"Ja, mach nur einen Plan sei nur ein großes Licht und mach dann noch 'nen zweiten Plan gehn tun sie beide nicht." (Bertolt Brecht)
Nun ist er wieder aufgeflammt, der inter-generative Verteilungskampf. Olaf Scholz, der Finanzminister, hat ihn kürzlich angeheizt. Er gießt Öl ins Feuer, wenn er ein stabiles Rentenniveau von 48 % bis ins Jahre 2040 fordert. Der wichtigste Treiber des Kampfes der Generationen ist die Demographie. Der demographische Wandel befeuert den Kampf. An den demographischen Lasten kommt niemand vorbei. Sie sind seit langem absehbar, lassen sich kaum noch wegreformieren und müssen getragen werden. Spätestens 2025 geht es richtig zur Sache. Dann gehen die Baby-Boomer nach und nach in Rente. Rentner und Erwerbstätige müssen die Lasten tragen. Andere Lastenträger gibt es nicht. Wer wieviel zu schultern hat, muss politisch entschieden werden. Olaf Scholz, Andrea Nahles, die SPD und die Gewerkschaften haben sich festgelegt. Sie stehen auf Seiten der Alten, die Jungen sind ihnen egal.
Der Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist rentenpolitisch eindeutig. Bis zum Jahre 2025 gilt ein modifizierter „Da Vinci-Code“ (hier) der Alterssicherung, also 20-48-67. Die Beiträge zur GRV dürfen die 20 %-Marke nicht übersteigen, das Rentenniveau darf nicht unter 48 % sinken, die Regelaltersgrenze wird auf 67 Jahre festgeschrieben. Was nach 2025 passiert soll eine Rentenkommission vorspuren. Die muss sich allerdings nach den Vorfestlegungen von Olaf Scholz veräppelt vorkommen. Er fordert das Rentenniveau weit über das Jahr 2025 hinaus bis ins Jahr 2040 auf 48 % festzuschreiben. An der Regelaltersgrenze von 67 Jahren soll nicht gerüttelt werden. Das kleine Einmaleins der umlagefinanzierten GRV erlaubt damit nur zwei Lösungen. Entweder die Beiträge steigen über die bis 2025 festgelegten 20 % oder die steuerfinanzierten Bundeszuschüsse müssen weiter zunehmen.
Der Münchner Ökonom Axel Börsch-Supan hat schon mal mit seinem Team gerechnet (hier). Die Defizite belaufen sich schon gegenwärtig bis 2025 auf über 11 Mrd. Euro pro Jahr, um das Netto-Rentenniveau von 48 % zu sichern. Der Betrag steigt auf 45 Mrd., wenn es bis 2030 garantiert wird, auf 80 Mrd. bis 2035 und auf 125 Mrd. bis 2048, wohlgemerkt immer pro Jahr. Das muss man nicht alles für bare Münze nehmen, je weiter weg man sich von der Gegenwart bewegt. Die Richtung ist aber klar und eindeutig, es wird teuer. Wird das Rentenniveau fixiert, bleiben grundsätzlich drei Möglichkeiten, die Löcher zu stopfen. Die Beiträge können steigen. Ein bis 2035 garantiertes Rentenniveau von 48 % kostet 5,7 Prozentpunkte. Der Beitragssatz würde auf 24,5 % steigen. Oder der Bund muss Zuschüsse leisten, 80 Mrd. Euro pro Jahr. Das wären 6 – 7 Prozentpunkte bei der Mehrwertsteuer. Oder die Regelaltersgrenze müsste bis 2035 auf über 69 Jahre erhöht werden[1].
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Die SPD und die Gewerkschaften haben sich rentenpolitisch festgelegt. Für sie ist die Lebensarbeitszeit bis 67 sakrosankt. Daran wollen sie auf keinen Fall rütteln, obwohl die Lebenserwartung weiter steigen wird[2]. Damit bleibt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Akzeptieren sie höhere Beitragssätze, verringern sie entweder die (Netto)Lohnzuwächse oder vernichten Arbeitsplätze. In beiden Fällen sind die Jungen die Dummen. Werden die Beitragssätze auf 20 % begrenzt, steigen die finanziellen Defizite in der GRV. Die eintretenden Ungleichgewichte müssen über höhere (steuerfinanzierte) Bundeszuschüsse ausgeglichen werden. Höhere Steuern treffen aber vor allem wieder die Jungen. Ihre Netto-Einkommen sinken. Gelingt ihnen ein Steuerkraftausgleich über höhere Nominallöhne, zahlen sie mit einem Verlust an Arbeitsplätzen. Die Unternehmen rationalisieren stärker und wandern häufiger ins Ausland ab. Beides kostet inländische Arbeitsplätze.
Wird die SPD die Jungen rentenpolitisch im Regen stehen lassen? Das scheint auf den ersten Blick nicht plausibel. Damit setzt sie ihre politische Zukunft aufs Spiel. Die Jungen haben noch weniger Anreize, SPD zu wählen. Trotzdem spricht einiges dafür, dass es so kommen wird. Die politische Konkurrenz wird rentenpolitisch nämlich auch nicht anders handeln. Mit der sich ändernden Altersstruktur werden die Älteren für die Politik wichtiger als die Jungen. Das Alter des Median-Wählers steigt stetig. Es liegt heute schon bei 48 Jahren und wird bis zum Jahre 2030 auf über 53 Jahre steigen (hier). Für machtbewusste, an Legislaturperioden orientierte Politiker aller Parteien wird es gefährlich, politische Entscheidungen gegen die große Gruppe der Alten zu treffen. Die Politik wird inter-generativ solange „ungerecht“ handeln, bis sich die Jungen das nicht weiter gefallen lassen und die Besten das Land in Scharen verlassen[3]. Es kommen ungemütliche Zeiten auf Deutschland zu.
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[1] Die Regelaltersgrenze automatisch an die Entwicklung der Lebenserwartung der Rentner zu koppeln, wäre die mit Abstand sinnvollste Lösung. Tatsächlich will dies aber eine breite Mehrheit der Bevölkerung (noch) nicht.
[2] Es ist in Deutschland nicht ganz einfach, über die gegenwärtige Regelaltersgrenze hinaus zu arbeiten. Ich habe es ernsthaft versucht, bin allerdings an meiner Universität kläglich gescheitert.
[3] Die Hayek’sche Prophezeiung wird hoffentlich nicht eintreten: „Und letzten Endes wird nicht die Moral, sondern die Tatsache, dass die Jungen die Polizei und das Militär stellen, die Frage entscheiden.“ (Hayek, 1971, 377)
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Anstatt sich auf eine feste Zahl von 48% zu fixieren, hinter der wesentliche Unterschiede im Rentenbezug verschwinden, sollte man eine Mindestrente einführen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Das würde insgesamt billiger kommen!