„Wird das Bemühen um wirtschaftliche Selbständigkeit nicht mehr ernsthaft eingefordert, ändert sich der Charakter der Hilfeleistungen weg vom Subsidiaritätsprinzip hin zu einer bedingungsarmen Leistung, bei der materielle Teilhabe stärker und die Integration in Arbeit schwächer gewichtet wird.“ (Holger Schäfer) Die Energiepreis-Krise dominiert gegenwärtig alles. Es droht wirtschaftlicher Niedergang. Davon wären Arme stärker betroffen als Reiche. Vor allem ihnen muss aber geholfen werden. Damit ist die Grundsicherung gefordert. Die Bundesregierung plant, sie zu reformieren und wetterfest zu machen. Das Hartz-IV-System soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden. Es besteht gesellschaftlicher Konsens, der Staat muss allen Bürgern ein (sozio-kulturelles) Existenzminimum garantieren. Das gilt unabhängig davon, ob Menschen unverschuldet oder selbst verschuldet in Not geraten. Die Hilfe der Gesellschaft ist aber nicht bedingungslos. Sie ist eine staatliche Hilfe zur individuellen Selbsthilfe. Auch darüber besteht Einvernehmen. Der Sozialstaat steht allerdings vor einem Dilemma. Ist er bei der Grundsicherung zu knickrig, verliert er den Kampf gegen die Armut. Agiert er dagegen zu großzügig, sabotiert er die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Diskussion um „fördern und fordern“ illustriert den Konflikt. Es ist Aufgabe der Politik, eine Balance zwischen Großzügigkeit staatlicher Leistungen und Forderungen an die Leistungsbezieher zu finden. Diese Balance ist einem ständigen Wandel unterworfen. Ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen verändern sie. In den späten 90er und frühen 00er Jahren hatte die Grundsicherung eine Schlagseite zugunsten des „Förderns“. Das ging nicht gut. Die Arbeitslosigkeit stieg, der Sozialstaat wurde unfinanzierbar. In den Hartz-Reformen wurde das „Fordern“ wieder stärker betont. Der Widerstand vor allem gegen Sanktionen nahm zu. Mit dem neuen Bürgergeld schlägt das Pendel wieder zurück. Die Leistungen des Staates sollen großzügiger, die Anforderungen an die Transferempfänger geringer werden. Darüber ist politischer Streit entbrannt. Wie könnte eine optimale Balance zwischen Fördern und Fordern aussehen?
Norbert Berthold