„Inflation is always and everywhere a monetary phenomenen.“ (Milton Friedman)
„Um die bürgerliche Gesellschaft zu zerstören, muss man ihr Geldwesen verwüsten.“ (Wladimir I. Lenin)
Das geldpolitische Geschäft der Notenbanken ist gegenwärtig nicht einfach. Sie sind in einer Zwickmühle. Die Arbeitslosigkeit in den USA und in weiten Teilen der EU ist persistent hoch, nur nicht in Deutschland. Eine restriktivere Geldpolitik ist vor allem für Keynesianer, wie Paul Krugman, ein rotes Tuch. Gleichzeitig nistet sich die Inflation nachhaltig ein, in Europa und den USA. Das lässt bei der FED und der EZB die Alarmglocken läuten. Notorische Inflationsgegner, wie Allan Meltzer, fordern die Notenbanken immer wieder auf, endlich aus der extrem lockeren Geldpolitik auszusteigen. Die Notenbanken zögern, die FED mehr als die EZB. Dieses Mal sei alles anders. Der Aufschwung stehe auf wackligen Beinen. Die Fiskalpolitik habe ihr Pulver verschossen. Eine restriktive Geldpolitik sei verfrüht, Inflationsgefahren bestünden gegenwärtig nicht. Ziehe die Konjunktur wider Erwarten stark an, stünden die bewährten geldpolitischen Folterwerkzeuge uneingeschränkt zur Verfügung.
Inflation gestern
Es ist eine ökonomische Binsenweisheit: Inflation ist nur bei anhaltenden Nachfrageüberhängen auf Gütermärkten möglich. Die entstehen, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärker als das gesamtwirtschaftliche Angebot steigt. Sie stellen sich aber auch ein, wenn das Angebot stärker als die Nachfrage sinkt. Im ersten Fall steigen Preisniveau und Beschäftigung. Das ist typisch für Konjunkturaufschwünge. Im zweiten Fall steigt mit dem Preisniveau auch die Arbeitslosigkeit. Stagflation ist die unangenehme Folge. Es ist allerdings eher nebensächlich, ob die Ursachen der Nachfrageüberhänge auf der Nachfrage- oder Angebotsseite liegen. Entscheidend ist, ob die Notenbanken die Nachfrageüberhänge monetär alimentieren. Das hängt davon ab, wie stark der Druck ist, der von der Politik auf die Notenbanken ausgeübt wird. Wachsende staatliche Ausgaben, starke Widerstände gegen reguläre Steuern und eine persistent hohe Arbeitslosigkeit verstärken den Druck.
Die Erfahrungen mit inflationären Entwicklungen der Vergangenheit sind eindeutig: Inflation ist ein monetäres Phänomen. Bleibt die Geldpolitik solide, besteht keine Gefahr für die Preisniveaustabilität. Zwar steigen einzelne Güterpreise, dafür fallen andere. Das relative Preisgefüge ändert sich, nicht aber das allgemeine Preisniveau. Zu inflationären Entwicklungen kommt es erst, wenn die Geldmenge expandiert. Allerdings lösen reale Faktoren oft erst die Expansion der Geldmenge aus. Vor allem mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit und der staatlichen Verschuldung nimmt die monetäre Versuchung der Politik zu. In beiden Fällen setzt sie die Notenbanken massiv unter Druck, geldpolitisch Gas zu geben. Dieser Druck zeigt um so eher Wirkung, je politisch abhängiger Notenbanken sind. Das Ende vom Lied sind mehr oder weniger starke inflationäre Entwicklungen. Die eigentlichen Probleme rigider Arbeitsmärkte und wuchernder Staaten bleiben weiter ungelöst.
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Ein Blick auf die USA und Deutschland zeigt: Der Anstieg der Geldmenge und der Anstieg der Güterpreise sind eng korreliert. Höhere Geldmengen und höhere allgemeine Preisniveaus gehen Hand in Hand. Das gilt für den gesamten Zeitraum zwischen 1913 und 2010. Wuchs die Geldmenge stark, schlug sich das über kurz oder lang auch in einem starken Anstieg des allgemeinen Preisniveaus nieder. Nachhaltige Prozesse der Inflation sind sowohl in Deutschland als auch den USA monetärer Natur. Die Empirie zeigt auch eindeutig, dass Inflation in beiden Ländern immer wieder eingesetzt wurde, um Arbeitslosigkeit zu verringern. Die Phillips-Kurve war nie wirklich tot, die Politik konnte mit „dummen“ Bürgern rechnen. Daneben war die „Inflationssteuer“ immer auch ein beliebtes Instrument, Defizite im staatlichen Haushalt zu finanzieren. Der Widerstand der Bürger gegen die schrecklichste aller Steuern, die „Inflationssteuer“, war geringer als gegen reguläre Steuern.
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Inflation heute
 Auf das Schreckgespenst der Inflation müssen wir nicht länger warten. In Europa und den USA spukt es längst. Überall steigen die Inflationsraten, in den USA stärker als in Europa. Längst ist die magische Marke von 2 % ist geknackt. Es spricht vieles dafür, dass eine weiter steigende Inflation droht. Die Preise steigen auf der ganzen Breite der Vorstufen der Endprodukte. Und die Nachfrage der Schwellenländer bleibt weiter hoch. Das treibt auch die Preise für Industriegüter. Die Inflation frisst sich in Europa und den USA durch den Prozess der Produktion. Noch hat allerdings die Inflation den entscheidenden Kick nicht erhalten. Die Zweitrunden-Effekte über explodierende Löhne wurden noch nicht gezündet. In Deutschland begünstigt der starke Abbau der Arbeitslosigkeit diese Effekte allerdings. Die ungünstigere Lage auf den anderen europäischen Arbeitsmärkten wird mit dazu beitragen, dass die künftigen Inflationsraten in Deutschland die in der EWU übersteigen werden.
Auf Sicht ist die Lohn- und Tarifpolitik der entscheidende Treibsatz der Inflation. Zünden ihn die Gewerkschaften, explodiert die Inflation. Den Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantiks wird dann nichts anderes übrig bleiben, als darauf zu verzichten, die üppig vorhandene Liquidität möglichst schnell wieder einzusammeln. Ein Blick auf den Zusammenhang von Inflation und Arbeitslosigkeit zeigt am aktuellen Rand eine spezifische Entwicklung. Die Inflation steigt, die Arbeitslosigkeit verändert sich aber kaum. Das gilt für die europäischen und amerikanischen Arbeitsmärkte. Eine Ausnahme sind die deutschen. Das deutet darauf hin: Eurosklerosis ist (fast) überall. Die überaus expansive Geldpolitik ist nicht in der Lage, die nach wie vor hohe Arbeitslosigkeit spürbar und nachhaltig zu verringern. Halten die Notenbanken an ihrer Geldpolitik fest, mit der sie die Länder geflutet haben, explodiert die Inflationsrate. Deutschland wäre besonders betroffen.
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Die FED und die EZB werden die zu erwartenden Zweitrunden-Effekte der Lohn- und Tarifpolitik monetär alimentieren. In den USA befinden sich die Immobilienmärkte noch immer in einem desolaten Zustand. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr wird die Politik alles unterlassen, was die Situation der Hypothekenschuldner weiter erschweren könnte. Eine weiter expansive Geldpolitik der FED erleichtert deren Lage. Nach QE1 und QE2 ist deshalb mit einem QE3 zu rechnen. Aber auch die EZB wird das Ziel der Preisniveaustabilität weiter vernachlässigen. Die aktuelle Krise der EWU setzt vor allem den Ländern der Peripherie ziemlich zu. Eine Geldpolitik, die zügig die großzügig unters Volk gebrachte Liquidität einsammelt, verschärft die Lasten der großen Schuldner. Der Druck der Politik auf die Notenbanken wird anhalten. Zweitrunden-Effekte der Lohn- und Tarifpolitik werden monetär alimentiert. Das ist für die Preisniveaustabilität keine gute Nachricht.
Inflation morgen
Langfristig ist der grenzenlose Appetit des Staates der wichtigste Treiber der Inflation. Nimmt er mehr knappe Ressourcen in Anspruch, steigt das allgemeine Preisniveau. Die Gründe liegen auf der Hand: Tätigt der Staat mehr Ausgaben, muss er sie auch finanzieren. Dazu muss er Steuern erhöhen oder sich stärker verschulden. Mit einer höheren Rate der Inflation lässt sich beides leichter bewerkstelligen. Ein höheres allgemeines Preisniveau hilft über die kalte Progression, die Steuereinnahmen zu steigern. Der Widerstand gegen diese Art der Finanzierung ist geringer, die Wirkungen sind aber ungerechter als über höhere reguläre Steuern. Und eine höhere Inflation entwertet staatliche Schulden, explizite mehr als implizite. Die „Inflationssteuer“ hilft, höhere staatliche Ausgaben widerstandsloser zu finanzieren. Kein Wunder, dass der Zusammenhang zwischen Staatsausgaben und Inflation sowohl in Deutschland als auch den USA über mehr als 100 Jahre hinweg sehr stabil ist.
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Die eigentliche Gefahr für die Preisniveaustabilität geht von den Bürgern selbst aus. Die Nachfrage nach staatlichen Leistungen ist ungebrochen. In einer wirtschaftlich volatilen Welt ist staatlicher Schutz gefragter denn je. Regulierungen und Subvention sollen den Strukturwandel verhindern. Tritt er doch ein, fordern die Bürger von der Politik mehr sozialen Schutz. Finanzielle Transfers nehmen zu, Systeme der Sozialen Sicherung expandieren. Beugt sich die Politik den Wünschen nicht, wird sie abgewählt. Sie „besticht“ deshalb die Wähler mit ihrem eigenen Geld (Wolfgang Krieger). Weil es wehtut, werden die „Bestechungsgelder“ immer weniger über Steuern und Abgaben eingesammelt. Das Problem verschärft sich, weil Wähler immer seltener bereit sind, für staatliche Leistungen zu zahlen. Die Politik verfällt auf die Finanzierung über staatliche Schulden. Wachsende Schuldenberge legen den Keim, später die Notenpresse anzuwerfen.
Die Gefahr der Inflation lässt sich langfristig nur mit klaren ordnungspolitischen Regeln bannen. Es muss glaubwürdig festgelegt werden, was des Marktes und was des Staates ist. Wettbewerbliche Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkte sind das eine, mehr marktliche Lösungen der Sozialen Sicherung sind das andere. Der Staat hat die Aufgabe, den notwendigen Ordnungsrahmen zu schaffen. Ansonsten sollte er an die Kette gelegt werden. Wirksame Grenzen für staatliche Schulden und Staatsquoten wären nur konsequent. Eine politisch unabhängige Notenbank wäre das Tüpfelchen auf dem i. Das alles ist aber Illusion, wenn die politischen Märkte unvollkommen bleiben. Mehr direkte Demokratie, in der die Bürger viel öfter über das Preis-Leistungs-Verhältnis konkreter Projekte abstimmen, würde individuelles Trittbrettfahrer-Verhalten eindämmen. Es ist kein Zufall, dass die Schuldenquote in Länder mit direkterer Demokratie nieder liegt als in repräsentativen Demokratien.
Fazit
Die Inflation ist auf dem Vormarsch. Notenbanken haben schwere Fehler gemacht. Es ist falsch zu glauben, man könne mit der Geldpolitik die Konjunktur oder die Struktur nachhaltig steuern. Das Einzige, was eine gute Geldpolitik wahrscheinlich langfristig leisten kann, ist die Kaufkraft der Währung zu erhalten (Erwin Heri). Es ist fatal, dass sich die Notenbanken in die babylonische Gefangenschaft der Politik begeben haben. Das ist für die FED keine neue Nachricht. Dennoch überrascht der Grad des politischen Opportunismus, den sie mit dem QE an den Tag gelegt hat. Viel schlimmer ist das Verhalten der EZB. Die Bundesbank ist endgültig tot, die politische Unabhängigkeit passé. Mit dem Ankauf halbseidener Staatspapiere hat die EZB den Rubikon überschritten. Ihre Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt, der Monetisierung der Staatsschulden wurde Tür und Tor geöffnet. Die EZB und die FED wandeln auf den Spuren Lenins. Sie sind drauf und dran das Geldwesen zu verwüsten.
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Seit den 70er Jahren haben sich die Gebietskörperschaften auch in D permanent neu verschuldet, in etlichen Kommunen und Länder bis über die Halskrause. Immer wurden neue Wohltaten an große Gruppen – vor allem die organisierten Arbeitnehmer – ausgeschüttet. Und, um zu verhindern, dass aufgrund der Lohnkosten-Nachteile der Standort leidet wurden immer neue kreditfinanzierte Programme aufgelegt, die die zunehmende Arbeitslosigkeit kaum dämpfen konnten.
Die Krise zeigt eine Interdependenz zum aktuellen Demokratiekonzept.
Während in der Weimarer Zeit noch das Instrument einer Zwangsschlichtung existierte, sind die Gewerkschaften in der Bundesrepublik von jeder Einflussnahme geschützt.
OPEL Bochum kalkuliert eine Mannstunde mit 34€, OPEL Gliwice (Polen) mit 9€. Das ist auch der Wert, den die bundesdeutsche Arbeit tatsächlich wert ist, aber stattdessen hat die organisierte Interessengruppe bald das Vierfache durchdrücken können, eine massive Umverteilung zugunsten der Beschäftigten.
Und die „kleinen Leute“ verlangen weiter energisch nach „sozialer“ Besserstellung, die sie auch in der Weimarer und der NS-Zeit erhalten haben, wie auch heute in Griechenland. Und wenn sie die nicht mehr bekommen, laufen sie als erste über zu den Extremisten.
Das Grundgesetz bildet immer noch keinen stabilen Verfassungsrahmen, weder die Verschuldungsvorschriften noch der Schutz der individuellen Rechte vor den Ansprüchen der Mehrheit ist halbwegs ausreichend. Ganz abgesehen davon, dass das deutsche Volk, der Souverän, über diese Verfassung nicht abstimmen durfte, ebenso wenig wie über die sog. „Europäische Verfassung“.
Trotz Hjalmar Schachts Verschuldungskonzept (damals über ÖFFA- und MEFO-Wechsel, heute der Ankauf von Staatspapieren durch die EZB auf dem Sekundärmarkt – beide eigentlich untersagt) wäre das NS-Deutschland 1939 – ohne den Krieg ab 1939 – in eine schwere Inflation/ Rezession zurückgefallen, ebenso wie Roosevelt ohne den Krieg in Europa und Asien 1940 abgewählt worden wäre. Nur der Krieg sicherte den machterhalt der regierenden Gruppen, er überdeckte die gravierende Gefahr durch die exzessive Staatsverschuldung, der verschobene ökonomische Kollaps wurde jedoch zum Totalzusammenbruch Deutschlands.
Die heutige Krise ist die nächste Etappe, in der ein falsches, weil illiberales Demokratie- und Verfassungskonzept scheitert. Die aktuelle Verschuldungs-/ Geldkrise ist nicht mit einem zweiten Rettungsschirm abzuwenden, noch mit einem dritten, vierten, …
Sie wird sich wieder verschärfen – und dieses Mal wird es genauso wenig anders wie vorher.
Ein Musterbeispiel für ökonomische Mustervoraussagen –
Danke für den Beitrag!
@ BHamilton:
Auch ganz lesenswert hierzu:
http://bis.org/publ/work333.htm
http://financialservices.house.gov/UploadedFiles/072611hoenig.pdf