Gastbeitrag
Italien tief in der Corona-Krise

Bild: Pixabay

Das Corona-Virus hat mittlerweile ganz Italien ergriffen, worauf die Regierung das Land unter Quarantäne gestellt hat. Dies könnte die Wirtschaftsleistung so stark wie währende der Finanzkrise einbrechen lassen. Allerdings besteht die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft dieses Mal schneller erholen wird.

Schlimmer als erwartet

Vor einer Woche haben wir unsere Wachstumsprognose 2020 für die italienische Wirtschaft deutlich auf -0,3% gesenkt. Doch selbst diese Prognose ist mittlerweile mit deutlichen Abwärtsrisiken behaftet. Wir waren davon ausgegangen, dass die im Vergleich zu anderen Ländern strikten Maßnahmen der Behörden greifen und das Virus eindämmen würden. Italien hatte als einziges Land der EU sämtliche Flüge von und nach China ausgesetzt und nach Bekanntwerden der ersten Fälle im eigenen Land mehrere Gemeinden um Mailand zur „roten Zone“ erklärt und unter Quarantäne gestellt.

Die aktuellen Fallzahlen zeigen nun aber, dass sich das Virus trotz der entschiedenen Maßnahmen der Regierung rasant über das ganze Land ausbreitet. Italien ist derzeit das Land mit den meisten täglichen Neuinfektionen (Abbildung 1).

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Am Montagabend hat Ministerpräsident Conte die Maßnahmen, die bisher für die „roten Zonen“ galten, auf das ganze Land ausgeweitet. Seitdem stehen 60 Millionen Italiener faktisch unter Quarantäne, die zunächst drei Wochen dauern soll. Während dieser Zeit sind öffentliche wie private Veranstaltungen untersagt. Sportstätten wie Fitnessstudios, kulturelle Einrichtungen, Schulen und Universitäten bleiben bis zum 3. April geschlossen. Am Mittwochabend ging die Regierung einen Schritt weiter und schloss bis zum 25. März alle Geschäfte und Restaurants (Cafes, Bars etc.) – mit Ausnahme von Apotheken und Lebensmittelgeschäften. Der öffentliche Transport sowie Finanz- und Postdienste sollen weiter gewährleistet werden. Fabriken dürfen weiter produzieren, müssen allerdings Vorsichtsmaßnahmen ergreifen.

Damit kommen weite Teile des sozialen und geschäftlichen Lebens zum Erliegen. Ein eindeutiges Bild zeigen stündliche Daten zum Straßenverkehr in Mailand, der in den vergangenen Tagen spürbar zurückging. Während 2019 an Wochentagen tagsüber Verkehrsverzögerungen von durchschnittlich 35% typisch waren – also eine einstündige Fahrt durch Mailand 21 Minuten (60 Minuten x 35%) länger dauerte als bei frei fließendem Verkehr –, betragen die Verzögerungen zurzeit im Mittel nur noch 10% (Abbildung 2). Auch in anderen italienischen Städten hat der Verkehr spürbar abgenommen.

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Dienstleistungen besonders betroffen

Während sich die negativen Effekte in Branchen wie Information und Kommunikation oder bei Banken und Versicherern wohl kaum bemerkbar machen dürften und der Gesundheitssektor eher mehr leisten muss, zeichnen sich insbesondere in den Bereichen Groß- und Einzelhandel, Gastgewerbe, dem Flugverkehr sowie Kunst und Unterhaltung deutliche Einbrüche ab. Reiseveranstalter berichten von Stornierungen, die bis in den Juni hinein reichen, und Unternehmen verbieten Dienstreisen. Zahlreiche Fluglinien haben Italien-Flüge gestrichen. Hinzu kommen die oben erwähnten, staatlicherseits untersagten privaten und öffentlichen Veranstaltungen. Zusammen stehen diese Bereiche für mehr als 17% der Bruttowertschöpfung Italiens (Abbildung 3).

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Da repräsentative Daten zeitnah nicht zur Verfügung stehen, lässt sich nur schwer abschätzen, wie stark die Bruttowertschöpfung in diesen Bereichen fallen wird. Um zumindest eine krude Vorstellung von der möglichen Größenordnung des negativen Effekts auf die Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft Italiens zu erhalten, legen wir folgende Annahmen zugrunde:

  • Luftfahrt -60%
  • Groß- und Einzelhandel -40%
  • Gastgewerbe und Reiseveranstalter -40%
  • Kunst-, Unterhaltung und Erholung -30%

Dabei gehen wir davon aus, dass – wie in China (siehe Anhang) – nach Bekanntwerden der Virusepidemie die Wirtschaftsaktivitäten rasch einbrechen, für einige Wochen gelähmt bleiben und sich anschließend über mehrere Wochen erholen. Bis zur vollständigen Genesung dürften zwischen acht und zehn Wochen vergehen. Dementsprechend wäre die italienische Wirtschaft von März bis etwa Mitte Mai betroffen.

Damit ergäbe sich für Italien ein Rückgang der Wachstumsrate im ersten Halbjahr um 5½% gegenüber der zweiten Jahreshälfte 2019. Bei dieser Rechnung sind allerdings noch keine negativen Auswirkungen auf die übrigen Wirtschaftszweige berücksichtigt. Sollten die Landwirtschaft, die Industrie sowie die übrigen Dienstleistungsbereiche pauschal Einbußen von 5% erleiden, würde dies die Wachstumsrate der ersten Jahreshälfte um weitere 3% drücken.

Hoffnung gießt in Sturmnacht Morgenröte (Goethe)

Erfahrungen mit früheren Virus-Epidemien zeigen, dass nach dem Abklingen einer Epidemie wirtschaftliche Nachholeffekte einsetzen. Diese dürften das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte und mit Abstrichen bis hinein in das Jahr 2021 zusätzlich anschieben.


Anhang: Chinesische Lehren

Nach den Erfahrungen aus China zu urteilen, dürfte das Corona-Virus die Wirtschaftsleistung etwa acht bis zehn Wochen lang beeinträchtigen. Seit dem Bekanntwerden der ersten Viruserkrankungen um den 20. Januar sind mittlerweile annähernd acht Wochen vergangen, bis zuletzt nur noch wenige Neuinfektionen auftraten und ein Ende der Epidemie in China absehbar erscheint. Auch „harte“ Tagesdaten wie die Verkehrsdichte in Shanghai und der Kohleverbrauch der sechs größten Stromerzeuger des Landes deuten darauf, dass es circa acht Wochen dauert, bis diese wieder an normale Niveaus heranreichen (Abbildung 4). Vermutlich sind weitere zwei Wochen nötig, bis das soziale und Wirtschaftsleben vollkommen genesen ist.

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Marco Wagner
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