Die Schuldenbremse und die CO2-Steuer
Eine ordnungspolitische Parallele

CO2-Preise als Teil rationaler Klimapolitik

Kürzlich hat an dieser Stelle Manuel Frondel erläutert, wieso eine CO2-Bepreisung wichtig ist. Es geht dabei kurz gesagt darum, die externen Effekte, die durch den Ausstoß von CO2 verursacht werden, sichtbar zu machen. Damit wird idealerweise eine Lenkungswirkung erzielt, die dafür sorgt, dass der CO2-Ausstoß auf ein erträgliches Maß sinkt. Die Bepreisung kann mit einem Emissionshandel erreicht werden, oder auch mit einer CO2-Steuer.

Manuel Frondel zeigt, dass ein wesentlicher Vorteil von CO2-Preisen in ihrer Effizienz liegt. CO2-Preise setzen Anreize, die dafür sorgen, dass der CO2-Ausstoß gewissermaßen automatisch zuerst dort verringert wird, wo dies besonders leicht und kostengünstig zu erreichen ist. CO2-Bepreisung nutzt den Marktmechanismus und wirkt nicht gegen ihn. Auch der Vorwurf, mit politischen Preisen die Signalwirkung des Preismechanismus zu verzerren, geht fehl — denn das Einpreisen von negativen externen Effekten sorgt ja gerade erst dafür, dass ein die tatsächlichen Kosten darstellender Preis gilt. Das ist in jedem Fall effizienter als der planwirtschaftliche Ansatz der Bundesumweltministerin, die den einzelnen Sektoren fixe Mengenziele für die CO2-Reduktion vorgeben will.

Die CO2-Bepreisung als politisch unbeliebtes Instrument

Ökonomen sind sich sehr einig, dass die CO2-Bepreisung der richtige Weg ist. Wie genau dies erreicht werden soll, darüber kann man streiten. Eine Möglichkeit ist der Emissionshandel, der in der EU bereits durchgeführt wird, der aber nicht alle Sektoren abdeckt. Der Vorteil des Emissionshandels ist, dass die Gesamtmenge der noch erlaubten Tonnen CO2 fixiert wird. Der sich dann am Markt bildende einheitliche Emissionspreis lenkt dann, wie oben beschrieben, die Marktteilnehmer zu einer effizienten CO2-Vermeidung.

Es wurde zwar zunächst bemängelt, dass die Emissionspreise in der EU zu niedrig waren. Das lag aber schlicht darin, dass man zu viele Zertifikate ausgegeben hatte. Es handelte sich hier also nicht um einen systematischen Fehler, sondern eher um ein Versehen. Diesen Mangel kann der Staat leicht beheben, indem er die Menge wieder (durch Rückkäufe von Emissionsrechten) reduziert. Ein möglicher fiskalischer Nachteil des Emissionshandels ist, dass CO2-Zertifikate dem Staat normalerweise nur einmal Einnahmen verschaffen, nämlich dann, wenn sie erstmals verkauft werden. Und auch das passiert nur dann, wenn die Rechte nicht anders zugeteilt werden.

Man könnte nun die bisher noch nicht im Emissionshandel berücksichtigten Sektoren in das System übernehmen. Dafür spricht, dass es schlicht effizient ist, über alle volkswirtschaftlichen Sektoren hinweg einen einheitlichen Preis zu haben. Dennoch regt sich politischer Widerstand. Dieser kommt zum Teil aus den Sektoren, die bisher noch nicht im System sind und deren Interessensvertreter eine direkte Verteuerung des CO2-Ausstoßes verhindern wollen. Interessanterweise kommt aber auch Widerstand aus den Reihen von manchen Umweltverbänden und auch aus der Bundesregierung.

Einige Umweltpolitiker und Lobbygruppen bevorzugen nämlich gerade das aus ökonomischer Sicht ineffiziente, planwirtschaftliche Intervenieren über Sektorziele. So ökonomisch ineffizient dies auch ist, so verlockend ist es doch oft, direkte politische Vorgaben machen zu können und direkt in Produktionsprozesse und Konsumentscheidungen hinein zu regieren. Zumindest ist das so, wenn man selbst starke Präferenzen hat und glaubt, diese für allgemeingültig zu erklären und Anderen aufdrängen zu müssen.

Schließlich gibt es noch das Argument der Verteilungswirkungen. Eine Folge der Ausweitung des Emissionshandels kann beispielsweise darin bestehen, dass das Heizen von Privatwohnungen nochmal spürbar teurer wird, wovon naturgemäß die untersten Einkommensgruppen am stärksten negativ betroffen wären. Natürlich könnte die Politik dies durch zusätzliche Umverteilung kompensieren, aber diese Kompensation würde zulasten anderer Ausgabenwünsche gehen.

Hier kommt der Vorteil des konkurrierenden Modells ins Spiel, der CO2-Steuer. Hier wird eine Steuer auf den CO2-Ausstoß erhoben, die idealerweise so hoch ist, dass die gewünschte, effiziente CO2-Reduktion erreicht wird. Damit ist im Gegensatz zum Emissionshandel aus Sicht des Fiskus der Vorteil eines steten Einnahmenstroms verbunden. Diese Einnahmen wiederum könnten wieder an die Privathaushalte umverteilt werden, so dass sie für die Einkommensverluste entschädigt werden, die durch die CO2-Steuer entstehen.

Genau dies wäre auch die von Ökonomen derzeit oft formulierte Politikempfehlung. Über die Veränderung der relativen Preise durch den teurer gewordenen CO2-Ausstoß wäre eine Lenkungswirkung zu erwarten, ohne dass die Haushalte allzu große Einkommensverluste hinnehmen müssten. Bei einer einfachen Umverteilung, in der das Aufkommen der CO2-Steuer in identischen Pro-Kopf-Beträgen zurückverteilt wird, gäbe es natürlich weiterhin auf der individuellen Ebene Gewinner und Verlierer. Tendenziell würden aber gerade die unteren Einkommensschichten etwas gewinnen.

So weit, so gut. Dennoch ist auch die CO2-Steuer derzeit eher unbeliebt in der deutschen wirtschaftspolitischen Diskussion. Die Unterstützung seitens der Politik ist nur schwach ausgeprägt. Auch Parteien, die programmatisch eigentlich dafür sind, scheinen nur wenig politisches Kapital einsetzen zu wollen, um eine CO2-Steuer durchzusetzen. Aber wie kommt das?

Das Problem des fehlenden Vertrauens

Gerade in finanzpolitischen Fragen haben die Bürger gute Gründe, ein nur gering ausgeprägtes Vertrauen in die Politik zu haben. Zu oft wurden Steuerentlastungen und große Steuerstrukturreformen angekündigt, die dann doch nicht erfolgt sind. Zu sehr profitieren die öffentlichen Haushalte von kalter Progression, ohne dass Anstalten gemacht werden, diese verlässlich zu beseitigen. Die Bürger beobachten mit Sorge, wie eine Grundsteuerreform diskutiert wird, die erhebliche Steuererhöhungen mit sich bringen kann. Und nicht zuletzt zeigt die Diskussion um den Solidaritätszuschlag, dessen vollständige Abschaffung längst beschlossen sein sollte, dass finanzpolitische Versprechen nur wenig verlässlich sind.

Niemand kann den Bürgern vorwerfen, dass sie angesichts dieser Erfahrungen kein großes Vertrauen in die Politik haben. Die Erwartung ist, dass zwar vielleicht eine CO2-Steuer eingeführt wird, die Einkommenskompensation aber nicht oder nur unzureichend erfolgt. Ein großer Teil des Steueraufkommens, so vermutet man, wird für allgemeine Staatsausgaben verwendet werden. Und tatsächlich ist eine Wunschliste schnell geschrieben. Man wünscht sich mehr Ausgaben für den ÖPNV, vielleicht noch etwas für die Rentenkasse, oder für die Subventionierung erneuerbarer Energien.

Schauen wir einmal zurück in die Zeit der Finanzkrise. Damals gab es ein ähnlich geringes Vertrauen in die Fähigkeit der Politik zur Kontrolle der öffentlichen Verschuldung. Im langen Trend stieg die Staatsschuldenquote seit den 1970er-Jahren an, ebenso wie die Last der Zinsausgaben in den öffentlichen Budgets. Und gerade in den Nuller-Jahren erlebte man, wie ausgerechnet Deutschland gegen die Maastricht-Kriterien verstieß. Ein massives, defizitfinanziertes Konjunkturprogramm einfach so zu implementieren wäre unter diesen Bedingungen politisch riskant gewesen.

Ein Ausweg bestand darin, erodiertes Vertrauen durch bessere Spielregeln wieder neu aufzubauen. So kam das Konjunkturprogramm in der Finanzkrise, aber es kam auch die Schuldenbremse, die eine enge Kontrolle der weiteren Staatsverschuldung sicherstellen sollte. Ob dies gelingen wird, werden wir in den nächsten Jahren sehen. Die aktive Konjunkturpolitik in der Krise wurde aber jedenfalls konsensfähiger, indem sie im Bündel mit den langfristigen Leitplanken der Schuldenbremse eingeführt wurde. Würde man sich nun leichtfertig wieder von der Schuldenbremse verabschieden, oder sie nicht seriös durchsetzen, dann wäre ein weiterer Vertrauensverlust der Bürger absehbar, in eine Politik, die sich nicht an ihre selbst geschaffenen Regeln hielte.

Die CO2-Steuer als ordnungspolitisches Problem

Heute stellt sich die Frage, wie man die CO2-Steuer konsensfähiger macht, wenn die Bürger den Versprechen der Politik, das Steueraufkommen zurück zu verteilen, aufgrund ihrer vergangenen negativen Erfahrungen nicht trauen. Wie bei der Staatsverschuldung, so ist auch dies vor allem ein Problem der glaubwürdigen politischen Selbstbindung. Das bedeutet nicht unbedingt, dass man ins Grundgesetz schreiben soll, was mit dem Aufkommen einer CO2-Steuer zu geschehen hat. Aber man sollte nach Wegen suchen, die es politisch schwieriger machen, das Aufkommen nicht vollständig an die Bürger zurück zu geben.

Eine Möglichkeit könnte zum Beispiel darin bestehen, das Aufkommen aus der CO2-Steuer in einen Sonderfonds fließen zu lassen und so die Transparenz für die Bürger zu erhöhen. Eine unvollständige Rückverteilung wäre kaum unauffällig durchzuführen und mit entsprechend höheren politischen Kosten verbunden. Ebenso könnte man eine unabhängige Verwaltungseinheit schaffen, deren Aufgabe lediglich in der reibungslosen Rückverteilung des CO2-Aufkommens nach einfachen und transparenten Regeln bestünde.

Das sind nur zwei mögliche Ansatzpunkte, aber das Grundproblem ist klar und der Konstellation bei der Einführung der Schuldenbremse sehr ähnlich. Ein ökonomisch sinnvoller Mechanismus scheitert zunächst einmal am fehlenden Vertrauen der Bürger in den Willen der Politik, diesen Mechanismus wie angekündigt umzusetzen. Die Aufgabe der Politik besteht nun darin, Spielregeln so zu gestalten, dass das notwendige Vertrauen neu geschaffen wird.

Und noch etwas ist wichtig: Wo auch immer die Politik ihre selbst geschaffenen Spielregeln und ihre selbst gegebenen Versprechen unterläuft, reduziert sie ihren eigenen zukünftigen Spielraum, glaubwürdig für die Einführung sinnvoller neuer Maßnahmen zu werben.

Blog-Beitrag zum Thema:

Manuel Frondel: CO2-Preis statt Klimaschutz-Planwirtschaft

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