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Die Bankenunion bot seit ihrer programmatischen Ausrufung 2012 schon öfter Themen für Beiträge in diesem Blog. Das Jahr 2019 war hier keine Ausnahme und verdient angesichts der Entwicklungen in diesem Bereich sicher einen kurzen Rückblick.
Bankenaufsicht und Abwicklungsmechanismus
Beginnen wir mit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Juli dieses Jahres, dessen politische Rezeption durch Robert Habeck ebenfalls bereits hier kommentiert wurde (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=25626). Letztlich segnete das höchste deutsche Gericht zwei der tragenden Säulen der Bankenunion im Rahmen des von ihm zu beurteilenden Streitgegenstands – gerade noch – ab: die einheitliche Aufsicht (SSM = Single Supervisory Mechanism) und den Abwicklungsmechanismus (SRM = Single Resolution Mechanism). Diese beiden Säulen haben sich bislang aus nachvollziehbaren Gründen als vergleichsweise unproblematisch erwiesen:
Der SSM hat die Gefahr einer europäischen Hyperbürokratie bislang dadurch vermieden, dass die unmittelbare Aufsicht durch die EZB auf größere Institute beschränkt blieb. Bei kleineren Banken verlässt man sich darauf, dass das im „Single Rulebook“ harmonisierte Bankenregulierungsrecht bei den nationalen Aufsichtsbehörden einheitlich hinsichtlich der Kontrollmaßnahmen zur Anwendung kommt.
Der SRM wies von Anbeginn das Problem auf, dass die in seinem Abwicklungsfonds gesammelten Mittel im Bedarfsfall nur die „Bestattung“ der größeren, von der EZB überwachten Banken alimentieren sollte, aber die ihn speisende Bankenabgabe von allen Kreditinstituten erhoben wird (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=15562). Trotz immer wieder aufflammender Kritik – u.a. mit Blick auf das ins Auge gefasste Zielvolumen und seine Eignung für die Abwicklung systemrelevanter Großbanken – läuft die Befüllung des Fonds aber weitgehend nach Plan und bietet wenig Anlass für öffentlichkeitswirksame Berichterstattungen.
Summa summarum hatte das Bundesverfassungsgericht also zur Jahresmitte wenig medialen Druck und in der Zusammenschau mit seinem bisherigen Verhalten erscheint die Entscheidung aus dem Juli nicht überraschend.
Einlagensicherung
Eine völlig andere Situation zeigt sich hinsichtlich der dritten Säule der Bankenunion, der europäischen Einlagensicherung (EDIS = European Deposit Insurance Scheme). Robert Habecks Forderung nach verstärkten Bemühungen um ihre Einführung ließen sich im Juli weder aus der Karlsruher Entscheidung noch aus den wohlverstandenen Interessen Deutschlands in dieser Sache ableiten. Sie widersprachen auch den bis damals öffentlich deklarierten Positionen von Bundesrat und Bundesregierung:
- Im Januar 2016 hatte der Bundesrat die Einrichtung eines europäischen Einlagenversicherungssystems mit einem gemeinsamen Einlagenversicherungsfonds abgelehnt (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=18784).
- Im April 2018 hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz die Aussagen seines Amtsvorgängers Wolfgang Schäuble übernommen, die sich gegen eine entsprechende Einrichtung aussprachen, solange nicht wesentliche Probleme im Vorfeld gelöst wären.
Im November dieses Jahres kam dann die völlig unerwartete Wende des Olaf Scholz: Ohne die Bedingtheit einer Einführung formal aufzugeben, betonte er in einem Gastbeitrag für die Financial Times die Bedeutung einer europäischen Einlagen-Rückversicherung für die Widerstandsfähigkeit nationaler Einlagensicherungen. Diese mit dem Bundeskabinett und der Kanzlerin nicht abgestimmte Stellungnahme zog sofort eine heftige Diskussion nach sich, in der man fast ausschließlich die alten Argumente wiederaufbereitet bekam. Allerdings erfuhren zwei dieser Argumente eine Steigerung ihrer Beachtung, die insoweit einer kurzen Kommentierung bedarf.
Innerhalb von EDIS geht es dabei um die institutionelle Umsetzung der Sicherung. Das zunächst als Übergangslösung propagierte Modell einer Rückversicherung mit subsidiärem Eintritt nach Erschöpfen der Sicherungsmittel im jeweiligen nationalen Fonds wird inzwischen immer mehr zum Königsweg hochstilisiert. Das tatsächliche Problem wird dadurch natürlich nicht gelöst, sondern lediglich reduziert. Das Ausmaß der Reduktion hängt schlicht davon ab, wie gut der nationale Sicherungsfonds in Relation zum potenziellen Abfindungsvolumen gefüllt ist und an dieser Stelle setzen die alten Vorbehalte ein: Die ungleiche Füllung der nationalen Fonds und die ungleiche Belastung, die aufgrund bekannter Risikoquellen zu erwarten ist. Wie bedeutend die Kombination von Risiken und ihrer Deckung gerade in manchen Mittelmeerländern ausfällt, wurde zuletzt 2017 in Italien anschaulich vor Augen geführt, als der im Jahr zuvor neu gegründete Bankenrettungsfonds „Atlante“ wegen der Schieflagen dreier Banken in schwerstes Fahrwasser geriet (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21229).
Problemkredite
Die am häufigsten genannte Ursache für ein potenzielles Eingreifen der Einlagensicherung sind Problemkredite (NPL = Non Performing Loans), die Banken in ihren Büchern haben (vgl. http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=21983). Während verschiedene Stellen gerade im letzten Jahr auf einen graduellen Abbau des NPL-Bestands hinwiesen und dies von EDIS-Protagonisten als Argument für eine schnelle Einführung herangezogen wurde, zeigen – wieder einmal – Erfahrungen aus Italien, dass diesbezügliche Statistiken nur eine bedingte Aussagekraft aufweisen.
Mitte Dezember wurde bekannt, dass der italienische Staat rund 900 Millionen Euro für die Rettung der Banca Popolare di Bari bereitstellt. Der Betrag dient als Kapitalerhöhung der staatlichen Entwicklungsbank Banca del Mezzogiorno-Mediocredito Centrale (MCC), die mit dem Einlagensicherungsfonds FITD und möglichen anderen Investoren die Sanierung der Bank in Bari übernehmen soll (vgl. dpa-AFX vom 16.12.2019). Im Hintergrund stehen auch hier wieder NPL im Privat- und Firmenkundenbereich. Nachdem eine ähnliche Konstellation samt Rettung durch die Regierung bereits zu Jahresbeginn bei der Bank Carige eingetreten war, erscheint das Jahr 2019 für die Glaubwürdigkeit verbesserter NPL-Statistiken nicht gerade als Katalysator – es sei denn, man sieht das vormalige Niveau als so verheerend an, dass aus der ex ante-Betrachtung durchaus mit mehr kreditausfallbedingten Pleiten zu rechnen war. Dass dies ein Argument für die beschleunigte Einführung der europäischen Einlagensicherung wäre, vermag der unbedarfte Betrachter indessen nur schwerlich zu erkennen.
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