„He (Richard Nixon) didn’t deserve to be impeached for Watergate but did deserve to be impeached for price controls. Similarly, Mr. Trump doesn’t deserve to be impeached for his myriad instances of political incorrectness, but he may deserve to be impeached for his trade war.” (Robert Barro, 2018)
Der 8. November 2016 war kein Tag wie jeder andere. Donald Trump wurde zum amerikanischen Präsidenten gewählt. Für viele war das nicht mehr als ein Betriebsunfall. Das politische Washington und die Welt nahm ihn nicht wirklich ernst. Er sei wie eine Grippe, die vorbei gehe. Das hat sich nach zwei Jahren geändert. Donald Trump könnte den USA und der Welt als politischer Akteur länger erhalten bleiben. Seine großspurigen Ankündigungen im Wahlkampf wurden als typische Wahlkampfversprechen abgetan. Er würde sie, wie es Politiker des Establishments regelmäßig tun, brechen, sobald er im Amt sei, war ein weitverbreitete Meinung. Das war ein Irrtum. Er setzt ökonomisch und politisch um, was er angekündigt hat. Er hat die Unternehmenssteuern gesenkt und angefangen, staatliche Regulierungen abzubauen. Den Handelspartnern auf der ganzen Welt heizt er protektionistisch ein. Dabei kennt er keine Freunde, nur Gegner. Was den versprochenen anti-mexikanischen Schutzwall angeht, bremst ihn noch der Kongress; er gibt ihm das Geld nicht, noch nicht.
Wahlkampfversprechen
Den überraschenden Wahlsieg verdankt Donald Trump auch den Wählern des „Rostgürtels“. Deren größte Sorge ist die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Im industriellen Sektor verloren die USA seit Anfang der 70er Jahre über ein Drittel der Arbeitsplätze (hier). Donald Trump will diese Entwicklung stoppen. Es sollen keine weiteren Arbeitsplätze abgebaut, verloren gegangene sollen wieder zurückkehren. Der Angriff soll an drei Fronten gleichzeitig erfolgen. Mit einer expansiven Fiskalpolitik soll die Wirtschaft in Schwung gebracht, neue Arbeitsplätze im industriellen Sektor sollen geschaffen werden. Mit einer Politik internationaler Handelsbeschränkungen will Trump verhindern, dass das (chinesische) Ausland weitere industrielle amerikanische Arbeitsplätze „stiehlt“. Mit restriktiven Regeln der Zuwanderung soll verhindert werden, dass sich die heimischen Arbeitsbedingungen weiter verschlechtern. Donald Trumps strategischer Dreiklang ist: Keynesianische Fiskalpolitik, protektionistische Handelspolitik und restriktive Zuwanderungspolitik.
Die ersten wirtschaftspolitischen Schritte hat Donald Trump bereits getan. Er hat die Körperschaftsteuer gesenkt, die Abschreibungsbedingungen verbessert, deregulierende Maßnahmen (Energie, Umwelt, Finanzmärkte) für kleinere und mittlere Unternehmen ergriffen und konservative, marktfreundlichere Richter ernannt. Damit beflügelt er den „animal spirit“ der Unternehmer. Das alles ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Schwierigkeiten liegen allerdings auf der Hand. Die fiskalischen Maßnahmen sind alles andere als „budgetneutral“. Ein eherner Grundsatz der „alten“ Republikaner wird verletzt. Sie werden die schon sehr hohe staatliche Verschuldung weiter erhöhen, die Inflation beschleunigen und die FED zu einer restriktiveren Geldpolitik zwingen und schnellere Schritte zu höheren Zinsen provozieren. Mit dieser expansiven Politik zur konjunkturellen Unzeit, mitten im Boom, manövriert er sich selbst in eine handelspolitische Sackgasse. Wachsende staatliche Defizite erhöhen die Defizite in der amerikanischen Leistungsbilanz weiter.
Auch in der Handelspolitik versucht der amerikanische Präsident, Nägel mit Köpfen zu machen. Er hat TTIP auf Eis gelegt, ist rasch aus TTP ausgestiegen, verhandelt NAFTA neu und erhebt weltweit Zölle gegen Freund und Feind. Sein Ziel ist klar: Er will weg von multilateralen Abkommen. In bilateralen Vereinbarungen hofft er, die wirtschaftliche Stärke der USA auszuspielen. Die Handelspartner sollen über den Tisch gezogen, neue Arbeitsplätze in den USA geschaffen werden. Dieses Kalkül wird nicht aufgehen. Der Verlust industrieller Arbeitsplätze hat wenig mit dem internationalen Handel zu tun. Es ist der technische Fortschritt, der die Entwicklung treibt. Mit protektionistischen Maßnahmen zerstört er in einer Welt optimierter „supply chains“ mehr heimische Arbeitsplätze als er neue schafft. Mit Zöllen erhöht er nicht nur die Preise für importierte Güter. Er verteuert auch die amerikanische Produktion, vernichtet heimische Arbeitsplätze und verringert die Exportchancen in den USA beheimateter Unternehmen. Antwortet das Ausland mit handelspolitischer Vergeltung hat Donald Trump endgültig mit Zitronen gehandelt. Die Arbeitsplatzbilanz wird negativ, die Leistungsbilanz gerät weiter ins Defizit.
Kurzfristeffekte
Die Angst vor dem wirtschaftlichen Niedergang der USA unter dem neuen Präsidenten ist weit verbreitet. Es ist weniger das fiskalische Programm, das negativ bewertet wird, obwohl die Inflationsrate auf knapp unter 3 % stieg. Vor allem die Handelspolitik führt aber unter Ökonomen zu Kopfschütteln. Ein Blick auf wichtige wirtschaftliche Kennziffern zeigt, dass zumindest bisher wirtschaftlich nichts Schreckliches passiert ist. Das wirtschaftliche Wachstum setzte sich stetig fort. Das BIP soll 2018 mit knapp unter 3 % wachsen. Das ist mehr als in der Endphase von Barack Obama. Auch das Wachstum der Arbeitsplätze nahm weiter zu. Die Arbeitslosenquote erreichte im Mai 2018 mit 3,8 % den niedrigsten Wert in den letzten zwei Jahrzehnten. Wichtiger noch: Die Erwerbsquote der 25- bis 54jährigen stieg weiter an. Sie ist vom Höhepunkt des Booms vor der Finanzkrise nicht mehr weit weg. Nur eines kommt nicht so recht vom Fleck: Die realen Verdienste stagnieren seit der Amtsübernahme. Die Löhne gleichen allenfalls die Inflation aus, mehr aber auch nicht.
Die ökonomische Performance der Präsidentschaft von Donald Trump ist also besser als vielfach erwartet, zumindest bisher. Das ist auch das Ergebnis einer interessanten Studie des Bonner Ökonomen Benjamin Born, die er zusammen mit anderen Ökonomen erstellt hat (hier). Sie gingen einen ungewöhnlichen Weg. Zuerst suchten sie nach einem „Doppelgänger“ der USA für die Zeit zwischen 1995 und 2016. Sie fanden ihn in einer Kombination aus mehreren Ländern. Dazu zählten Kanada und Großbritannien, aber auch Dänemark und Norwegen. Dann schauten sie sich an, wie sich die USA und der „Doppelgänger“ in der Zeit nach 2016 wirtschaftlich entwickelt haben. Das Ergebnis ist eindeutig: Es gibt bis heute keinen „Trump-Effekt“, weder einen positiven noch einen negativen. Das kann daran liegen, dass die Trump’sche Politik so schlecht nicht war, wie vielfach behauptet. Es ist aber auch möglich, dass die Wirtschaftspolitik weniger Einfluss auf die Wirtschaft hat, als Ökonomen annehmen; sie wird überschätzt. Oder aber: Das dicke Ende kommt erst noch.
Das Urteil über die Trump’sche Wirtschaftspolitik fällt weniger schmeichelhaft aus, wenn es um mögliche Langzeitwirkungen geht. Investitionen in Real- und Humankapital aber auch in Forschung und Entwicklung treiben wirtschaftliches Wachstum. Höhere monetäre Anreize wirken positiv. Es spricht deshalb einiges dafür, dass die Steuerreform in die richtige Richtung geht. Installiert wurde sie allerdings zur konjunkturellen Unzeit, mitten im Boom. Dagegen sind wirtschaftliche Unsicherheiten und politische Eingriffe Gift für private Investitionen. Die erratische Handelspolitik nach Gutsherrenart verursacht wirtschaftliche Unsicherheit. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Investitionen. Die ersten Anzeichen sieht man schon. Adam Posen, der Präsident des Peterson Instituts, hat darauf hingewiesen, dass ausländische Investoren weniger gern in die USA kommen. Die Netto-Ströme an Direktinvestitionen in die USA sind seit dem Amtsantritt von Donald Trump stark rückläufig (hier). Das ist ein Misstrauensvotum ausländischer Investoren gegen die Politik des amerikanischen Präsidenten. Und es bremst das wirtschaftliche Wachstum.
Langfristschäden
Die Art, wie Donald Trump wirtschaftspolitisch agiert, hat aber noch weitere Risiken und Nebenwirkungen. In der Fiskalpolitik wandelt er auf den Spuren von Ronald Reagan. Auch seine Steuerreformen haben sich nicht selbst finanziert. Die staatliche Verschuldung explodierte. Das wird auch dieses Mal nicht anders sein. Die mittlerweile sehr hohe amerikanische Staatsverschuldung ist nicht nachhaltig. Natürlich haben die USA mit dem Dollar ein Privileg. Deshalb können sie die Grenze der Tragfähigkeit mit dem Drucken neuen Geldes hinausschieben. Sie monetarisieren Staatsschulden. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Inflation. Möglich ist das aber nur, wenn die FED mitmacht. Der bisher störrischen Notenbank hat Donald Trump schon zu verstehen gegeben, dass er keine weiteren, schnellen Schritte an der Zinsfront wünscht. Er droht der FED unverblümt. Das ist ein Angriff auf die politische Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank. Mit seiner hemdsärmligen Politik legt er die Axt an ein wichtiges Element des institutionellen Arrangements monetärer Stabilität.
Einen weiteren Angriff auf bewährte Institutionen und die politische Kultur startet Donald Trump mit seiner erratischen Handelspolitik. Er bricht ohne Not einen weltweiten Handelskrieg vom Zaun, der nicht zu gewinnen ist. Selbst der „Gewinner“ verliert. Dabei nimmt er keine Rücksicht auf gewachsene multilaterale Institutionen. Er tut vielmehr alles, sie zu zerstören. Die Kündigung des TTP, die Neuverhandlung von NAFTA und die anhaltende Sabotage der WTO sind sichtbare Zeichen seines handelspolitischen Furors. Dabei ist er in schlechter amerikanischer Tradition. Viele seiner Vorgänger waren handelspolitisch nicht viel besser. Sein eigentliches Ziel ist ein weltweites Netz bilateraler Handelsbeziehungen. Weltweiter Freihandel ist ihm fremd. Wenn er etwas anderes sagt, lügt er. Bei Jean-Claude Juncker ist er da allerdings in bester Gesellschaft. Er denkt zutiefst merkantilistisch. Für ihn ist ein Land erfolgreich, wenn es mehr exportiert als importiert. In bilateralen Vereinbarungen glaubt er, die wirtschaftliche Stärke der USA ausspielen zu können. Damit zerstört er eine regelbasierte Ordnung, die bisher weltweit Wohlstand garantiert.
Die Trump’sche Handelspolitik zeigt: „Pro market“ und „pro business“ sind zwei Paar Schuhe. Donald Trump vertritt die Interessen ausgewählter Unternehmen und Branchen. Er schützt sie, wie die Stahl- und Aluminiumindustrie, den Bergbau oder die Landwirtschaft, mit Zöllen vor ausländischer Konkurrenz. Wie knappe Ressourcen eingesetzt werden, entscheidet nicht mehr der Markt. Eine willkürlich agierende Bürokratie befindet darüber, wer von Importzöllen ausgenommen wird oder wer nicht. Staatlich hofierte Industrien, die wie die Landwirtschaft spürbare Verluste erleiden, werden mit Subventionen entschädigt. Staatliche Lenkung ersetzt den marktlichen Preismechanismus. Industriepolitik ist en vogue. Der Chicago-Ökonom Steven J. Davis spricht von „crony capitalism“ und „political favoritism“ (hier). Das alles zerstört das Vertrauen in die marktliche Ordnung. Wichtig sind die Beziehungen zur Politik und zur Bürokratie. Eine regelbasierte Ordnung gilt nicht mehr. Wer nicht spurt, wie etwa Harley-Davidson, wird an den Pranger gestellt. Die wirtschaftliche Unsicherheit nimmt zu. Staatlicher Interventionismus verbreitet sich wie ein Ölfleck.
Fazit
Die Bilanz der Voodoo-Ökonomie des Donald Trump ist nach fast zwei Jahren durchwachsen. Mit seiner Reform der Steuer- und Regulierungspolitik liegt er grundsätzlich nicht falsch. Allerdings kommt die Steuerreform zur konjunkturellen Unzeit, mitten im Boom. Da sie sich nicht selbst finanzieren wird, Ausgabenkürzungen politisch aber kaum durchsetztbar sein werden, wird die staatliche Verschuldung weiter wachsen. Die inflationären Risiken und Nebenwirkungen sind beträchtlich. Das amerikanische Defizit in der Leistungsbilanz wird weiter zunehmen, hausgemacht. Der Handelskrieg, den Donald Trump angezettelt hat, ist ohne „Wenn und Aber“ kontraproduktiv. In diesem Krieg gibt es nur Verlierer. Selbst die „Gewinner“ zahlen drauf. Mit seiner Handelspolitik nach Gutsherrenart setzt er brachial die Axt an regelbasierte multilaterale Institutionen, wie die WTO. In bilateralen Abkommen will er die Handelspartner zu für sie nachteiligen Vereinbarungen nötigen. Donald Trump ist kein Freihändler. Er denkt merkantilistisch. Seine Politik ist „pro business“, nicht „pro market“. Kein Wunder, dass im Trump’schen Amerika „crony capitalism“ und „political favoritism“ blühen. Der Chicago-Ökonom Luigi Zingales (hier) hat es in einem lesenswerten Interview so ausgedrückt: „Der Sumpf lebt und ist wohlauf.“
Blog-Beitrag zum Thema:
Norbert Berthold: Die Voodoo-Ökonomie des Donald Trump (1). Keynesianismus, Protektionismus und anti-mexikanischer Schutzwall
- Pakt für Industrie
Korporatismus oder Angebotspolitik? - 27. Oktober 2024 - De-Industrialisierung nimmt Fahrt auf
Geschäftsmodelle, De-Globalisierung und ruinöse Politik - 12. September 2024 - Ordnungspolitischer Unfug (13)
So was kommt von sowas
Unternehmer, Lobbyisten und Subventionen - 17. August 2024
Donald Trump ist das Spiegelbild einer in die Jahre gekommenen, übersättigten Wohlstandsgesellschaft, die fett und träge geworden ist. Er ist die Verbildlichung des Schuldenimperiums, sagte er doch einst: „I love debt!“ Er hat keinen Plan wie man da rauskommt – für ihn geht es immer weiter in dem Morast. Diese Gesellschaft verteilt Geschenke, die sie nie begleichen kann. So gehen Imperien unter. Wie immer wird man in einigen Jahren mit (noch) nüchternem Blick sagen können: „Was für eine riesengroße Scheißerei war das bitte?!“ Was sich an den politischen Rändern „erhebt“ sind nur die Nebenerscheinungen einer senil gewordenen Gesellschaft – vollkommen ziel- und planlos, ohne wirkliche Führung (wobei hier Führung nicht als „Führer“ verstanden werden soll – eher als generellen Kompass), von innen selbst ausgehölt. Es bleibt eine inhaltsleere Konsumhülle. WAS soll man dazu noch sagen?? FREHEIT! GERECHTIGKEIT! MENSCHLICHKEIT! Ja… und dann?