Drifting Apart
Digitales Bargeld in den USA und in der Eurozone

Während das Eurosystem Anfang November einen weiteren Schritt zur Einführung des digitalen Euros gegangen ist, hatte US-Präsident Trump bereits Anfang 2025 die Ausgabe und den Gebrauch eines digitalen Dollars untersagt. Die Eurozone und die USA gehen damit völlig unterschiedliche Wege bei der Digitalisierung ihrer Zahlungswege. Warum ist das so und was wird sich durchsetzen?

Digitalisierungsstrategien

Das Eurosystem beabsichtigt, die Vorbereitungsphase für die Einführung des „digitalen Euros“ zum Jahresende 2025 abzuschließen. Beim digitalen Euro handelt es sich um ein von der Notenbank ausgegebenes und in Euro denominiertes Zahlungsmittel, das von Finanzinstituten und von Haushalten und Unternehmen per App online oder offline zu Transaktionen verwendet werden kann. Der digitale Euro ergänzt als Central Bank Digital Currency (CBDC) die Euro-Banknoten als Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel.

Ab 2026 will das Eurosystem die erforderlichen technischen Kapazitäten im Vorfeld einer möglichen Entscheidung über die Ausgabe aufbauen und die Voraussetzungen für eine mögliche erste Ausgabe des digitalen Euro im Jahr 2029 schaffen. Dies setzt voraus, dass die Mitgliedsländer der Eurozone die Verordnung über die Einführung des digitalen Euro im Laufe des Jahres 2026 verabschieden. Ein Pilotprojekt und erste Transaktionen könnten möglicherweise bereits Mitte 2027 stattfinden, um eine mögliche Ausgabe vorzubereiten. Ob und wann der digitale Euro tatsächlich eingeführt wird, will der EZB-Rat später entscheiden (European Central Bank, 2026).

Im Unterschied zur Eurozone hat das US Repräsentantenhaus im Sommer 2025 den `Anti-CBDC Surveillance State Act´ verabschiedet, der es der US Fed untersagt, direkt oder indirekt (über Intermediäre) einen digitalen Dollar auszugeben. Der Fed ist auch untersagt, eine digitale Zentralbankwährung zu testen, zu untersuchen oder zu entwickeln oder diese zur Umsetzung der Geldpolitik zu verwenden. Zudem wurde der „Genius Act“ erlassen, der Ausgabe und Verwendung privat und dezentral produzierter digitaler Zahlungsmittel, vor allem in Form von Stablecoins, reguliert.[1]

Dies sind digitale Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel mit eigener Denomination, die an ein Reservemedium (eine einzelne Fiatwährung oder einen Währungskorb) gebunden und zu einem festen Kurs einlösbar sind. Während bislang keine 1:1-Deckung vorgeschrieben war, sieht Genius vor, dass Stablecoins vollständig durch liquide, risikoarme Aktiva (wie Bargeld oder US Treasuries) gedeckt sein müssen und nicht verzinst werden dürfen. Ausländische Anbieter dürfen grundsätzlich eigene Stablecoins in den USA emittieren, sofern sie bei einem US-Finanzinstitut ausreichende Reserven halten, um den Liquiditätsbedarf von US-Kunden zu decken.

Die EU Kommission hatte bereits 2024 Ausgabe und Verwendung von Stablecoins mit der „Markets in Crypto-Assets Regulation“ (MiCAR) geregelt. Auch MiCAR schreibt eine 1:1 Deckung und ein Verzinsungsverbot vor, betont aber stärker den Verbraucherschutz (Bechtel, Von Rosenstiel, 2025): Während der Genius Act eine Vermischung von Stablecoin-Reserve und Eigengeldern der Emittenten für andere Geschäftszwecke erlaubt, müssen in der EU Reserve- und Eigengeldern getrennt voneinander und von Dritten verwahrt werden. Darüber hinaus fordert MiCAR eine Eigenkapitalquote von mindestens zwei Prozent, während Genius auf zusätzliche Eigenkapitalvorschriften für die Emittenten von Stablecoins verzichtet.

Gründe für den regulatorischen „digital divide“

Die amerikanische Seite begründet das Verbot eines staatliche produzierten CBDCs vor allem mit dem Schutz der finanziellen Privatsphäre der Bürger und mit Gefahren für die Stabilität des Bankensektors. Befürchtet wird, dass ein staatlich produziertes digitales Zentralbankgeld es der Regierung ermöglicht, detaillierte Transaktionsdaten über einzelne Nutzer zu erhalten, und sie befähigt, die CBDC so zu programmieren, dass `politisch unpopuläre Aktivitäten unterdrückt´ werden.

Aus Sicht des US-Bankenverbandes ist digitales Zentralbankgeld unnötig, weil in den USA zahlreiche Möglichkeiten für digitale Zahlungen bestehen und ein digitaler Dollar die Rolle von Banken bei der Finanzintermediation untergräbt: Da ein digitaler Dollar ein enges Substitut zu Bankeinlagen darstellt, könnten Mittel von den Banken weg und auf Konten bei der Federal Reserve fließen lassen, wodurch die Fähigkeit der Geschäftsbanken, Kredite zu vergeben, stark eingeschränkt würde.

Solche Argumente spielen im Eurosystem eine eher untergeordnete Rolle. Der Schutz der Privatsphäre sei sichergestellt, weil der digitale Euro eine Offline-Zahlungsfunktion enthält, bei der keine persönlichen Daten an den Zahlungsdienstleister oder das Eurosystem übermittelt werden. Bei Online-Zahlungen sollen verschiedene kryptografische Tools verhindern, dass das Eurosystem einen Endnutzer direkt identifizieren oder die von verarbeiteten Daten mit einem identifizierten Endnutzer in Verbindung bringen kann (Europäische Zentralbank, 2024).

Allerdings sollen Online-Transaktionen suspendiert und den Strafverfolgungsbehörden mitgeteilt werden, sofern Hinweise auf Betrug, Geldwäsche, Terrorismus oder Steuerbetrug vorliegen. Demgegenüber muss der Dienstleister bei Offline-Zahlungen allein Zahlungsbetrag, Zeitpunkt der Zahlung, Kennung des Geräts und Kontonummer speichern. Um der Gefahr einer weitgehenden Disintermediation vorzubeugen, sind Obergrenzen für das Halten von digitalen Euro offline vorgesehen, deren Höhe zwischen 500 und 3000 Euro liegen soll.

Laissez-faire versus Staatskonstruktion

Während die USA bei der Produktion von digitalem Bargeld auf private Lösungen setzen, wählt die Eurozone mit dem digitalen Euro den staatskonstruktivistischen Weg. Der amerikanische Ansatz ist technologieoffen, dezentral und nutzt den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für neue, an den Konsumentenwünschen angepasste digitale Zahlungstechniken. Viele Stablecoins-Systeme verwenden verteilte digitale Datenbanken (Distributed-Ledger-Technologien, DLT), bei denen Informationen dezentral gespeichert und von einem Netzwerk von Teilnehmern synchronisiert werden. Stablecoins sind damit fälschungssicher und lassen sich bspw. für smart contracts nutzen, die es erlauben, ökonomische Transaktionen zu automatisieren und kostengünstig durchzuführen. Diese Möglichkeit bietet der digitale Euro wohl nicht, weil alle Transaktionen auf einer zentralen Plattform abgewickelt werden und keine DLT eingesetzt wird.

Deshalb bezweifeln Kritiker einen konkreten Zusatznutzen des digitalen Euros gegenüber bestehenden Zahlungssystemen und verweisen auf die mit der Einführung verbundenen Kosten: Das Eurosystem selbst schätzt die Entwicklungskosten auf etwa 1,3 Mrd. Euro; hinzu kämen jährliche Betriebskosten in Höhe von 320 Mio. Euro (Europäische Zentralbank, 2025). Natürlich verursacht auch der Aufbau privater Zahlungsdienstleistungen in den USA Kosten, die aber von den Nutzern und nicht vom Steuerzahler getragen werden.

Ausblick

Für die Europäer ist wichtiges Motiv für die Einführung des digitalen Euros, im Lichte der geopolitischen Lage die Abhängigkeit der Europäer von amerikanischen Zahlungsdienstleistern zu reduzieren und die Resilienz des Zahlungsverkehrs in der Eurozone zu erhöhen. Für sie hat Autonomie im Zahlungsverkehr inzwischen dieselbe Priorität wie Autonomie in der Verteidigung und in der Energieversorgung (Cipollone, 2025). Ob der digitale Euro dies leisten kann, erscheint angesichts des digitalen technischen Fortschritts zweifelhaft.

Der staatskonstruktivistische Weg in der Eurozone ersetzt nicht den Wettbewerb, der ein zentraler Treiber für Innovationen ist. Obwohl die Europäischen Regularien die Emission von Stablecoins erlauben, dürften die Markteintrittsbarrieren für private Anbieter höher als in den USA sein, wenn mit dem digitalen Euro bereits ein öffentlich subventioniertes digitales Zahlungsmittel existiert. Zudem ist der Zahlungsverkehr in der Eurozone weiterhin fragmentiert, und private Anbieter von Zahlungsdienstleistungen können kaum Skaleneffekte nutzen, was ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber amerikanischen Anbietern beschneidet. Vielleicht sind hier ansetzende Reformmaßnahmen besser als der digitale Euro geeignet, die zahlungstechnische Resilienz der Eurozone zu erhöhen.

Literatur

Bechtel, A., Von Rosenstiel, A. (2025), Die USA regulieren erstmals Stablecoins – was nun, Europa?, FAZ ProDigitalwirtschaft, 23.07.2025, https://www.faz.net/pro/digitalwirtschaft/transformation/usa-regulieren-erstmals-stablecoins-eu-fehlt-trotz-micar-der-politische-wille-110600259.html

Cipollone, P. (2025), Empowering Europe: Boosting Strategic Autonomy Through the Digital Euro. Introductory Statement at the Committee on Economic and Monetary Affairs of the European Parliament, Brüssel. https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2025/html/ecb.sp250408~40820747ef.en.html

Europäische Zentralbank (2025), Häufig gestellte Fragen zum digitalen Euro, 30. Oktober 2025, https://www.ecb.europa.eu/euro/digital_euro/faqs/html/ecb.faq_digital_euro.de.html#q26


[1] Die genaue Bezeichnung lautet „Guiding and Establishing National Innovation for U.S. Stablecoins (Genius) Act“. Während Genius inzwischen in Kraft getreten ist, muss der Anti-CBDC Surveillance State Act noch durch den US Senat.

Beiträge zum Thema:

Uwe Vollmer (UL, 2024): Wie sinnvoll ist der digitale Euro?

Michael Frenkel (WHU, 2023): Wer braucht den digitalen Euro?

Uwe Vollmer (UL, 2023): Digitales Bargeld. Privat oder staatlich produziert?

Jörg Krämer (CBK, 2021): Die versteckten Risiken des digitalen Euro

Uwe Vollmer (UL, 2019): Geldpolitik 4.0. Brauchen wir digitales Zentralbankgeld?

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