Die kommende Bundesregierung wird eine finanzpolitische Weichenstellung leisten müssen. Entscheidet sie sich falsch, dann drohen hohe Zinslasten im Bundeshaushalt und ein interventionistischer, Wachstum hemmender Staat. Aber so muss es nicht kommen.
Die Corona-Krise war der äußere Anlass, der Deutschland aus dem kurzen goldenen Jahrzehnt nach der Finanzkrise gerissen hat. Dazwischen erlebten wir Jahre moderaten, aber doch stetigen Wirtschaftswachstums, das auch ein stetiges Wachstum der Staatseinnahmen und -ausgaben ermöglichte. Beides ist seit 2020 vorbei, die Folge sind durchaus angespannte öffentliche Finanzen.
Was ist eigentlich das Problem?
Deutschland hat eigentlich kein Einnahmenproblem. Ja, die Staatseinnahmen wachsen langsamer als früher, aber dennoch hat der noch von der Ampel geplante Haushaltsentwurf für 2025 einen Umfang von 488 Mrd. Euro. Trotz Schuldenbremse ist der Haushalt auch inflationsbereinigt größer als der letzte vor-pandemische Haushalt. Nachdem sich nun auch die Energiekrise weitgehend normalisiert hat, gibt es keinen Grund mehr für einen Krisenhaushalt.
Dennoch werden immer mehr und neue Ausgabenwünsche formuliert, nicht zuletzt im politischen Betrieb selbst. Der noch amtierende Bundeswirtschaftsminister möchte den Übergang zur CO2-Neutralität ebenso herbeisubventionieren wie die Ansiedlung neuer Produktionsstätten. Anstatt auf ökonomisch effiziente und gleichzeitig für den Staat mit niedrigen Kosten verbundene Instrumente zu setzen, soll der Haushalt immer weiter expandieren und mit ihm die steuernde Rolle des Staates im Marktprozess.
Die Weichenstellungen, die jetzt bevorstehen, sind daher nicht nur finanzpolitischer Art. Vielmehr geht es auch um eine Entscheidung darüber, wie stark der Staat die Wirtschaft künftig lenken soll. Die finanzpolitische Grundorientierung der kommenden Jahre wird daher auch zeigen, ob wir wieder lernen, auf Wettbewerb und Marktdynamik zu setzen – oder nicht.
Der Wert stabiler Finanzpolitik
Für Subventionen von Ersatzinvestitionen im Privatsektor und für höhere Investitionen des Staates werden von unterschiedlichen Akteuren unterschiedlich hohe Finanzbedarfe berechnet. Diese gehen bis hinauf in Sphären um 1.000 Mrd. Euro für die kommenden zehn Jahre und werden als Anlass genommen, den Beschluss eines neuen, mit Zweidrittelmehrheit verfassungsfest gemachten Sondervermögens zu fordern. Denn 100 Mrd. jährlich können, so die Befürworter, keinesfalls im regulären Haushalt zusätzlich mobilisiert werden.
Käme es tatsächlich zu einem solchen extremen Sondervermögen, dann muss man allerdings auch sehen, dass der Kernhaushalt mit zusätzlichen Zinszahlungen zwischen 25 und 30 Mrd. Euro im Jahr belastet würde. Und dies ist eine konservative Schätzung, denn wir sehen gerade am Beispiel der USA, dass die Finanzmärkte auf eine schnell eskalierende Staatsverschuldung durchaus schnell und überraschend mit höheren Zinsforderungen reagieren.
Es ist gar nicht lange her: Noch in den 2000er-Jahren floss mehr als jeder siebte Euro, den der Bund ausgegeben hat, an seine Gläubiger in Form von Zinszahlungen. Hohe Staatsverschuldung hat immer auch eine Umverteilungskomponente, weg von Spielräumen für sinnvolle und produktive Staatsausgaben, hin zu Zinseinkommen der Gläubiger des Staates.
Dabei sollte uns ein Einengen der zukünftigen finanzpolitischen Spielräume aus vielerlei Gründen nicht wünschenswert erscheinen. Deutschland leidet bereits unter einer hohen impliziten Staatsverschuldung, die vor allem von zukünftigen Zahlungsversprechen seiner sozialen Sicherungssysteme und von Beamtenpensionen getrieben ist. Und da der Klimawandel nun einmal ein globales Allmendeproblem ist, dessen Lösung auch von vielen anderen Ländern abhängt, kommen vermutlich auch die einen oder anderen Anpassungslasten noch auf zukünftige Generationen zu. Diesen Generationen Spielräume zu nehmen, indem man ihnen hohe Verschuldungsquoten vererbt, ist keine gute Idee.
Kreativität statt Sondervermögen
Aber was, wenn doch nun einmal die berechneten Finanzbedarfe existieren? Auch darüber lässt sich streiten. Bedarfe sind oft nicht Bedarfe, sondern Wünsche, und wenn ich kommunale Kämmerer befrage, welche Investitionen sie in ihren Gemeinden gerne finanzieren würden, dann bekomme ich nicht unbedingt eine Schätzung nur der absolut notwendigen Ausgaben. Auch stellt sich die Frage der Absorptionsfähigkeit: Bekommen wir, wenn wir mit 70 oder 80 Mrd. höheren staatlichen Investitionsausgaben im Jahr auf den Markt treten, tatsächlich deutlich mehr Baustellen oder angesichts begrenzter Kapazitäten nicht vor allem höhere Preise?
Ein etwas behutsameres Vorgehen könnte also angezeigt sein. Hinzu kommt die Möglichkeit, nach anderen Finanzierungsoptionen zu suchen. Öffentliche Infrastruktur ließe sich beispielsweise viel stärker nach dem Pay-as-you-use-Prinzip über Gebühren finanzieren. Und man könnte viele Aufgaben an private Infrastrukturgesellschaften übertragen und so die Belastung des Staatshaushaltes in Grenzen halten.
Wenn wir dann nicht mehr 100 Mrd. pro Jahr im Bundeshaushalt für unsere sinnvollen Infrastrukturausgaben suchen müssen, sondern deutlich weniger, dann kann dies auch ohne Sondervermögen funktionieren. Man kann bestehende Subventionen in hohem Umfang kürzen, man kann andere ineffiziente Ausgaben streichen, man kann zur Not auch Steuern erhöhen: ein Mehrwertsteuer-Prozentpunkt ist rund 15-20 Mrd. Euro wert.
Finanzpolitische Spielräume durch Wachstum generieren
Man kann finanzpolitische Stabilität natürlich auch durch Wachstum ermöglichen. Dies wäre sicherlich der Königsweg. Es ist ein verbreitetes Missverständnis, dass der Staat dieses Wachstum durch höhere Ausgaben erst anschieben und ermöglichen müsste. Gerade in Deutschland bestehen zahlreiche Effizienzreserven, die durch Deregulierung und Entbürokratisierung gehoben werden können. Sie machen den Staat schlanker, reduzieren also öffentliche Ausgaben und sorgen gleichzeitig dafür, dass die Investitionsfreude im Privatsektor wieder zunimmt und in der Folge auch die Steuereinnahmen wachsen.
Man sieht also: Finanzpolitik kann nicht isoliert diskutiert werden. Entscheiden wir uns dafür, dem Staat wieder eine ordnende anstelle einer interventionistischen Rolle zuzuweisen, dann ermöglichen wir damit auch wieder finanzpolitische Stabilität. Tun wir das nicht, dann graben wir den zukünftigen Generationen ein wirtschafts- und finanzpolitisches Loch, aus dem diese nur schwer wieder herauskommen werden.
Serie „Wirtschaftspolitik neu ausrichten“
Klaus F. Zimmermann (RFW, FU, GLO): Migrationspolitik aus der Sackgasse führen
Markus Brocksiek (BdSt): Bürokratieabbau forcieren – Staatseffizienz erhöhen
Manuel Frondel (RWI): Kehrtwende in der Energiepolitik schaffen
Bernd Raffelhüschen (ALU): Rentenversicherung generationengerecht reformieren
Astrid Rosenschon (IfW): Subventionen radikal kürzen
Michael Heise (HQ Trust): Wachstumskräfte und Arbeitsvolumen steigern
Norbert Berthold (JMU) und Jörn Quitzau (Bergos): Wirtschaftspolitik neu ausrichten
- Wirtschaftspolitik neu ausrichten (8) Finanzpolitik stabilitätsorientiert gestalten - 3. Februar 2025
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