Hat der KI-Boom in den vergangenen Quartalen die US-Wirtschaft in kräftig angeschoben und damit eine Rezession verhindert? Wir schauen auf die Daten.

Für KI wird viel Geld in die Hand genommen …

Viele halten Künstliche Intelligenz (KI) für eine neue Basistechnologie, vergleichbar mit der Elektrifizierung der Wirtschaft. Die großen Tech-Unternehmen der USA, die bereits die Infrastruktur für das Internet mit aufgebaut haben und jetzt betreiben, investieren enorme Mittel in neue Rechenzentren. Alleine die Spitzengruppe von vier sogenannten „Hyperscalern“ – Betreiber von Cloud-basierten Dienstleistungen mit enormen Speicher- und Rechenkapazitäten – hat in den ersten drei Quartalen 2025 über 250 Mrd. Dollar investiert.

Wie ist die volkswirtschaftliche Bedeutung derartiger Investitionen einzuschätzen? Es gibt zwar keine eigene BIP-Komponente KI. Allerdings dürften die entsprechenden Ausgaben vor allem unter den Kategorien „Informationsverarbeitung“ und „Software“ bei den Anlageinvestitionen zu finden sein, die wir im Folgenden unter „KI“ zusammenfassen [1]. Diese Ausgaben addierten sich im 2. Quartal auf 1,35 Billionen Dollar (4,4% des Bruttoinlandsprodukts).

… was Erinnerungen an die New Economy weckt …

Die aktuelle Investitionswelle in AI hat den High-Tech-Investitionsanteil wieder auf nahezu den gleichen Wert wie zum Hochpunkt der New Economy getrieben (Abb. 1). In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre hat die breite Einführung des Internets und darauf basierende Geschäftsmodelle schon einmal einen High-Tech-Investitionsboom ausgelöst. Innerhalb weniger Jahre erhöhte sich der Anteil der Investitionen in Informationsverarbeitung und Software von weniger als 3% des BIP auf beinahe 4,5%, ehe er sich nach dem Platzen der damaligen Aktienblase wieder deutlich verringerte.

… und das Wachstum antreibt

Einigen Berechnungen zufolge hätte es ohne die Ausgaben für KI im ersten Halbjahr 2025 eine Rezession in den USA gegeben, diese wären also hauptverantwortlich für das Wachstum gewesen. Und tatsächlich sind DV- und Softwareinvestitionen gegenüber dem Vorjahr um real 15,6% gestiegen und damit viel stärker als die reale Wirtschaftsleistung insgesamt (+2,1%). Der reale Zuwachs hat sich in den letzten Quartalen stark beschleunigt (Abb. 2).

Der Wachstumsbeitrag (typischerweise stellt man hier auf den Beitrag zum auf Jahresrate hochgerechneten realen Wachstum gegenüber dem Vorquartal ab) von Investitionen in Informationsverarbeitungsanlagen belief sich um zweiten Quartal auf 0,22 Prozentpunkte, der für Software auf 0,58 Prozentpunkten [2]. Zusammen haben diese Investitionskomponenten damit 0,8 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum von 3,8% beigetragen. Um die übliche Volatilität von Quartal zu Quartal etwas zu glätten, berechnen wir den Halbjahresdurchschnitt dieser Wachstumsbeiträge. Im ersten Halbjahr trug KI damit 1,05 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum von 1,6% bei, rechnerisch waren also zwei Drittel des Wachstums auf KI zurückzuführen (Abb. 3).

… aber es gibt einige Einschränkungen

Allerdings dürften dieser Berechnungen den direkten Einfluss von KI auf das Wirtschaftswachstum überschätzen:

• Nicht alle Investitionen in Computer und in Software sind auf den aktuellen KI-Boom zurückzuführen. Schließlich kaufen nicht nur Datenzentren Mikrochips und Software, sondern auch viele andere Unternehmen.
• Ein beträchtlicher Teil der in den Datenzentren verbauten Hardware wird importiert, womit nur ein Teil der Investitionen auf heimischer Wertschöpfung beruht.

Für eine Abschätzung des außenwirtschaftlichen Einflusses haben wir die Netto-Ausfuhren (Exporte abzgl. Importe) von Computern, Halbleitern und Telekommunikationsausrüstung herangezogen. Auch dies kann lediglich eine grobe Abschätzung von KI-induzierten Ein- und Ausfuhren liefern. Im zweiten Quartal exportierten die USA solche Produkte im Wert von 217 Mrd Dollar und importierten welche für 523 Mrd Dollar; wie üblich sind diese Angaben auf Jahresbasis hochgerechnet. Die Importe sind dabei zuletzt schneller gestiegen als die Ausfuhren.

Es zeigt sich, dass im ersten Halbjahr 2025 – wo KI-Investitionen einen erheblichen Einfluss auf das Wachstum hatten – auch die Importe entsprechender Ausrüstung besonders dynamisch waren. Rein rechnerisch haben Netto-Importe von KI gut 1 Prozentpunkt vom durchschnittlichen Wachstum im H1 abgezogen [3]. Dies hat den stark positiven Wachstumsbeitrag von KI-Investitionen zum großen Teil ausgeglichen, sodass KI per Saldo nur leicht zum Wachstum beigetragen hat (Abb. 4).

KI dominiert die Schlagzeilen, aber noch nicht die Wirtschaft

Als Fazit bleibt, dass KI sicherlich zum Wachstum beiträgt, aber zumindest bislang nicht so stark, dass man von einem dominierenden Einfluss sprechen könnte. Dies gilt auch, wenn man die indirekten Wirkungen der KI-Investitionen berücksichtigt. Der Bau von Rechenzentren regt auch Investitionen an anderer Stelle an. Hier sind zunächst die Gebäude zu nennen, in denen die Rechenzentren untergebracht sind. Derartige Bauinvestitionen haben sich binnen zweier Jahre verdoppelt, spielen mit aktuell etwa 40 Milliarden Dollar pro Jahr aber nur eine vergleichsweise kleine Rolle, wenn man sie mit den IT-Investitionen vergleicht. Zusätzlich dürften die vielen Rechenzentren mit ihrem hohen Strombedarf verstärkte Investitionen in Stromerzeugung und -übertragung auslösen. Dies hat sich bisher aber noch nicht spürbar in den gesamtwirtschaftlichen Zahlen niedergeschlagen.

[1] Die für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zuständige Behörde ist das Bureau of Economic Analysis (BEA)
[2] Wir verwenden die in VGR-Tabelle (NIPA Table) 1.5.2 aufgeführten Daten
[3] Das BEA veröffentlicht keine Wachstumsbeiträge dieser Im- und Exportkomponenten. Wir haben eine eigene Abschätzung auf Basis der Törnqvist-Approximation vorgenommen. Vgl. dazu: Karl Whelan „A Guide to the Use of Chain Aggregated NIPA Data“, Federal Reserve Board, Juni 2000.

Blog-Beiträge zum Thema:

Joachim Weimann (OVGU, 2025): Uns bleiben nur noch fünf Jahre

Hans-Jörg Naumer (Allianz GI, 2024) und Dirk Lambach (AGP, 2024): Proletarier aller Länder, beteiligt Euch!

Podcasts zum Thema:

Die Welt im digitalen Wandel. Wohin führt uns die Künstliche Intelligenz?

Ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Klemens Skibicki (PROFSKI Consulting) und Dr. Jörn Quitzau (Berenberg).