Direkt nach dem dramatischen Rettungsgipfel für die Eurozone kündigte die EZB überraschend an, künftig erstmals öffentliche und auch private Anleihen zu kaufen, um eine „geordnete geldpolitische Transmission“ sicherzustellen.
Politische Unabhängigkeit?
Zwar ist ein direkter Kauf bei den ausgebenden Staaten (noch) nicht möglich. Jedoch erscheint angesichts der vielen bisher in der Finanzkrise schon gefallenen ordnungspolitischen Tabus nicht mehr ausgeschlossen, dass Regierungen heimische Banken zwingen, ihnen die eigenen Staatsanleihen direkt abzunehmen. Da die Banken diese direkt zur Refinanzierung an die Notenbank weiterreichen, käme dies einem direkten Kauf der Anleihen durch die Zentralbank und einer Umgehung des Verbots der direkten Staatsfinanzierung durch die Notenbank gleich. In den Tagen vor dieser Entscheidung mit enormer Tragweite entstand der Eindruck, die EZB werde nicht nur von den Märkten getrieben, sondern auch von der Politik. Durch den Anleihekauf könnte – so der Tenor – die nationale Fiskalpolitik zukünftig die gemeinsame Geldpolitik dominieren. Die EZB sei politisch abhängig geworden.
Gezielte Bondkäufe stark verschuldeter Euro-Länder beinhalten zudem ein die Fiskaldisziplin schwächendes Subventionselement. Die Zinsen auf Bonds schwacher Länder fallen, diejenigen starker Länder steigen. Fiskalpolitisch solide Länder werden bestraft, unsolide belohnt. Das Kreditrisiko wird somit von den Anleihen der schwächeren Euro-Länder auf die Anleihen der stärkeren Länder überwälzt und die EZB hierfür in Haftung genommen. Die Angelegenheit wird nicht besser dadurch, dass jetzt noch herauskam, dass das Anleihekaufprogramm im Wesentlichen eine Umverteilungsaktion zugunsten eines milliardenschweren griechischen Oligarchen war.
Die geschilderten Zusammenhänge sind relativ unstrittig und sollen deshalb hier nicht weiter thematisiert werden. Viel weniger diskutiert wird der mindestens ebenso bedeutsame Aspekt der schwindenden finanziellen Unabhängigkeit der EZB.
Finanzielle Unabhängigkeit der EZB und des ESZB?
Die finanzielle Unabhängigkeit einer Notenbank ist zwingend erforderlich, damit sie ihrer eigentlichen Aufgabe, der Sicherung der Preisniveaustabilität, nachkommen kann, ohne auf finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen und so möglicherweise zu politischen Kompromissen („niedrigerer Zins gegen Absicherung ihrer Solvenz“) gezwungen zu sein. Was geschieht aber, falls die EZB und mit ihr die Notenbanken des Euro-Systems die Anleihekäufe im großen Stil fortsetzen und am Ende eines oder mehrere der Schuldenländer wie Griechenland und gegebenenfalls Portugal und neuerdings auch immer mehr andere Volkswirtschaften wie Spanien (sic!) Zins und Tilgung nicht mehr aufbringen können? Wer trägt eigentlich die Kursverluste angekaufter privater und staatlicher Anleihen? Letztlich würden dann die Eigner der EZB zur Kasse gebeten, wobei der größte Teil auf fiskalpolitisch weniger undisziplinierte Länder wie Deutschland entfallen würde. Diese Einbußen würden die Notenbanken des Euro-Systems treffen, weil sie gemeinsam mit der EZB die Staatsanleihen kaufen. 8 Prozent der Käufe tätigt die EZB selbst, die restlichen 92 Prozent verteilen sich auf die nationalen Notenbanken des Euro-Systems entsprechend ihrer Kapitalanteile an der EZB. Auf die Deutsche Bundesbank würde etwa ein Viertel entfallen. Wenig überraschend trägt dann der Steuerzahler in diesen Ländern die Zeche – sei es direkt durch eine höhere Besteuerung oder indirekt durch eine Erosion seiner Kaufkraft durch Inflationierung.
Die Lasten könnten rasch erhebliche Größen erreichen. Allein in der ersten Woche des Kaufprogramms hat die EZB Titel im Wert von 16,5 Milliarden Euro gekauft. Innerhalb eines Jahres könnten – bei unverändertem Tempo – Anleihen im Wert von etwa 850 Milliarden Euro zusammenkommen. Es gibt gute Gründe für die Hoffnung, dass die Eingriffe weniger groß ausfallen werden. Gleichwohl besteht die Möglichkeit, dass solche Summen zusammenkommen. Durch die Markteingriffe sollen Staatspleiten im Euro-Raum gerade vermieden werden. Gleichwohl wächst die Schuldenlast der finanzschwachen Länder weiter. Sollten sie also – zum Beispiel wegen des Widerstands ihrer Bevölkerung – den Schuldendienst verweigern und in eine Umschuldung gehen, drohten den Notenbanken des Euro-Systems Abschreibungen. Im Falle Griechenlands wird für den Fall der Fälle auf den Anleihemärkten mit einem Schuldenschnitt von etwa 50 Cent je Euro Nennwert gerechnet.
Wenn Zentralbanken in Kapitalnot geraten
Die toxischen Anleihen in den Bilanzen der EZB zehren im Falle ihres zu vermutenden Wertverfalls durch Abschreibungen in bis zu hoher dreistelliger Milliardenhöhe deren Rücklagen (die Bundesbank hat zum Beispiel eine große Neubewertungsreserve für ihren Goldschatz angesammelt) und das Eigenkapital auf. Es werden dann niedrigere Notenbankgewinne an die Euro-Regierungen überwiesen – bei vorgegebenem Budgetsaldo und gleichen Staatsausgaben sind dann allerdings mehr Steuern und Abgaben zu erheben. Der Gewinn der Bundesbank betrug zum Beispiel im vergangenen Jahr 4,1 Milliarden Euro.
Im Extremfall übersteigen die Verluste sogar das gesamte Eigenkapital des ESZB. Sollten die Reserven bei einer Notenbank nicht ausreichen, würde der Verlust das Eigenkapital aufzehren. Im Fall der Bundesbank sind das rund 5 Milliarden Euro. Erst wenn auch dieser Puffer weg wäre, käme der Staat ins Spiel. Er könnte die Zentralbank rekapitalisieren. Euro-Regierungen würden Kapital nachschießen müssen, um entweder die Rücklagen der EZB zu stärken oder sogar ein negatives Eigenkapital der EZB zu verhindern. Dann würde der Zahlungsausfall eines anderen Euro-Staates über den Umweg der Zentralbank am Ende durch Steuergeld eines anderen Staates finanziert. Eine direkte Nachschusspflicht gibt es nach meiner Einschätzung jedoch nicht. Falls doch, ist eine derartige Bestimmung recht gut versteckt und wenig transparent (!). Was geschieht also, wenn das – in diesem extremen Szenario – entstandene Kapitalloch der Zentralbank nicht gestopft würde? Dann drohen ein Geldüberhang und Inflationierung. Auch in diesem Fall würden die Kosten des Zahlungsausfalls überwälzt. Bei diesem Ausgang würde der Entzug von Kaufkraft allerdings nicht in Form von Steuern, sondern durch den Kaufkraftschwund der Währung vollzogen.
„Fiscal Backing“ einer Zentralbank – Pro und contra
Wenn die ursprüngliche Bilanzstruktur der Notenbank wieder hergestellt werden soll, können die Regierungen im Prinzip zudem per Federstrich neu gezeichnete Anleihen (wenn nötig mit einem Nullzins ausgestattet) an die Zentralbank geben. Denn nach Ansicht der Vertreter des „integrated central bank and government view“ wie Willem Buiter und Charles Goodhart sind Staaten trotz chronischer Liquiditätsprobleme immer solvent und Notenbanken trotz angegriffener Insolvenz immer liquide. Das Problem dabei ist, dass die „deep long pockets“ der Staaten angesichts der gemeldeten Schuldenstände in der Eurozone ziemlich tief oder schließlich sogar ziemlich leer sein dürften. Mit den Bond-Käufen gehen das Eigentum und das Risiko der Papiere auf die nationalen Notenbanken der Eurozone über. Sollte es zu Umschuldungen oder Forderungsverzichten kommen, wären die Notenbanken des Euro-Systems nun unmittelbar betroffen. Richtig, das Finanzsystem würde nur wenig erschüttert, da die Geschäftsbanken kaum noch Griechen-Anleihen hielten. Aber gerade dies als Vorteil des Anleiheankaufs darstellen zu wollen, wäre absurd. Denn die riesigen Verluste würden nunmehr auf die europäischen Steuerzahler abgewälzt, auch auf diejenigen in den Euro-Staaten, die ohne Rettungspakete eigenständig Reformen zur Herstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf sich genommen haben.
Dass die Nachahmung der Bondkäufe anderer Zentralbanken nicht zielführend ist, verdeutlicht auch und gerade das Beispiel der US-Fed. Die Fed hat ähnlich wie die Bank of England im Rahmen ihrer unkonventionellen Geldpolitik in weitaus größerem Umfang als die EZB auch toxische Wertpapiere auf ihre Bilanzen genommen. Deren Wert schmilzt gegenwärtig nur so dahin. Dies gefährdet die Rücklagen und das Eigenkapital der Fed. Gelöst werden kann dieses Problem nur noch durch Inflation – eine Art indirekter Besteuerung der US-Bürger und der ausländischen Gläubiger der USA – und/oder durch die Übertragung von per Federstrich in beliebiger Menge geschaffener und gegebenenfalls mit einem Nullzins ausgestatteten US-Bonds auf die Fed.
Dieses Szenario schafft nur wenig Vertrauen in den gerade in der anglo-amerikanischen Welt so beliebten Tango zwischen einer vermeintlich immer liquiden Zentralbank und dem angeblich immer solventen Staat und fördert Inflationserwartungen. Zumal der Interessenkonflikt, der üblicherweise zwischen Zentralbank und Regierung abläuft – eine Erhöhung des Zinssatzes zur Inflationsbekämpfung führt zu höherem Schuldendienst für den Staat – nunmehr auf einen Interessenkonflikt innerhalb des Zentralbanksystems verlagert wird. Der Konflikt wird nicht gelöst, sondern nur auf eine einheitliche Ebene verschoben. Der US-Ökonom Roubini weist zu Recht darauf hin, dass die Gefahr eines Währungsabsturzes größer wird, wenn die Finanzmarktakteure dieses „schwarze Loch“ entdecken und diese Vorgehensweise endgültig als Taschenspielertrick entlarven. Denn der Wert des Dollars ist nicht an Gold oder Rohstoffe oder ähnliches gekoppelt. Es handelt sich lediglich um ein Wertversprechen. Ähnliches gilt für die Bank of Japan, die seit 1997 in zahlreiche quasi-fiskalische Aktivitäten verwickelt wurde. Anleihekäufe durch sie erwiesen sich als äußerst ineffektiv. Im Gegenteil, sie erhöhten nur die Gefahr von Vermögenspreis-Blasen, indem sie die Anleihekurse nach oben trieben. Will die EZB wirklich in diese Fußstapfen der Fed und der Bank of Japan treten?
Mangelndes „Fiscal backing“ der EZB – ein Vorteil
Bisher gab es, abweichend von internationalen Gepflogenheiten, in der Eurozone keinen Mechanismus zur Rekapitalisierung des Eurosystems als Ganzes. Jede Regierung der Eurozone stand einzeln hinter „ihrer“ nationalen Zentralbank. Dies könnte im Hinblick auf die gegenwärtig laufende unorthodoxe Geldpolitik als ein Vakuum im Sinne eines mangelnden „Fiscal backing“ hinter der EZB und dem Eurosystem interpretiert werden. Gepaart mit einer dem buchhalterischen Vorsichtsprinzip verpflichteten Festlegung der „Haircuts“ und einer bisher ausreichend erscheinenden Rücklagenbildung durch die nationalen Notenbanken im Euroraum – verhinderte aber gerade dieses Vakuum bisher in der Eurozone den unheilvollen „Tango“ zwischen Euro-Regierungen und der EZB: die EZB engagierte sich bisher nur in geringem Umfang in Käufen von Anleihen auf Sekundärmärkten („Covered Bonds“). Geht der Marsch in eine gemeinsame Europasteuer, die von van Rompuy vorbereiteten gemeinsamen Eurobonds und in eine Europäische Wirtschaftsregierung südeuropäischer Prägung weiter, erscheint aber fraglich, dass dies auch künftig noch der Fall sein wird. Beruhigend wirkt lediglich die bisher in Europa fast beispiellos enge Zusammenarbeit des deutschen Finanzministeriums und des französischen Trésor, die letztlich auch zu den aktuellen Vorschlägen Sarkozys für eine französische Schuldenbremse führte.
Nun aber geht die EZB bei ihren zusätzlichen Anleihekäufen mittel- und langfristig gehörige Inflationsrisiken ein und riskiert, den Euro zur Weichwährung zu machen. Der Kauf der Staatsanleihen wird mit frisch gedrucktem Geld finanziert, das zunächst Vermögenspreise treibt, aber später auch zu stärker als erwünscht steigenden Verbraucherpreisen führen könnte. Sollten das EZB-Programm erfolglos und die Sparanstrengungen der europäischen Schuldenstaaten nicht glaubhaft sein, steigen auch die Inflationserwartungen – zumal das Produktionspotenzial in der Eurozone durch die Finanzkrise stark beschädigt wurde und Rekordsummen an globaler, nicht nur von der EZB ausgegebener Überschussliquidität im Umlauf sind. Einer unter mehreren Indikatoren hierfür sind derzeit die gegenwärtigen Rekordpreise für Gold.
Bemerkenswert ist, dass die Bundesbankgerade wegen der (vorwiegend deutschen?) Inflationsfurcht eine große Neubewertungsreserve für ihren Goldschatz und damit eine Absicherung gegen ihre Insolvenz geschaffen hat. Ihr Gold steht im Prinzip immer noch zum Anschaffungswert in der Bilanz. Angesichts des Rekordmarktpreises für Gold hat sich also eine riesige Rücklage angesammelt.
Sterilisierung der Anleihenkäufe
Die EZB will mit Gegengeschäften verhindern, dass die Geldmenge im Euro-Raum zunimmt. Sie möchte die Staatsanleihen deshalb künftig „sterilisiert“ aufkaufen und hat dies auch schon getan, um dem Vorwurf der Monetisierung von Staatsdefiziten wirkungsvoll zu begegnen. Dabei verfügt die EZB über mehrere Instrumente, um einen unerwünschten Überschuss an Liquidität abzuschöpfen. Bei der Ausschreibung verzinslicher Termineinlagen hinterlegen Banken bei der EZB für eine fixe Zeit Geld, das so wieder dem System entzogen wird. Dieses Instrument hat die EZB bereits vor einigen Tagen eingesetzt, „um den Märkten ihre antiinflationäre Ausrichtung zu signalisieren“. Obwohl die gekauften Anleihen wesentlich längere Laufzeiten aufweisen, wählte die EZB nur ein Ein-Wochen-Geschäft – also eher Psychologie als eine laufzeitkonforme Sterilisierung. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die EZB selbst Anleihen ausgibt. Dieses Instrument wurde letztes Jahr schon einmal vom EZB-Direktoriumsmitglied Bini Smaghi vorgeschlagen, aber seit Bestehen der Währungsunion noch nie angewendet. Aber wie wasserdicht ist die geplante Sterilisierung der Bondkäufe als Absicherung gegen inflationäre Folgen?
Die EZB betritt bei Durchführung ihrer neuen „Mindestpreispolitik“ für Anleihen Neuland. Sie kann nicht genau abschätzen, wie viel Bonds sie genau kaufen muss, um den Wert der gefährdeten Anleihen nachhaltig zu stabilisieren. Um sicher zu gehen, wird sie wohl mehr als nötig kaufen müssen, was die Geldmenge unnötig aufbläht. Zudem wurden die sterilisierenden Maßnahmen bisher mit Ausnahme der Ausschreibung einer Termineinlage „zum Vorfühlen“ nur versprochen; verpflichtend sind sie aber keineswegs. Interessenkonflikte zwischen den nationalen Notenbanken im ESZB sind vorprogrammiert, zumal der Konsolidierungsprozess in Ländern wie Griechenland und Portugal – falls er überhaupt erfolgreich sein wird – mehr als ein halbes Jahrzehnt in Anspruch nehmen dürfte. Eine Zentralbank in einem Land mit fiskalischen Problemen wird zudem – in der Regel unterstützt durch die europäischen Geschäftsbanken und die Händler – immer behaupten, dass der Markt für einheimische Staatspapiere der Unterstützung bedürfe und Marktbewegungen „dysfunktional“ seien.
Zwar läuft Anfang Juli erst einmal der Ein-Jahres-Tender aus, bei dem die EZB den Banken im Juni vergangenen Jahres sehr viel Geld geliehen hatte. Zugleich aber hat die EZB am 10. Mai neue Liquiditätshilfen mit Vollzuteilung angekündigt, deren Wirkung klar im Widerspruch zur angekündigten Sterilisierung steht und expansiv ist. Die angekündigten Maßnahmen zur Sterilisierung dieser inflationär wirkenden Politik sind zudem teilweise wenig glaubwürdig. Durch die Ausgabe eigener EZB-Anleihen zum Beispiel würden Griechen-, Portugiesen- und Spanienbonds noch unattraktiver. Diese Länder müssten dann noch höhere Zinsen bieten, um ihre Anleihen platzieren zu können. Dies liefe dem Geist des Rettungsschirms klar zuwider und wäre nicht anreizkonform.
Im Übrigen bringt selbst eine erfolgreiche Sterilisierung nicht alles ins Lot. Die EZB agiert nach wie vor wie ein Fiskalagent, da sie andere euroländische Kreditgeber in Form höherer Anleihezinsen besteuert, um einer Regierung in finanzieller Notsituation beizuspringen. Die Behauptung aber, die Intervention gezielter Anleihekäufe diene der Schaffung geordneter Marktbedingungen, wirkt wenig überzeugend, gerade wenn die Regierungen oder die EZB entscheiden, welche Marktbewegungen gerechtfertigt sind und welche nicht.
Zielrichtung der Geldpolitik sollte die Aktivseite der Notenbankbilanz sein
Bei der Ausgabe eigener Anleihen und auch der Hereinnahme von Termineinlagen geht es lediglich um eine Umstrukturierung der Passivseite der Notenbankbilanz. Diese Maßnahmen sind beide nicht geeignet, die aufgeblähte Bilanz der Notenbank zu reduzieren und die Wertpapiere mit drohendem Wertverlust – Bankschuldverschreibungen und Staatsbonds – aus der EZB-Bilanz zu entfernen. Die Kernfrage lautet ja: wie kommt man von den zukünftig noch höheren Überschussreserven wieder herunter? Dieser Anstieg ergibt sich dadurch, dass es für die Banken immer attraktiver wird, die toxischen Anleihen in ihren Bilanzen bei der EZB abzuladen. Die im Gegenzug erhaltene Liquidität wird zwar nicht für die Kreditvergabe an den Privatsektor gebraucht, dient aber dazu, den notwendigen risikogewichteten Eigenkapitalanteil zu senken. Die Banken müssen hierdurch also weniger Eigenkapital halten als ohne die großzügige Liquiditätsbereitstellung. Daneben führt die Aufnahme von toxischen Papieren in die EZB-Bilanz auch dazu, dass deren Preise künstlich hoch gehalten werden. Eine glaubwürdige Strategie der Sterilisierung müsste also auch auf der Aktivseite der EZB-Bilanz ansetzen.
Effektivität der Anleihenkäufe
Der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB war nur zu Beginn effektiv; bis zum vergangenen Freitag rutschte der Euro dann auf sein Vier-Jahres-Tief ab. Auch andere Indikatoren wie die an Märkten gehandelte Unsicherheit erwecken den Eindruck, dass Investoren dem strategisch „neu konzipierten und aufgestellten“ Euroraum offensichtlich nicht richtig trauen. Es war von Anfang an fraglich, ob die niedrigeren Renditeaufschläge wirklich ein sprunghaft gestiegenes Vertrauen der Marktteilnehmer in die Anleihemärkte wiederspiegeln. Eher verzerren die Aktivitäten der EZB die Preise an den Anleihemärkten der Peripherieländer und führen zu Skepsis, ob und wie lange die jetzt plötzlich niedrigen Risikoprämien halten werden.
Wenn die Notenbanken gegen den Markt, d.h. gegen die fundamental nicht unwahrscheinliche Insolvenz Griechenlands und vielleicht Portugals intervenieren, geht das letztlich nicht gut. Man stelle sich nur das polit-ökonomische Szenario vor, wenn die Anleihen, wie versprochen, in einigen Jahren wieder verkauft werden sollen und die Risikoprämien quasi automatisch wieder in die Höhe schnellen. Die EZB sollte sich durch ihr heutiges Handeln bestmöglich auf genau diese Situation einstellen. Eine Geldpolitik des „Anything goes“ ist deshalb unter allen Umständen zu vermeiden. Denn die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank ist ein Pfund, mit dem sich gerade in Krisenzeiten wuchern lässt. Es ist unersetzlich!
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„Bemerkenswert ist, dass die Bundesbank gerade wegen der (vorwiegend deutschen?) Inflationsfurcht eine große Neubewertungsreserve für ihren Goldschatz und damit eine Absicherung gegen ihre Insolvenz geschaffen hat. Ihr Gold steht im Prinzip immer noch zum Anschaffungswert in der Bilanz. Angesichts des Rekordmarktpreises für Gold hat sich also eine riesige Rücklage angesammelt.“
Hoffen wir nur, dass die Bundesbank nicht so verdeppert ist wie die Schweizer, die ihr Gold damals für fast nichts verkauften, denn der richtige Preisschub steht ja erst noch bevor … . Da sieht man doch einmal wieder, dass die meisten Zentralbanker keine monetäre Ökonomik verstehen. Aber am Ende, was soll Sie machen ? Die Politik fährt ja doch alles an die Wand.
Ich meine, ich müsste mir eigentlich wirklich einmal die Mühe machen, nachzusehen, wie viele Länder im vergangen Jahrhundert diese stumpfsinnige Politik betrieben haben. Es hat einfach nie funktioniert. Und deshalb sollte so etwas verboten werden. Schreiben wir es in die Verfassung. Aber, ahhh, die Chance ist vorbei …
Ich hätte da aber noch eine Idee. Da die Welt komplett besetzt ist, warum nicht wirklich in den Weltraum vordringen ? Irgendwann kommt das bestimmt.
Zu Ihrer Frage in der Überschrift:
„Wie viel quasi-fiskalische Aktivitäten verträgt die EZB?“
Keine. Die derzeitigen Aktionen verleiten wohl doch eher zu der Ansich, daß es mit der Unabhängigkeit der EZB wirklich gut bestellt ist. Das „zufällige“ Zusammenfallen von „Euro Rettungspaket“ und anwenden von derartigen zweifelhaften Aktionen, hat dem EUR offentsichtlich ehere geschadet als genutzt….