„Wir Regierungschefs wissen alle, was zu tun ist, aber wir wissen nicht, wie wir danach wiedergewählt werden sollen.“ (Jean-Claude Juncker)
Der massenhafte Zustrom von Flüchtlingen nach Europa hält unvermindert an. Ein baldiges Ende ist nicht in Sicht. Das unsolidarische Verhalten vieler EU-Länder bürdet einigen wenigen Ländern, wie etwa Deutschland, Österreich oder Schweden, hohe ökonomische Lasten auf. Damit ist es aber nicht getan. Die (berechtigte) Angst geht um, dass die gesellschaftliche Integration misslingen könnte. Über Erfolg oder Misserfolg wird primär auf den Arbeitsmärkten entschieden. Der Erfolg hängt davon ab, ob es gelingt, die Flüchtlinge möglichst schnell in Lohn und Brot zu bringen. Die Fakten sind eindeutig: Den Flüchtlingen mangelt es großteils an marktverwertbaren Fähigkeiten. Damit spielt der Preis für Arbeit (Lohn) für den Integrationserfolg eine dominante Rolle. Den gesetzlichen und sozialen Mindestlöhnen kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Gesetzliche Mindestlöhne und Arbeitsnachfrage
Nach und nach wird klarer, wie es um die Ausbildung der Flüchtlinge bestellt ist. Die wenigsten von ihnen haben eine abgeschlossene berufliche Ausbildung. Viele sind funktionale Analphabeten. Zwar unterscheiden sich die Werte von Herkunftsland zu Herkunftsland. Nach bisherigem (unvollständigem) Kenntnisstand weisen aber etwa 2/3 von ihnen keine Produktivität auf, die eine Entlohnung zum gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro rechtfertigt. Auch die Erträge aus betrieblichen Investitionen in Humankapital sind sehr unsicher. Sie stellen sich oft nicht oder erst mit großer zeitlicher Verzögerung ein. Die Anreize der Unternehmen sind deshalb gering, den wenig produktiven Zuwanderern einen Arbeitsplatz anzubieten. Der hohe gesetzliche Mindestlohn erweist sich für die meisten Flüchtlinge als unüberwindliches Beschäftigungshindernis. Nur ganz jungen, eine Ausbildung suchende Flüchtlingen kann er weniger anhaben.
Soziale Mindestlöhne und Arbeitsangebot
Das Risiko ist hoch, dass der gesetzliche Mindestlohn die meisten (anerkannten) Asylbewerber erst einmal arbeitslos werden lässt. Damit haben sie aber Anspruch auf die Leistungen des ALG II („Hartz IV“). Umgerechnet auf Stundenlöhne liegen die finanziellen Transfers auf Basis einer 40-Stunden-Woche (für Berlin) zwischen knapp unter 5 Euro (Alleinstehende) und 14 Euro (Familie mit 3 Kindern). Die Nettolöhne einer Beschäftigung eines Alleinstehenden erreichen beim gesetzlichen Mindestlohn 6,30 Euro. Bei einem verheirateten Alleinverdiener mit drei Kindern liegen sie – mit Kindergeld – bei 10,10 Euro. Spätestens nach einem Familiennachzug ist für gering qualifizierte Flüchtlinge der Anreiz, einen angebotenen Arbeitsplatz zum Mindestlohn anzunehmen, wegen der durchschnittlich größeren Familie der Flüchtlinge nicht sehr attraktiv. Der hohe soziale Mindestlohn ist die zweite Hürde, die Flüchtlinge kaum überwinden werden.
Notwendige Reformen der Mindestlöhne
Nur eine Reform der Mindestlöhne kann diese Hürden für die Integration verringern. Die gesetzlichen Mindestlöhne müssen für Flüchtlinge temporär ausgesetzt werden. Nur dann haben sie eine realistische Chance, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Um Einheimische nicht zu diskriminieren, ist es in Zeiten der Flüchtlingskrise notwendig, die Mindestlöhne für alle auszusetzen. Das kann aber nur der erste Schritt sein. Eine Reform der sozialen Mindestlöhne muss folgen. Der notwendige Lohnabstand kann durch niedrigere Regelsätze erreicht werden. Ein Existenzminimum muss durch aufstockende finanzielle Leistungen realisiert werden. Wirksam ist eine solche Lösung aber nur, wenn die hohen Transferentzugsraten stark abgesenkt werden. Und noch etwas ist notwendig: Große regionale Unterschiede auf den Arbeitsmärkten erfordern Regelsätze und Transferentzugsraten, die eigenständig auf kommunaler Ebene festgelegt werden.
Politische Ökonomie der Mindestlöhne
Die Politik wird wohl nichts von alledem tun. Eine Mehrheit der Wähler will gesetzliche Mindestlöhne. Die Parteien haben viel politisches Kapital investiert, das sie nicht abschreiben wollen. Auch eine anreizverträgliche Reform des ALG II ist schwer vorstellbar. Sie würde als ein Anschlag auf den Sozialstaat verunglimpft. Damit wird eine (Arbeitsmarkt-)Integration der Flüchtlinge aber kaum gelingen. Die Politik wird die alten Fehler der Zeit vor der Agenda 2010 wiederholen. Sie wird die aktive Arbeitsmarktpolitik ausweiten, Unternehmen mit Lohnkostenzuschüssen subventionieren und verstärkt „soziale“ Arbeitsmärkte installieren. Nichts davon wird nachhaltig erfolgreich sein. Dafür zahlen wir aber wirtschaftlich und gesellschaftlich einen hohen Preis. Die Flüchtlinge werden nicht in die Arbeitsmärkte integriert. Parallelgesellschaften werden überall wie Pilze aus dem Boden schießen, die Schwarzarbeit wird eine neue Blüte treiben.
Schaffen wir das?
Eine Integration der Flüchtlinge wird nur gelingen, wenn sie schnell eine reguläre Arbeit finden. Die gesetzlichen und sozialen Mindestlöhne stellen im Doppelpack ein schier unüberwindbares Hindernis dar. Gesetzliche Mindestlöhne lassen Unternehmen zögern, ausreichend Arbeitsplätze anzubieten. Die Arbeitslosigkeit unter den (anerkannten) Flüchtlingen wird explodieren. Soziale Mindestlöhne verringern die Anreize der (arbeitslosen) Flüchtlinge, einen angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen. Der (nach wie vor hohe) Anteil der Langzeitarbeitslosen wird sich signifikant erhöhen. Die Flüchtlinge geraten mit den beiden Mindestlöhnen in eine ökonomische und gesellschaftliche Falle. Nur eine Abschaffung der gesetzlichen Mindestlöhne und eine Reform der „sozialen“ Mindestlöhne können den Teufelskreis unterbrechen, in dem Flüchtlinge gefangen gehalten werden. Dann klappt es auch besser mit der Integration.
Blog-Beiträge: Flüchtlinge und Mindestlöhne
Norbert Berthold: Mindestlöhne als Produktivitätspeitsche für Flüchtlinge. Eine schräge These der Arbeitgeberverbände
Norbert Berthold: Mindestlöhne auch für Flüchtlinge. So wird das nichts mit der Integration
Thomas Apolte: Soziale Marktwirtschaft 2.0. Ein Zweiter Bildungsweg für Flüchtlinge
Norbert Berthold: Flüchtlingskrise: Europa hat keinen Plan. Vertragsbrüche, Solidarität und Mindestlöhne
- De-Industrialisierung nimmt Fahrt auf
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Den Mindestlohn fallen lassen , käme einem Aufstand gleich. Nur ruhiger wie 1933.
Die Politik hat dieses Land in die Einbahnstraße gefahren, nur erkennt es die obrige Gesellschaft der Politiker und wirtschaftsführenenden nicht, oder verharmlosen es, oder sehen es erst gar nicht.
Wir sprechen in Zukunft über 3 Millionen flüchtingen, wenn nicht sogar noch mehr.
Das schlimme ist, es gibt keinen Ausweg mehr. Es ist die Einbahnstraße .
Den Mindestlohn fallen lassen wäre der finanzielle Kollaps für die normale Bevölkerung.