservatives fall just short of a majority and need the support of the Democratic Unionist Party again in order to form a Government. But one way or another, the election is likely to allow the country to move on to the next phase of the Brexit process.

While the election might offer some clarity on whether Brexit is happening or not, the campaign is unlikely to be a time for serious thinking about the many strategic and policy decisions the UK will have to make if Brexit proceeds. … Finally, despite the chances of an imminent no-deal Brexit having reduced as a result of the revised deal, the possibility of No Deal has not yet been taken off the table completely: it remains the default form of exit on 31 January unless the Withdrawal Agreement is ratified.

5. Update: What does the Conservative election victory mean for Brexit? (13. Dezember 2019)

by Dominic Walsh and Stephen Booth (Open Europe)

Boris Johnson’s Conservatives secured a comfortable parliamentary majority in yesterday’s general election. With just one seat left to declare, the Conservatives have 364 seats – a majority of 78. Labour have won just 203 seats, the Scottish National Party (SNP) 48 seats, and the Liberal Democrats 11 seats. The result of the election provides clarity over the immediate next steps for the Brexit process, but the long-term picture is less clear.

It is now certain that the UK will leave the EU at the end of January

The Government now has a clear majority to ratify the Withdrawal Agreement Bill (WAB), which implements the deal it reached with the EU back in October. Parliament will return on Tuesday for the election of the Speaker of the House of Commons, with a Queen’s Speech to follow later in the week. The Conservative manifesto commits the government to begin the process of passing the WAB through the House of Commons before the Christmas recess, to ensure the Bill’s passage through the Commons and the Lords is complete before the Article 50 deadline on 31 January. The European Parliament’s ratification of the Withdrawal Agreement is expected to be a formality.

Although there will undoubtedly be lively debates in Parliament over the WAB – such as over Parliament’s role in the next phase of the negotiations – the Bill’s passage is no longer in doubt. With a large majority and, for now, a party united on Brexit, the Conservatives will be able to pass the Bill and see off any hostile amendments tabled by opposition parties or the House of Lords.

The broad contours of 2020 are taking shape

Once the UK enters the transition period on 1 February 2020, negotiations on the future UK-EU relationship will begin in earnest. The key dates and potential flashpoints over the next twelve months are outlined in the table below.

One of the biggest milestones will be 30 June 2020, the deadline for the UK and EU to extend the transition period in the Withdrawal Agreement. The Conservative election campaign and manifesto ruled out an extension, a promise which the Prime Minister is likely to keep. Opting to extend the transition would not only be seen as breaking an election promise, but also risks triggering a difficult negotiation with the EU about additional financial contributions and fishing rights without the guarantee of a future trade agreement as a result. (If it transpires that more time is required to ratify and implement an agreed deal, then that is a different question and there may be options available to the UK and EU – explored by Open Europe’s Dominic Walsh here).

Reaching a deal with the EU in 11 months will be challenging, but not impossible. The emerging argument in some quarters that Johnson will use his new-found room for manoeuvre to “pivot” towards a softer Brexit seems at odds with what we know about Johnson’s own strong preference for divergence from the EU. Certainly, the tight timescale will narrow the options for both sides, and is likely to point towards a looser economic relationship based on a free trade agreement (FTA), rather than the more comprehensive and bespoke partnership favoured by former Prime Minister Theresa May. The EU’s approach to date simply reinforces this dynamic. Firstly, the EU has framed Brexit as a binary choice between a high alignment, high market access relationship (like Norway) and a low alignment, low access relationship (like Canada). The EU also takes the view that the short timescale points towards a fairly minimalist deal; their Chief Negotiator Michel Barnier told MEPs recently, “We will do all we can to get what I call the ‘vital minimum’ to establish a relationship with the UK if that [11 months] is the time scale.”

What might a quick, “bare bones” deal look like? We know that the UK is likely to seek zero-tariff and zero-quota trade in goods. In return, the EU is likely to demand the UK signs up to “level playing field” obligations to ensure fair competition on issues such as environmental and social standards and state aid. As with any FTA, detailed technical negotiations will determine the eventual balance of market access versus obligations, but the broad parameters are unlikely to change fundamentally. It is worth remembering that the level-playing field obligations in the defunct UK-wide backstop, which represented a greater level of market access for goods than Johnson is likely to be seeking, were relatively limited and the enforcement mechanisms were weak. The technical negotiation over rules of origin requirements will be important in determining how effectively UK and EU businesses can actually take advantage of tariff-free trade. EU demands for access to UK fishing waters, a key priority for member states, will be controversial. Finally, there will need to be overarching provisions on the governance and implementation of the agreement. Together, these five issues – tariffs, level playing field, fishing, rules of origin and governance – are likely to form the building blocks of a “bare bones” deal, though all will be subject to negotiation. Other issues, such as services, could be left for future negotiations or subject to very limited provisions.

If the UK and EU do not extend the transition period and then fail to conclude a deal by December, the legal default would be a WTO terms relationship – a version of ‘No Deal’ (though this would be different to leaving the EU without a Withdrawal Agreement in place). When Theresa May was Prime Minister, she often repeated her claim that ‘No Deal is better than a bad deal’ – yet after she lost her majority, this was no longer a credible maxim given Parliament’s strong opposition to No Deal. Johnson, by contrast, will be able to make that claim knowing that he can deliver it politically at home, and that may change the dynamic of the negotiations in the next phase.

At the same time, foreign policy and geopolitics could play a greater role in the UK-EU negotiations in the next phase. French President Emmanuel Macron’s mooted “European Security Council” is not only borne of his frustration with the EU’s impotence on foreign policy, it appears specifically designed as a means of enabling the UK to remain within the “European family”. The UK might well ask what it will get in return for ensuring the success of such a venture.

This election result illustrates the profound changes in the UK’s domestic political landscape

 The Conservative majority and the likely passage of the Withdrawal Agreement does not end the Brexit process; there will be further negotiations with the EU on the future relationship, with other countries across the globe and domestic implications too. Nevertheless, leaving the EU on 31 January will be a significant milestone which will move the process on to the next stage – and may take some of the political heat out of the issue.

While the transition period and the Article 50 period are almost identical in economic terms, the political impact of leaving the EU on the UK’s domestic debate should not be underestimated. With staying in the EU off the table, the Remain side of the debate will face a choice: accept the reality of the UK’s departure and try to influence the shape of Brexit, or begin a campaign for ‘Rejoin’ – a very different prospect to ‘Remain.’ Both the Labour Party and the Liberal Democrats will need to weigh up this choice. Both parties are likely to face imminent leadership elections, with Liberal Democrat leader Jo Swinson having lost her seat and Labour leader Jeremy Corbyn announcing last night he would not lead the party into the next general election.

The results also pose challenging questions for the future of the UK’s union. The SNP put in a strong performance – winning 48 seats out of 59, including 7 formally held by the Scottish Conservatives. Meanwhile, in Northern Ireland, there will be more nationalist MPs than unionist MPs for the first time, as the DUP lost two seats in Belfast (one each to Sinn Fein and the Social Democratic and Labour Party).

More broadly, leaving the EU will give UK Governments greater freedom over policy areas that have hitherto been partly outsourced to the EU, such as trade, immigration and some areas of regulation. “Taking back control” will expand the battleground over domestic policy. The next election may not be about Brexit per se, but the decisions the UK chooses to make with its new-found freedom will certainly play a major role.  It seems inevitable that the UK’s future economic performance will, whether accurately or not, be interpreted heavily through the prism of Brexit. The UK will also need to think seriously about its preferred place in the world, a question which goes far beyond the detail of its trading relationship with the EU.

 What does the election result mean for the EU?

As the UK digests the results of the election, EU leaders are meeting at the European Council in Brussels – with Brexit on the agenda. Today’s Council conclusions will be worth keeping an eye on for any clues as to how the EU will approach the next phase. While some in the EU will privately be sorry to see the UK’s departure confirmed, there have already been signs that the EU were behaving as if the UK had already left – for example, by pressing ahead with new integrationist measures on foreign policy and a ‘green new deal.’ The EU will welcome the new clarity brought by a majority Government – Irish Taoiseach Leo Varadkar said this morning that “it’s a positive thing that we have a decisive outcome in Britain.” From the EU’s perspective, a majority Government in the UK is likely to make the Brexit process less chaotic – although a united and focused UK may also be a tougher negotiating prospect.

Blog-Beiträge zum Brexit:

Norbert Berthold: Theresa May und Boris Johnson. Rosenkriege, Brexit-Strategien und Backstops

Norbert Berthold: „Deal“ oder „no deal“? Der Europäischen Union droht die Zwickmühle

Norbert Berthold: Blick in die Glaskugel. Wie geht es weiter mit dem Brexit?  2. Update: War’s das für Boris Johnson? (5. September 2019)

Dieter Smeets: Meilensteine auf dem Weg zum Brexit. Aktualisierte Version. Stand: 20. Oktober 2019, 9.00 Uhr

Tim Krieger: Brexit: Schnäppchenzeit für die USA?

Norbert Berthold: Ein Trilemma zähmt die Lust am Brexit. Der Austritt des Vereinigten Königreichs wird allenfalls „weich“

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Boris Johnson, irischer Backstop und territoriale Integrität
5. Update: What does the Conservative election victory mean for Brexit? (13. Dezember 2019)

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